„L‘amaranto è la nostra bandiera“

Jetzt ist schon über eine Woche nach unser Rückkehr aus Livorno vergangen und wir sind immer noch unsere Eindrücke schuldig geblieben. Das liegt auch daran, daß hier in Berlin eben doch nicht alles so schön kreativ und entspannt ist. Schließlich geht es darum die Existenz zu verdienen und eigene soziale Leben nicht zu vernachlässigen. Ein paar Tage Abstinenz – kapitalistisch auch Urlaub genannt – fordern ihren Tribut, sowohl schnöde ökonomisch als auch körperlich. Naja, aber jetzt hab ich ein wenig Zeit und werde mal vom zweiten Tag in der schönsten Stadt Italiens schreiben.

Nachdem wir am Samstag abend so nett im C.P. ’21 begrüßt wurden, ging’s für uns am nächsten Morgen wieder früh raus. Wir waren am Sonntag um halb Elf mit Massimo dem des vor Jahren verunglückten Luca Rondina und Mitbegründer des gleichnamigen offiziellen Fanclubs zu Kartenübergabe am Stadion verabredet und so machten wir uns halb Zehn zu Fuß auf den Weg.

Wir mußten allerdings noch irgendwo eine Bar für ein Frühstück finden. Was wir nicht bedacht hatten, oder besser uns nicht vorstellen konnten, daß Sonntags die Bars zu sind. In der Woche ist es absolut kein Problem günstig in irgend einer Bar an ein Frühstück zu kommen. In den letzten Jahren waren wir mit diesem Problem nie konfrontiert. Am Sonntag sah das aber schon ganz anders aus.

Am Piazza Cavour war nix offen. In der Fußgängerzone Via Ricosali war weit und breit keine Bar zu sehen. Die Via Roma ist eher ein Straße mit Wohnungen deshalb war auch da keine Bar zu finden. Langsam dachten wir schon, wir würden gar nix mehr finden, aber wie es nu‘ mal so oft is‘, wenn mensch die Hoffnung verliert, wir stießen auf einen kleinen Supermarkt. Der Kassierer hat vor sich hergebrabbelt, Kinder spielten einkaufen, der verzweifelte Vater entschuldigte sich ständig, der Opa hinter uns meckerte… Der Hammer war aber, daß der Kassierer, al er endlich mal deutlich sprach, die ersten Zeilen der Vereinshymne des AS Livorno Baldi e Fieri anstimmte. Er hatte nämlich unsere Shirts bemerkt. Dieser spontane Gesang von Livornes* sollte uns an diesem Tag übrigens noch öfter begegnen, vor allem von älteren Menschen.

Wir hatten also schonmal Wasser – aber immer noch kein Frühstück. Dafür gab’s eine kleine Gesangseinlage und Live-Performances der Livornes* im Supermarkt. Frühstück gab’s dann kurz danach – nämlich im B52. Diese Bar am Piazza Matteotti (der Platz ist benannt nach dem Sozialisten Giacomo Matteotti, der bei der Machtergreifung von Mussolinis Faschist*innen im Jahr 1924 ermordet wurde) ist oder war der Treffpunkt des einzigen ausschließlich weiblichen Fanclubs des AS Livorno B52. Ob’s den noch gibt, konnten wir leider nicht in Erfahrug bringen. Das reichen wir aber nach… Also, dort gab es endlich was Süßes und ein belegtes Brötchen sowie Caffe zum Frühstück.

Frisch gestärkt und endlich wach ging’s nun weiter zum Stadion. Gerade als wir ankamen, fuhr schon Massimo auf seinem Roller vor. Nach der herzlichen Begrüßung und der Übergabe der Tickets machten wir unsere beinah schon obligatorische Runde ins Stadion. Erstmal wurden die Leute am Ticketschalter begrüßt – einer muß mal in Deutschland gewesen sein. Danach ging’s auf den heiligen Rasen. Der sah zumindest im Torraum mächtig ramponiert aus. Aber ansonsten, fand ich, war er gut in Schuß.

Danach ging’s in die Stadioneigene Bar, die sich direkt unter Spinellis Präsidententribüne befindet. Der Bar-Keeper hatte auch so seine Erfahrungen in Deutschland gemacht. Er hat in Wolfsburg bei VW gearbeitet. Im Alter scheint er aber wieder zurück gekehrt zu sein. Die Bar selbst ist nicht besonders aufregend. Nur die Bilder sind interessant. Eines zeigt die ersten Bauphase des Stadions, wo zu erkennen ist, daß es absolut nix um das Stadion gab – da war einfach nur Feld. Heute ist das anders. An der Nordseite – also am Eingang der Curva Nord – gibt es Mehrgeschosser für relativ wenig Miete. Der Rest der Umgebung ist aber von Villen gekennzeichnet. Insbesondere die Strandstraße Viale Italia wird von Nobelhäusern und der Accademia Navale dominiert.

Diesmal sind wir übrigens nicht in die Spielerkabinen gegangen, sondern Massimo hat uns einiges über den Spielergang erzählt. Der sieht echt krass aus. Die Wände sind kahl. Der Gang ist ziemlich eng. Die Zugänge sind durch schwere Eisentüren gesichert. Es verwundert wenig, dass es hier, wie Massimo erzählte, auch schon zu Auseinandersetzungen zwischen den Mann*schaften gekommen sein soll. Weniger vor, aber wohl öfter nach den Spielen…

Nachdem wir uns von Massimo am Stadion nach ein paar interessanten Hinweisen zur abgelaufenen Saison, der Stimmung im Verein und in der Fanszene (die wir in einem gesonderten Beitrag genauer erläutern werden) verabschiedet hatten, gingen wir runter zum „Strand“. Wobei die positive Bezeichnung für einen Ort zum Sonnen, Baden und rumhängen nicht mißverstanden werden sollte. In Livorno selbst gibt es keinen Sand-Strand. An der Viale Italia, die ungefähr ab der Terrazza Mascagni beginnt, gibt es mehrere private Bäder mit Pool und Zugang zum Meer, aber eben auch offenbar künstlich angelegte Stein-“Strände“. Dort hängen die Livornes* ab, sonnen sich und gehen baden. Die privaten Bäder sind allerdings auch gut besucht, allerdings mit pauschal 5 Euro pro Tag relativ teuer – zumindest wenn ich mich nur ein paar Stunden dort aufhalten will. Wir sind da nicht lange geblieben, haben uns aber umso mehr darüber geärgert keine Badeklamotten mitgenommen zu haben. Also, wenn mensch Ende Mai nach Livorno fährt, in jedem Fall Badesachen mitnehmen!

Weil wir uns nicht in dem tollen Wasser amüsieren konnten, sind wir also zurück in die Stadt gelaufen. Immer an der Viale Italia entlang, mit kurzem Halt an der endlich fertig sanierten Terrazza Mascagni hinein in die Straße Borgo dei Cappuccini. Dort sollte es eine schicke und gute Trattoria geben. Die haben wir dann auch gefunden – nachdem wir die ganze Straße runtergelaufen waren.

Das La Ciurma di Borgo hieß einmal La Ciurma die Max und gehörte einem Kumpel von Lucarelli. Der hat die Osteria aber verkauft und deshalb hat sie sich den Beinamen der Straße gegeben, in der sie zu finden ist. Das Essen dort ist gut, aber nicht herausragend. Dafür ist der preis in Ordnung. Die Betreiber*innen und ihre Angestellten sind sehr freundlich. Außerdem ist der Laden sehr beliebt. Bekannter scheint er aber nicht für sein Essen zu sein, sondern für die guten Weine. Ich erinnere nochmal an Mister Altravitas (oder war’s doch Camilleris Montalbano) erkennt Alltagsweisheit, daß dort, wo sich viele Italiner*innen zum Essen treffen, letzteres gut und günstig sein muß. Und so ist es auch in der La Ciurma di Borgo.

Nach dem Essen ging’s ab nach Hause – Ausschlafen bis zum Spiel. Das hätten wir uns, wie wir schon beschrieben haben, glatt sparen können. Das war ein echter Schock am Abend – diese tote Kurve. Die Langeweile und das Desinteresse der Mann*schaft. Die Frechheit von Cellerino in Richtung Kurve. Solche Arschlöcher und das ewige Rumgeheule des Vereins und der blutleeren Legionäre nervt und braucht kein Mensch. Naja…

Nach dem Spiel waren wir dann nur kurz im Hotel und sind noch ein Happen essen gegangen – im Ristorante Bella Napoli. Auch da war viel los – schließlich spielte . Das Spiel hat mich wenig interessiert. Satt waren wir auch, also ging’s zu unserem zweiten festen Termin jeder Livorno-Reise – nämlich ins Refugio.

Dort spielte an dem Abend das Teatro Ultimo aus Pistoia und zeigte die Performance Sirene della Notte. In der Inszenierung geht es um Beziehugnen, dem Verhältnis zwischen Sexualität, liebe und Moral. Feminstische Ansätze wurden leider nur zaghaft angedeutet, kamen aber auch vor. Schade fand ich, daß expliziz queere Ansätze jenseits heterosexueller Beziehungen gar nicht vor kamen. Ich schibe das aber mal darauf, daß sich italienische Frauen immer noch emanzipatorisch ins Spiel bringen müssen und queere Kämpfe weitestgehend in sehr abgeschlossenen Nischen geführt werden. Aber sowas kann sich auch schnell ändern. Übrigens wurden wir auch dort von den Aktivist*innen des Teatro Officina Refugio am Einlass erkannt, die uns so reingelassen haben. Der Regisseur der Inszenierung war übrigens ein ausgewanderter Deutscher, der einen beeindruckenden Ratzinger abgeliefert hat.

Die Theaterinszenierung im Refugio hat den Tag super abgerundet. Es hat sich mal wieder gezeigt, daß es sich immer auch lohnt jenseits des (obligatorischen) Stadionbesuches nach Livorno zu fahren. Sowohl im Godzilla, dem C.P. ’21 oder im Refugio wird garantiert was geboten – entweder ein Kozert, Party oder eben Performance. So macht es Spaß nach Livorno zu fahren. Für uns war mit dem Sonntag der Urlaub eigentlich vorbei. Am nächsten Tag ging’s zurück nach Deutschland. Da Montag alle Geschäfte bis auf den Markt geschlossen sind, konnten wir uns nich‘ einmal mit Merchandise eindecken. Aber gut dann eben das nächste Mal, Ende August oder im Herbst. Dann geht’s nämlich wieder auf nach Livorno!

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2 Kommentare zu „„L‘amaranto è la nostra bandiera““

  1. MisterAltravita sagt:

    Montalbano ist auch so eienr, der immer recht hat. 😉

  2. chaosz sagt:

    Buenos días Compañero`s,

    wiedermal ein sehr interessanter Bericht, der mich wie immer, mehr in den Willen bestärkt, nächstes mal länger in der schönsten Stadt Italiens zu verweilen. 🙂
    Forza Livorno sempre!!!! ☭