Wat’n Theater XXVI – Sommer, Sonnen, Fanzines

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Mindestens dreißig Grad. Sand und Strand. Wunderbarer Sonnenschein. Ein geregeltes Frühstück und Abendessen ohne, dass ich auch nur einen Finger rühren muss. Selbstverständlich jede Menge Bier und ein paar Fanzines in’er Tasche. Das nenn ich mal eine erfolgreiche Woche. Denn es wurde ausschließlich ausgiebig geschlafn, getrunken, gegessen, am Strand rumgelungert und die verschriftlichten Erzeugnisse aus dem Ultra- und Fanuniversium genossen. Mit am Starten waren selbstverständlich der ULTRA UNFUG, die Postille der Nordkurve Babelsberg, verschiedene Nummern der Sankt Pauli Hefte BASCH und KIEZKIEKER und die aktuelle 45° Ausgabe. Den GROBEN SCHNITZER hatte ich leider vergessen. Echt ärgerlich. Aber ich war mit den anderen Heften schon gut beschäftigt.

Den ULTRA UNFUG kenn ich ja sehr gut. Schließlich gibt’s längere Rückfahrten aus Babelsberg, die auch mal alleine überstanden werden wollen. Und da hilft das Nordkurven-Heftchen ganz gut, um auch mal andere Perspektiven auf die Spiele und das drumherum zu bekommen. Die BASCH und den KIEZKIEKER hatte ich schon länger nich gelesen. Obwohl unsere Zine-Dealer*in uns immer fein mit den letzten Ausgaben versorgt hat, blieb leider wenig Zeit zum Lesen zwischen dem nervigen Malochen und dem nie-enden-wollenden Studium. Deshalb freute ich mich umso mehr, endlich mal wieder das Herz von Sankt Pauli pochen und Ben beim Leiden zu hören zu dürfen.

Letzteres ist tatsächlich immer wieder neu amüsant. Denn Ben schafft es immer wieder, Abseitiges und Abstruses, wie zum Beispiel komische Meldungen als Zeitungsschnipsel mit Spielberichten zu verknüpfen. Im burlesken Theaterzikus wurde sich sowas Freak- oder Sideshow nennen. Da treten die bärtigen Frauen*, die Ganzkörperbehaarten, die Gliedmaßen-Amputierten und andere Sonderlinge auf. In Bens Zine-Universum sind Fundstücke, wie die zum Oi! ausm Spiegel, dem wohl schlechtesten Regisseur der Welt Uwe Boll, soziologische Abhandlungen über Klamotten und irgendwelche Perry Boys (alles Ausgabe 71) sowie witzige Zeitungsschnipsel dominiert die Ausgabe 72) wie zum Beispiel zu einer eskalierten Heilpraktiker*innen-Tagung, bei der sich die Anwesenden wohl halluzinogene Substanzen eingepfiffn haben, die Freaks der Woche. Die BASCH is da deutlich seriöser und zielorientierter. Im Heft von Ultra‘ Sankt Pauli steht in jedem Fall der Spieltag, ddie Pflege der Freundschaften und die Aktivitäten der einzelnen Sektionen im Vordergrund der Berichterstattung. Wobei auch Ben, wie mit dem Interview mit zwei Vorsängern* in der Ausgabe 71, ernsthaftes Interesse an der Entwicklung der Kurve offenbart.

Neben den Spieltagen und dem Abseitigen ist Hopping beziehungsweise die wundersame Welt des Stadiensammelns das große Feld von Fanzines. Die 45° ist hierbei eines der besseren vereinsübergreifenden Hefte, denn es ist so hübsch bunt und hat schicke Bilder zu bieten. Aber eigentlich bietet jede Szene ein Heft, dass sich beinah ausschließlich Hopping-Berichten voll is. In Babelsberg ist hierzu das SIDE BY SIDE zu nennen. Fragt einfach mal am Stand, vielleicht gibt’s noch ein Heft. Bei Sankt Pauli empfehle ich diesbezüglich das ZWISCHEN DEN ZEILEN. Beide Hefte sind übrigens richtig fett und geben die Möglichkeit in die Fankulturen der verschiedenen Länder einzutauchen.

Übrigens finde ich die Inszenierung von Fanzines ziemlich interessant. Während die Gruppenhefte beziehungsweise Zettel eher den Spieltag des eigenen Teams sowie über Ultra‘ und Mentalita‘ reflektieren, kultivieren die Hopping-Zines einen ganz anderen Lebensstil. Nämlich jenen, der die Überraschung und das Unbekannte ins Zentrum setzt. Suchen und Finden, Reisen und Ankommen, Endecken und Kennenlernen sowie das Entspannen ohne Aufgaben in der Kurve scheinen hierbei die völlig unprätentiösen Triebfedern zu sein. Statt Mentalita‘ geht es beim Hoppen um die Überraschung beim Fußball, und nicht um die performative Aufführung zur Unterstützung des Teams. Dazu paßt übrigens auch der KIEZKIEKER, wobei die Hopping-Sammelleidenschaft durch das Freakige ersetzt wird.

Und was sagt uns das Alles? Fahrt öfter in Urlaub. Lest Fanzines. Trinkt mehr Bier – egal ob mit oder ohne Alkohol. Taucht ein, in die unendlichen Weiten des Fußballs. Entdeckt fremde Welten, unbekannte Stadien und neue Szenen. Dringt vor in unbekannte Galaxien, die noch nie ein Ultra‘ gesehn hat. Gebt euch die fankulturelle Immersion! Allez!

Zuerst veröffentlicht im Ultra Unfug #220 zum Spiel gegen Auerbach.

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