Wat’n Theater XVIII – Empört euch!

Es gibt so einen Reflex, den ich in den letzten Tagen und Wochen mehrfach verspürt und nachgegeben habe. Er nennt sich Empörung. Ich bin wirklich nicht stolz auf dieses Empörtseins. Denn es führt meistens zum wilden und rumpelstilzchenhaften Rumpöbeln. Vielleicht hat mich der* oder die* andere schonmal so erlebt. Nich schön, wirklich.. Und im Nachhinein ärgere ich mich nicht selten. Aber ich kann es einfach nicht ertragen, wenn irgendwelche Bekloppten aus ihrem Paralleluniversum Müll von sich geben sowie noch größere Hohlbirnen durch Applaus und Zuspruch sie zu noch mehr geistigen Dünnschiss animieren.

In den letzten Wochen waren es vor allem zwei Sachen, die mich aufgeregt haben. Einmal die blödsinnigen Sachs*innen aus Zwickau, die sich permanent von allen und allem provoziert fühlen sowie Rassismus nicht mal erkennen, wenn er ihnen ins Kartoffelgesicht spuckt. Und dann die bekloppten Verschwörungstheorien nach dem verhinderten Massaker im Stade de France, zum Blutbad im Bataclan während des Konzerts der Eagles of Death Metal und zu den anderen tödlichen Anschläge im Paris am vergangenen Freitag, die jetzt wieder aus dem Boden sprießen. Die „Cui bono“ Deppen kennen wir schon alle zur Genüge. Aber das jetzt auch noch andere Polit-Sekten in der Truther*innen-Szene mitmischen wollen, ist dann doch ziemlich erschreckend.

Zum Thema Zwickau und bekloppte Sachs*innen muss ich nich mehr viel schreiben. Die haben sich spätestens mit ihrer Pressekonferenz zur Stellungnahme an den Nord-Ostdeutschen Fußballverband (NOFV) völlig lächerlich gemacht. Als ob die Pressemitteilung über vermeintliche Provokationen nicht reichen, die als Auslöser der rassistischen Beleidigung des Spielers Marc-Philipp Zimmermann präsentiert wurden, die aber eigentlich gar nicht rassistisch gewesen sein sollen, ging der FSV in eine performative Offensive. Sie beinhaltete die Behauptung, nix, aber auch gar nix mit Diskriminierungen zu tun zu haben. Das die Geschichte des FSV Kaders da etwas anderes erzählt, wird einfach übergangen. Aber in Sachsen ticken die Uhren eben anders. Xenophobie, Angst vor einer vermeintlichen Überfremdung sowie einer phantasierten Islamisierung Sachsens (und der Welt wahrscheinlich) sind ganz normal. Da wird aus „Nur Ausländer hier“ oder „Scheiß Türke“ eine übliche und erlaubte Beleidigung. Was dagegen gar nicht geht, ist Deutsch- ähhh Sachsenhass, wie er zum Beispiel in der Babelsberg Hymne Vierzehnvierachtzwo zu finden sein soll. Denn nich in Sachsen leben zu wollen, muss Ausdruck von antisächsischen Rassismus sein. Und Chöre wie „Sachsen raus! Aus der DDR“ sind dann was? Hmmm…

So richtig wütend macht mich aber die Instrumentalisierung des abscheulichen Massakers und der Morde für politische Zwecke. Die bürgerlichen Deppen wollen die Grenze schließen, um den Terror auszusperren. Sie meinen damit die Flüchtlinge, die nicht mehr kommen sollen. Denn CSU und Co sind sich nicht zu schade, selbst Terror-Anschläge in ihrer xenophoben Propaganda fruchtbar zu machen. Die Nazis sind weniger durch die Blume und phantasieren ganz offen, dass geflüchtete Menschen alle Terrorist*innen sind und draußen bleiben müssen. Die anti-israelischen und anti-amerikanischen Verschwörungstheoretiker*innen vermuten, wie immer, den Mossad und den CIA hinter den Anschlägen. Aber auch israelsolidarische Bekloppte mischen mit. Neuerdings gibt es nämlich offenbar auch anti-antizionistische Truther*innen, die hinter islamistischem Terror immer und überall einen antisemitischen Hintergrund vermuten.

Über einen vermeintlich antisemitischen Hintergrund beim Angriff auf das Betaclan während des Konzerts der Band Eagles of Death Metal schrieb bereits wenige Minuten nach der Erstürmung des Theaters das konservative Magazin Le Point. Auch die Anti-Defamation League (ADL), die zum pro-israelischen Netzwerk American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) gehört, verwies bereits wenige Stunden nach dem Massaker auf ein mögliches antisemitisches Motiv. Und Jonathan A. Greenblatt, der Sprecher der ADL, bat sehr vorsichtig die Sicherheitsbehörden, diese ebenfalls in Betracht zu ziehen. Die Ligue Defense Juive, dem französischen Ableger der rassistischen und militant zionistischen Jewish Defense League (JDL), dagegen machte aus der nachvollziehbaren Möglichkeit eines antisemischen Motivs das Ergebnis der Stigmatisierung des Theaters als zionistischer Veranstaltungsort sowie anti-israelischer Proteste gegen das Theater. In einem Blogbetrag der Jungle World und in der taz wurden diese zum Faktum geronnenen Vermutungen unhinterfragt und ungeprüft übernommen.

Übrigens soll das Theater bewusst nicht nur als vermeintlich jüdisch-zionistischer Veranstaltungsort, sondern wegen der Musiker*innen von Eagles of Death Metal aufgrund ihrer vermeintlich politisch pro-israelischen Haltung angegriffen worden sein. Begründung hierfür ist, weil die Band schon des Öfteren in Israel gespielt hat, sich dort wohlfühlt und deshalb jeder Boykottaufforderung eine Absage erteilt hat. Nicht erwähnt wird, dass Jesse Hughes, Sänger und Gitarrist der Band, ein anti-kommunistisches, homophobes Arschloch ist und sich dementsprechend selbst, wie im Interview mit motor.fm, als „right wing extremist“ bezeichnet.

In den sozialen Netzwerken werden die Vermutungen über den antisemitischen Hintergrund ebenfalls von besonders hartnäckigen pro-israelischen Truther*innen übernommen. Die Instrumentalisierung des Massakers im Bataclan treibt dort besonders absurde Blüten. So verknüpft die Seite love techno – hate germany die zum offensichtlich antisemitischen Motiv verklärte Möglichkeit mit einer pro-kurdischen und pro-palästinensischen Demonstration. Denn die notorisch antizionistischen, bösen pro-kurdischen und pro-palästinensischen Demonstrant*innen wollen einfach „keinen Zusammenhang zwischen den Anschlägen in Suruc, Jerusalem, Ankara, Beirut und Paris“ erkennen. Und das geht aber nun wirklich nich. Und was erlauben sich diese Leute eigentlich, dass sie sich weigern die Wahrheiten der größten Kartoffeln zu fressen. Schlimm aber auch…

Aber ich schweife ab. Und ich will mal nicht zu unfair sein. Und überhaupt, dass alles hat ja gar nix mit Fußball zu tun. Zumindest nicht offensichtlich vielleicht. Wobei in Sachen Zwickau ist der Zusammenhang nicht zu übersehen. Selbst der Bezug zum Performativen ist vorhanden. Denn die Leistung der Aktiven aus Zwickau hatte eher was Improvisationstheater zu tun, als mit dem kunstvollen Kicken des Balls. Selbst Cems Ausraster, der aufgrund seiner eruptiven und unmissverständlichen Art so vielen aus der Seele gesprochen haben dürfte, hatte mehr mit Fußball zu tun, als das Verhalten des FSV Zwickau. Aber was erwarte ich von Rassist*innen und Homophobiker*innen, die manchmal ganz heimlich und in der Still ab und zu mit dem rechten Arm zucken. Und diese anti-emphatischen Phantasien der Pro- und Anti-Polit-Sekten regen mich so richtig auf. Und als ob die Chemtrail- oder Aluhut-Spinner*innen nicht reichen, gibt es nun auch noch diese anderen Bekloppten. Also: Empört euch! Gegen Dummheit und Verschwörungstheorien! Gegen Rassismus und Homophobie! Und seid solidarisch – ohne nationale Symbole und irgendwelche Gebete.

Zuerst erschienen im Ultra Unfug #222 zum Spiel gegen Jena.

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