Wat’n Theater XX – Pöbeln vs. Support

Die letzte Kolumne zur Entwicklung in der Nordkurve Babelsberg hat, glaube ich, erstmals Reaktionen hervorgerufen. Ich hab Lob bekommen, aber auch ordentlich Kritik. Vor allem zum Thema Trophäenverbrennen gehen die Meinungen weit auseinander. In Sachen Rummackern und Böllerwerfen siehts etwas anders aus. Die Pöbeleien vor allem beim Spiel gegen Cottbus wurden ebenfalls als weniger problematisch betrachtet. Wobei mich letzteres bei dem genannten Spiel neben dem Klamottenanzünden doch am meisten gestört hat. An dieser Stelle will ich ma erläutern, warum diese blöden Pöbeleien langsam echt nerven.

Ich bin bei diesem Thema zwiegespalten. Ich mag die Beschimpfung der Gegner*innen gar nicht. Auch wenn ein kreativer Diss sowohl inhaltlich als auch performativ spektakulär sein kann, bin ich mir nich ganz so sicher, ob das wirklich sein muss. Es bleibt trotz des ironisch satirischen Potenzials was Negatives hängen. Und vor allem sind Pöbelein für mich Anti-Support, den ich absolut nich mag. So wurde zum Beispiel schon lange vor dem Pokalhalbfinale gegen die Südbrandenburger*innen jede*r mit „Cottbusser Arschlöcher“ beschimpft, statt das Team zu unterstützen. Zugegeben, die Aktiven aufm Rasen haben vor allem inner Rückrunde nich gerade ein Feuerwerk an Fußballkultur abgeliefert. Dennoch rechtfertigt die verkackte zweite Saisonhälfte meiner Ansicht nach nich, das Team so oft allein zu lassen und sich auf die paar Leute im Gästeblock zu konzentrieren.

Ich muss gestehen, dass ich in Sachen Anti-Cottbus-Chören, Ausrasten und Rumpöbeln nich gerade ein leuchtendes Vorbild bin. Ersteres lag mir vor und irgendwie auch nach dem Spiel weiter auf den Lippen. Und bei Union und auch im Halberstadt-Spiel hab ich die Rumpelstilzchennummer ganz schön übertrieben. Das war echt nich schön. Und eigentlich war das auch mal ganz anders. Als ich das erste mal vor Jahren bei Babelsberg war, brüllte son Typ vom Zaun circa zwei Dutzend Leute inner Nordkurve an, die im Regen standen und die zunächst mal versuchten trocken zu bleiben, statt das Team nach vorne zu peitschen. Die Beschimpfung der eigenen Leute war auch ein Grund, warum ich erst Jahre später wieder zu Babelsberg gegangen bin. Das zweite Mal war schöner. Die Sonne schien. Die Nordkurve war voll. Die Leute hatten ihren Spaß und aufm Zaun war ein netter Mensch mit Dreadlocks, der zwar auch zum Singen und klatschen animierte, aber nich so rumpöbelte.

Diese entspannte Atmosphäre, die Konzentration auf das eigene Team und die Entwicklung einer progressiven Fankultur ohne Diskriminierung jenseits des sonst üblichen Exklusionsfetischismus und des Überallregierenwollens – das hat mir gefallen. Die wirklich seltenen Pfiffe und Pöbeleien gegen andere Vereine hab ich nicht mitgemacht und bin geflissentlich drüber hinweggegangen. In letzter Zeit änderte sich aber Einiges in der Kurve. Es mehrt sich der dämliche Zusatz „Scheiß Verein“ bei der Durchsage des Spielstands. Die Pöbeleien nehmen entgegengesetzt proportional zur Unterstützung von Nulldrei massiv zu. Ich kann das sogar ein Stück weit verstehn. Was bleibt dir denn schon anderes übrig, wenn dein Team einfach nur Scheiße spielt und die anderen ein Tor nach dem anderen machen? Wie zum Beispiel beim Spiel gegen Halberstadt. Und wenn selbst die Aussprache mit den sportlich Aktiven nur Frust, Ohnmacht und Unverständnis über die aktuelle Situation zum Ergebnis hat… Tja! Ich weiss nich. Vielleicht hilft Pöbeln da…

Aber je mehr ich drüber nachdenke, muss ich doch feststellen: Nee! Pöbeln hilft nich. Weder der Kurve noch dem Team. Pöbeln und reines Dissen, egal wie kreativ, is Anti-Support. Und der sollte nie Überhand nehmen. Wir stehn nämlich inner Kurve, singen, klatschen, wedeln, weil wir unser Team spielen sehen. Wir sind nämlich immer für Nulldrei da! Und zwar jedes Spiel, is doch klar. Also: Blau und weiss! Allez!

Zuerst erschienen im Ultra Unfug #214 zum Spiel gegen Meuselwitz

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