„Heute ist Freiheitstag“

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Jeden Sonntag trifft sich das Team von Welcome United 03 im Karl-Liebknecht-Stadion zum Training. Die Aktiven sind Flüchtlinge aus Brandenburg und Berlin. Ab der nächsten Saison sollen sie als drittes Team des SV Babelsberg 03 in der Kreisliga antreten. Ich war Anfang Juni beim Training. Ich traf mich mit Abdi und unterhielt mich mit ihm im Mittelkreis des Heiligen Rasens über seine Heimat, seine Flucht nach Europa und sein Leben in Potsdam.

Ich bin Jurij von Brigata Amaranto. Bei Nulldrei-Heimspielen stehe ich gar nicht soweit weg von hier in der Nordkurve. Erzähl doch bitte etwas über dich.

Ich heiße Abdihafid Ahmed. Ich komme aus einer Kleinstadt in Somalia. Ich habe eine Frau und zwei Brüder. Seit ich gegangen bin, habe ich keinen Kontakt mehr zu meiner Familie. Ich weiß, dass sie noch in Somalia sind, aber ob sie noch leben, weiß ich nicht. Ich habe mit ihnen schon mehr als ein Jahr lang nicht mehr gesprochen. Die Telefonverbindungen sind sehr schlecht. Sie haben kein Facebook und es gibt kein Internet. Ich bin 2013 nach Deutschland gekommen und lebe seit einem Jahr und vier Monaten in Potsdam. Ich wohne im Flüchtlingsheim „Am Nuthetal“ im Schlaatz. Wir wohnen zu zweit in einem Zimmer. Seit ich im letzten Jahr nach Potsdam gekommen bin, wohne ich in dem Heim. In Somalia bin ich zur Schule gegangen. Einen Job hatte ich leider nie. Ich hatte nie die Chance zu arbeiten und wie andere normale Menschen, Geld zu verdienen.

Wie war das Leben in Somalia für dich?

Das Leben war nicht gut. Zuerst ging es. Wir hatten eine gute Regierung. Jeder konnte zur Schule gehen oder an die Universität. Du konntest ein bisschen Geld verdienen mit deiner Arbeit. Es war eigentlich ganz in Ordnung. Aber nachdem die Regierung zerbrach, ging auch im Land alles kaputt. Verschiedene militante Organisationen bildeten sich. Es wurden immer mehr und mehr, bis sie am Ende die Macht im Land übernahmen. Die Regierung war aber auch schon vorher ziemlich schwach.

Das Land war völlig von der Hilfe von Nichtregierungsorganisationen abhängig. Ich habe mit diesen NGOs manchmal zusammengearbeitet. Zum Beispiel haben die Vereinten Nationen Essen für obdachlose Menschen verteilt. Weil ich Englisch gesprochen habe, konnte ich ihnen helfen, und hab ein bisschen übersetzt und Geld dafür bekommen. Es war aber keine reguläre Arbeit. Du hast ihnen geholfen und sie haben dir ein bisschen Geld gegeben. Dort, wo ich herkomme, war ich der einzige, der Englisch sprechen konnte. Die anderen sprachen Arabisch und Somali. Wir standen morgens in einer Reihe und warteten. Dann kam ein Mensch aus Amerika und fragte: Spricht irgendwer Englisch. Wir brauchen Hilfe und bezahlen dafür ein paar Dollars. Keiner reagierte, dann trat ich vor. So war das.

Vor dem Zusammenbruch habe ich studiert und für die somalische Nationalmannschaft Fußball gespielt. In der Zeit, in der ich Fußball gespielt habe, war alles gut. Ich bin mit dem Team in andere Teile von Afrika gereist. Das Leben war echt in Ordnung. Aber dann hat sich alles verändert.

Wann war das, als sich die Situation geändert hat?

Der Krieg in Somalia hat eigentlich 1990 / 1991 begonnen. Es wurde allmählich immer schlimmer. Die Regierung zerbrach. Die Polizei löste sich auf. Es gab und gibt bis heute keine Ordnung, keine Gesetze. Jeder macht, was er will. Wenn du nicht zum herrschenden Stamm gehörst, wirst du angegriffen und getötet. Das heißt, du bist auf dich allein gestellt und musst ganz allein, um dein Überleben und das deiner Familie kämpfen. Es ist wirklich hart, so zu leben. Du bist nie in Sicherheit. Du musst die Städte verlassen und gehst in die Dörfer. Weil du nirgendwo wirklich sicher bist, denkst du darüber nach, zu fliehen und irgendwo ein neues Leben zu beginnen.

Warst du als Fußballspieler bekannt, sodass die Gefahr für dich größer war als für die anderen und du weg musstest?

Ich war nicht wirklich bekannt. Vor dem Zusammenbruch hatte ich kaum Zeit Fußball zu spielen. Ich war in der Schule, habe studiert. Das letzte Mal, dass ich für die U23-Nationalmannschaft gespielt habe, war 2009 im Afrika Cup in Südafrika. Außerdem waren wir in Djibouti und haben dort gespielt. Und wir waren auch in Kamerun. Aber das war alles 2009. Danach habe ich nicht mehr gespielt. Die Unterstützung der Sponsoren ging verloren. Das bisschen Frieden, was wir hatten, verschwand. Ich habe eigentlich nie daran gedacht Somalia zu verlassen. Ich wollte nur in andere afrikanische Länder gehen, um ein besseres Leben zu finden. Afrika ganz zu verlassen, kam mir erst in den Sinn, als ich in Äthiopien war. Ich blieb dort so ungefähr eine Woche, merkte dann aber, dass ich nicht sicher war. Die Milizen suchten nicht nur in Somalia, sondern auch dort nach jungen Leuten. Sie wollten, dass du für sie kämpfst. Du sollst dich mit explosiven Material behängen und andere Leute töten. Du bist nicht frei. Und du kannst nicht Nein sagen. Und wenn du Nein sagst, töten sie dich. Du hast einfach keine Wahl. Deshalb musste ich weg.

Wie bist du nach Europa gekommen?

In Äthiopien habe ich ein paar andere Somalis getroffen. Eigentlich wusste ich nicht, wohin ich sollte. Ich wollte einfach nur in Sicherheit sein. Sie wollten nach Europa, Amerika oder auch nach Australien. Ich fragte, ob ich mit ihnen gehen kann. Ich hatte ja nichts, wo ich hin konnte. Dann haben wir uns getroffen. Ich hatte ein bisschen Geld. Nicht viel. In Äthiopien sind wir dann ungefähr eine Woche geblieben. Dann sind wir nach Sudan. Da waren wir nur ein paar Stunden. Wir kauften Tickets nach Libyen und sind mit einem kleinen Auto dorthin gefahren. Und dort sind richtig viele Menschen. Aus Kamerun, aus Eritrea, aus Nigeria. Jeder ist dort. Du mietest dann ein Boot. Jeder muss dem Typen was bezahlen, dem das Boot gehört. Wenn du kein Geld hast, bleibst du da. Du brauchst Geld, um über das Meer zu kommen. Also bezahlst du. Und so bin ich nach Italien gekommen. In Italien bin ich auch nicht lange geblieben. Ich nahm einen Zug nach Deutschland.

Du wolltest also einfach nur in ein sicheres Land, egal in welches?

Ich habe mir nie gewünscht, nach Deutschland zu kommen. Ich war einfach auf der Suche nach einem Ort, wo ich sicher leben könnte. Als ich nach Italien kam, war ich krank. Ich war sehr dehydriert von der Fahrt über das Mittelmeer. Sie brachten uns ins Krankenhaus und ich war dort so circa eine halbe Stunde. Normalerweise versuchen sie, an deine Fingerabdrücke zu kommen. Ich hatte Angst, das sie irgendwas anderes wollten. Als sie meine Fingerabdrücke nehmen wollten, bin ich abgehauen. Ich bin raus aus dem Krankenhaus, habe ein Taxi gesehen und bin hin. Ich hab den Fahrer gefragt, ob er Englisch spricht und mich irgendwo hinbringen kann, wo Somalis leben. Er brachte mich zu einem kleinen Restaurant. Dort bekam ich etwas zu essen und ein paar Klamotten. Ich war echt glücklich. Ich hatte ja nur meine Shorts.

Die Leute, die mir geholfen haben, waren schon vor längerer Zeit aus Somalia gekommen. Weil ich bei Ihnen nicht bleiben konnte, wollte ich weiter nach Schweden. Ich habe nie geplant, nach Deutschland zu fahren. Für mich war einfach nur wichtig, Somalis zu finden, also einen Platz wo so viele Somalis wie möglich lebten. Sie haben mir gesagt, es ist am besten, du fährst zuerst nach Deutschland und nimmst von dort den Bus nach Schweden. Dann kam ich in Frankfurt am Main mit dem ICE an. Als ich am Bahnhof nach dem Bus nach Schweden gesucht habe, hat mich die Polizei erwischt. Sie fragten, woher ich komme und was passiert ist. Ich habe ihnen alles erzählt. Sie haben mich dann zu einem Flüchtlingslager gebracht. Dort blieb ich eine Woche. Dann haben sie mir irgendwelche Papiere gegeben und gesagt, dass ich das Lager verlassen muss. Sie haben mir ein Ticket gekauft, gesagt mit welchem Bus ich wann zu fahren habe und mich nach Hamburg geschickt. Ich sagte ihnen, dass ich mich in Hamburg überhaupt nicht auskenne. Sie meinten, dass das mein Problem wäre. Sie gaben mir das Ticket, meine Papiere und die Adresse, bei der ich mich melden sollte. Ich machte, was sie von mir verlangten. Ich bin nach Hamburg und blieb dort zwei Monate in einem anderen Flüchtlingslager. Dort gaben sie mir dann ein Ticket nach Eisenhüttenstadt. Dort bin ich sechs Monate geblieben. Dann hab ich wieder ein Ticket bekommen. Diesmal nach Frankfurt Oder. Dort blieb ich eineinhalb Monate. Dann bekam ich das Ticket nach Potsdam. Und seitdem bin ich in Potsdam. Ich hoffe, dass ich jetzt nicht wieder irgendwo hingeschickt werde.

Wie hast du dich gefühlt, als du hier angekommen bist?

Zuerst dachte ich, dass ich endlich habe, was ich wollte. Ich bin sicher. Ich habe keinen Ärger mehr, weil keiner mich verfolgt und sucht. Ich kann gut schlafen. Ich lerne. Es ist wie ein ganz normales Leben. Ich dachte, für mich hat ein neues Leben begonnen. Wenn ich aber jetzt mein Leben in Potsdam mit dem in Somalia vergleiche, reicht es nicht. Ich bin in meinem Zimmer eingeschlossen und kann nix machen. Ich kann nicht nach Arbeit suchen. Ich warte die ganze Zeit. Ich sitze einfach nur zu Hause, gehe zur Schule. Jetzt nicht, weil sie für zwei Monate geschlossen ist. Ich kriege nur wenig Geld, das nie reicht. Das ist auch Stress. Dann gibt es noch Probleme, wenn ich verreisen möchte. Du kannst nicht einfach irgendwo hinfahren. Du kannst dich zwar in Deutschland bewegen, aber du möchtest vielleicht auch andere Regionen auf der Welt sehen. Einfach nur ein bisschen reisen. Deshalb fühle ich mich gefangen, wie in einem Käfig. Es fehlt irgendwas in deinem Leben.

Ist es anders als in Somalia oder als du unterwegs warst?

In Somalia war ich frei. Ich war zwar nicht in Sicherheit, aber frei. Ich konnte hin, wo ich wollte. Keiner hat deinen Tagesablauf festgelegt. In Deutschland sind wir eingeschlossen. Nicht nur ich habe diese Probleme, auch andere sind unter Druck. Du kannst einfach nix machen. Du bist nur im Zimmer, wartest auf das Geld. Das ist kein Leben. Ich lebe so schon ein Jahr und vier Monate. Für andere hat sich seit acht oder auch zehn Jahren nix an ihrer Situation geändert. Das ist erschreckend. Ich frage mich selbst, was aus mir wird. Bleibt es so oder ändert sich was. Das weißt du einfach nicht.

Hattest du Probleme mit Rassismus unterwegs und hier in Deutschland?

Ich begegne Rassismus jeden Tag. Ich hab mich schon dran gewöhnt. Jeden Tag gibt es irgendeinen rassistischen Vorfall. Du läufst einfach die Straße lang und irgendwer will dich verprügeln. Vor zwei Wochen hatte ich eine Auseinandersetzung mit Leuten von einer Autowerkstatt. In einem kleinen Supermarkt in der Nähe des Heims wurde ich auch angegriffen. Ein alter Mann hat mich richtig heftig von hinten mit seinem Einkaufswagen angefahren. Aber ich kann nichts machen. Die Rassisten schlagen uns und die Polizei kann nix machen. Es ist besser, wenn du zu Hause bleibst, damit du keine Probleme kriegst. Wenn du rausgehst und von Leuten angegriffen wirst, kann es passieren, dass du irgendwas blödes machst, gegen diese Leute. Du könntest wütender werden und anfangen dich zu wehren. Aber du bist ja nur ein Flüchtling. Es ist nicht dein Land. Du würdest alles verlieren. Draußen bist du nicht sicher. Und deshalb bleibst du den ganzen Tag zu Hause.

Was bedeutet dir Welcome United 03?

In Somalia gab es eine Zeit, da liebten die Menschen Fußball, und wir haben gegen anderen Länder gespielt. Als ich in Somalia angefangen habe zu spielen, war das einfach, um ein bisschen Spaß zu haben. Dann als ich nach Potsdam kam, habe ich vom Flüchtlingsteam Welcome United gehört. Ich dachte, seit ich aus Somalia weg bin, dass ich nie wieder Fußball spielen würde. Und nun spiele ich doch wieder Fußball. Wir haben hier einen Platz, wo wir jeden Sonntag trainieren können. Das gibt mir Hoffnung. Und du fühlst dich frei, wenn du Fußball spielst, zu den Kabinen gehst, die deutschen Leute siehst, die dich anfeuern. Dann fühlst du dich glücklich. Du spürst, dass da Menschen sind, die dich akzeptieren. Deswegen will ich kein einziges Training verpassen. Von Montag bis Freitag sitze ich im Heim. Und wenn Samstag der Sonntag näherkommt, freue ich mich schon und bin glücklich. Du denkst: Morgen ist Babelsberg-Tag. Du gehst zum Training. Du weißt, heute ist Freiheitstag. Wenn ich zum Training komme, merke ich, dass es in Deutschland doch Menschen gibt, die uns mögen, die uns sehen und helfen wollen. Ich liebe jede Minute, die ich in Babelsberg bin. Hier in Babelsberg ist alles, was ich brauche. Ich spiele Fußball und treffe meine Freunde. Für mich ganz persönlich hat das alles verändert.

Denkst du, du wirst sichtbarer, wenn du hier spielst? Vielleicht nicht nur für dich. Einfach um zu zeigen, dass du nicht warten willst, dass du was machen willst?

Wenn du nach Deutschland kommst, fragen sie dich aus. In Eisenhüttenstadt zum Beispiel. Im Gegensatz zu mir, haben einige andere keinen gesicherten Aufenthaltsstatus. Sie haben Probleme mit der Polizei. Sie werden gesucht, weil sie aus verschiedenen Gründen Deutschland verlassen sollen. Mein Status ist gesichert. Aber ich darf nicht arbeiten. In dieser Hinsicht bin ich nicht frei. Also, wenn ein paar Leute was für uns machen würden, wenigstens für die Flüchtlinge mit gesicherten Status, wäre das super für uns. Manchmal wollen andere dir helfen. Nicht mit Geld. Hilfe nur mit Geld, ist nicht gut. Besser wäre es, beim Behördenkram zu helfen. Zum Beispiel gegenüber dem Ausländeramt. Denn manchmal ist alles gut und dann drehen sie deine Geschichte um. Sie zwingen dich, dann irgendwas zu unterschreiben. Und du weißt gar nicht, was da steht. Es könnte das Ticket sein, das dich zurück nach Somalia schicken soll. Aber du weißt es gar nicht, weil alles auf deutsch geschrieben ist. Und wenn du jemanden dabei hast, dann können sie die Papiere lesen und dir erzählen, was drin steht. Ich bin sicher. Ich kann ein bisschen Deutsch. Ich weiß, was da steht. Aber andere wissen das nicht. Und sie haben ganz schöne Probleme.

Wenn du einen Job hättest, wäre das sehr viel besser für dich? Du könntest aus dem Heim raus und eine Wohnung mieten.

Ich habe nach einer Wohnung gefragt. Ich wäre wirklich froh, wenn ich eine bekommen könnte. Normalerweise schreibst du einen Brief, um zu zeigen, dass du zur Schule gehst und immer anwesend bist, du also den Unterricht nicht verpasst. Dann sehen sie, dass ich zur Schule gehe und sie hören, dass ich deutsch kann. Wenn auch nicht besonders gut, aber sie können verstehen, was ich sage. Sie haben mir jetzt die Unterlagen für die Beantragung der Wohnung gegeben. Und in einem Monat, denke ich, kann ich aus dem Heim raus. Aber ich brauche auch Arbeit. Ein paar andere arbeiten schon und verdienen gutes Geld. Einer arbeitet in der Post. Einer arbeitet im Krankenhaus. Einer im Restaurant. Und wenn du das hörst, wirst du neidisch.

Du willst einfach nur ein normales Leben…

Ja. Ich will aufstehen, zur Arbeit gehen, Freunde treffen. Ich möchte neue Leute kennenlernen, die nett zu dir sind. Am Wochenende kannst du sie treffen. Sie können dich zu sich nach Hause einladen. Ich möchte mit ihnen etwas trinken gehen, zusammen sitzen, mich beim Kaffee unterhalten. Also, ein ganz normales Leben haben. Aber ich habe es nicht. Ich bin immer nur alleine. Die Wochen und Monate vergehen… Das nervt. Dann fängst du an, darüber nachzudenken, was falsch läuft.

Meinst du, dass es den Leuten, die nach Potsdam kommen, besser geht, wenn sie wissen, dass es einen Ort gibt, wo es keine Probleme gibt, einen Platz, wo sie sich frei fühlen können?

Ja. Ich denke schon, dass es Leuten, die nach Potsdam kommen, so geht. Aber es ist nicht so einfach nach Potsdam zu kommen. Denn normalerweise kannst du dir nicht aussuchen, wohin du geschickt wirst. Sie können aussuchen, wohin du kommst. Sie können dir erlauben nach Berlin zu gehen. Oder sie schicken dich nach Fürstenwalde. Ich habe Glück gehabt. Am ersten Tag, als ich in Potsdam ankam, dachte ich mir, die Stadt ist nett. Die Orte, in die die anderen geschickt wurden, sind Dörfer. In Potsdam aber gibt es einen großen Bahnhof. Hier gibt es auch eine Schule. Nach ein paar Wochen hier habe ich vom Flüchtlingsteam gehört, dass Flüchtlinge Fußball spielen können. Ich bin dahin, habe mit Manja gesprochen und die anderen kennengelernt. Ich mag das sehr.

Und was denkst du über Babelsberg und Nulldrei?

Babelsberg ist der einzige Ort, wo ich mich sicher fühle. So viele Leute in Babelsberg akzeptieren andere Menschen. Sie blockieren dich nicht oder stoßen dich weg. Sie akzeptieren dich. Wenn Fußball gespielt wird, dann bin ich dabei. Auch wenn das Flüchtlingsteam nicht spielt, komme ich. Ich sage Bescheid und bekomme ein Ticket. Einmal hab ich Manja gefragt, wann Babelsberg spielt, damit ich mit auswärts fahren kann. Ich will zusammen mit den Fans auch mal auswärts Spaß haben. Einmal, an einem Montag, hat Babelsberg in Berlin gespielt. In der 66. Minute war der Treffer gegen Babelsberg, aber nur ein paar Minuten später kam der Ausgleich [Gemeint ist das Spiel am 6.4. gegen Hertha II, das 1:1 endete]. Ich hab vier Leute in der Tram getroffen. Ich bin zu ihnen hin und hab erzählt, dass ich auch Babelsberg-Fan bin. Sie meinten: Ohh, komm doch einfach mit uns mit. Sie haben für mich das Ticket bezahlt und wir sind nach Berlin gefahren. Wir sind dann alle zusammen mit den anderen Fans zurückgefahren. Sie haben Lärm gemacht. Das hat mir echt Spaß gemacht.

Ja! Wir sind echt laut…

Ich mag die Fans wirklich sehr gern. Du vergisst dann manchmal den Rassismus, wenn du mit ihnen zusammen bist. Sie kommen auch, wenn wir spielen und unterstützen uns. Aber im Schlaatz sind zu viele rassistische Menschen. Deshalb will ich auch aus dem Heim raus. Ich wäre wirklich glücklich, wenn ich in Babelsberg wohnen könnte.

Was wünschst du dir zurzeit eigentlich am meisten?

Ich will für Babelsberg Fußball spielen. Um den Fans zu zeigen, dass ich auch Fußball spielen kann und nicht nur ein Flüchtling bin. Ich möchte irgendwann, selbst wenn es gar nicht möglich sein sollte, für die erste Mannschaft und vor vollen Rängen für Babelsberg spielen. Das ist der einzige Traum, den ich habe. Ich hoffe, dass der irgendwann für mich in Erfüllung geht.

Das wünsche ich dir auch. Und jetzt weiß ich nicht mehr, was ich fragen soll. Ach, zum Festival wollte ich dich einladen. Also: Wenn du willst, komm doch zum Ultrash.

Nach fast einer Stunde Gespräch verabschiedete sich Abdi. Er wollte noch trainieren und ich habe ein bisschen zugeschaut. Und ich muss sagen: Das, was ich gesehen habe, sah schon ganz gut aus. Vor allem der Torwart hat sich ordentlich ins Zeug gelegt, bei seinem Einzeltraining… Aber ich möchte noch auf etwas ganz anderes kommen. Es reicht nicht, nur über Welcome United 03 und die geflüchteten Menschen zu schreiben, Artikel und Fernseh- oder Radiobeiträge zu sehen beziehungsweise zu hören. Fahrt zu ihren Spielen. Unterhaltet euch mit den Leuten. Wer etwas Zeit hat und ihnen helfen möchte, geht am besten mit ihnen zu den Ämtern. Damit ihr sie im Kontakt mit den kalten Staatsangestellten unterstützen könnt. Ladet sie mal ein. Holt sie raus aus dem Heim. Und vor allem schaut nicht weg, wenn Flüchtlinge angepöbelt, beleidigt oder angegriffen werdet. Greift ein!

Zuerst veröffentlicht im Ultrash Unfug No. 9, der Sonderausgabe des Ultra Unfug zum Ultrash Festival.

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