Pyrotechnik ist kein Verbrechen!

Das war das Einzige, was die Osnabrücker*innen im heimischen Stadion zu sagen hatten. „Derbyversager“ war ein weiteres Statement gegen die eigene Mensch*schaft. Sonst kam nix. Supportboykott eben. Die Gäste aus Babelsberg war’n da sehr viel lauter. Nach Stau, nur einer geöffneten Kasse, unnötigen Schikanen beim Einlaß und zehn Minuten Verspätung in ’ner Kurve peitschten die Nulldreier*innen ihre Mensch*schaft nach vorn. Geholfen hat’s leider nich‘.

Pyrotechnik ist kein Verbrechen galt auch nach dem Spiel. Da hatte der Osnabrücker Pöbel – uniformiert und sportlich – endlich zu dem gefunden, was sie schon vorher wollten. Die Security gerierte sich als eine paramilitärische Einheit und trieb Fußballfans auseinander. Zivis beleidigten Fans, offenbar um Reaktionen zu provozieren und ma‘ richtig draufhau’n zu dürfen. Die abgestellten, wortkargen Schutzmenschen gasten gezielt Menschen ein. Familien mit jungen Kindern wurden erst getrennt und dann angegangen. Deeskalierende Fanbetreuer*innen wurden geschlagen… Bravo Osnabrück! Gastfreundschaft sieht echt anders aus!

Dabei hatte der Nachmittag so schön entspannt und ganz unaufgeregt begonnen. Und als ich heut‘ morgen, ähh wieder Nachmittag aufgewacht bin, dacht‘ ich erst, es wär‘ nur ein Traum gewesen. So sieht also der Alltag von Ultras in fremden Stadien aus – durch einen vermeintlich besonders professionell agierenden Verein als Fans pauschal gedemütigt werden, verlieren und trotzdem die Mensch*schaft inklusive Trainer feiern, Streß mit niedersächsischen bezahlten Hooligans und doch fast gewonnen… Unsere zweite Auswärtsfahrt mit den Nulldreier*innen hatte eben doch einiges zu bieten.

Schon lange vor der anvisierten Abfahrt traf sich ein ordentlicher Mob am Lutherplatz. Oldschooler*innen und Ultras vereint in den Farben und in Klön verstrickt. Die Busse kamen relativ pünktlich und so ging es mit kurzer Verzögerung ab auf’s Dorf in den Westen. Nach zügiger Fahrt zur Stadtgrenze war dann erstmal für die ersten Kilometer auf der Autobahn stop-and-go angesagt. Das zog sich ’ne viel zu lange Weile hin. Diese Minuten sollten später bei der Ankunft fehlen. Der Soundtrack zur Auswärtsfahrt bot Hippiemucke, die ich schon lange nich‘ mehr gehört hatte, richtig alten Rock’n Roll, Johnny Cash und Skinhead Punk. War echt amüsant. Zwar konnte nich‘ beantwortet werden, how many roads wir noch zu fahr’n hatten. Genauso wenig got everybody stoned. Und Skinheads sind se‘ auch nich‘. Aber egal…

Auf der Rückfahrt gab’s übrigens ab dem ersten Halt die berühmte Highway Szene aus David Lynchs Filmklassiker live zu seh’n. Die visuelle Wirkung des kinematographischen Originals und der unmittelbare Eindruck ähnelten sich. Das Adrenalin, nach der Scheiße in Osnabrück ins Hirn geschossen, verflüchtigte sich allmählich. Die selbstgewählte Aufgeregtheit verschwand. Der lecker warme Gerstensaft entspannte zusätzlich. Und so durfte David Lynch endlich ma‘ so genossen werden, wie er Sinn macht – nämlich Ultrà!

Aber genug nun von der Hin- und Rückfahrt, kommen wir zum Spiel selbst. Die ersten Minuten mußte der Babelsberger*innen Mob ja leider verpassen. Weder die Polizei noch der Verein Osnabrück sah sich offenbar im Stande den Spielbeginn kurzfristig, wie in Jena geschehen, zu verschieben, sondern pfiff pünktlich an. Zehn Minuten vor Spielbeginn war’n wir vor Ort und dieser Drecksverein macht nur eine einzige Kasse für über Hundert Gäste auf. Echt eine Schande… Danach kommandierte so ein Möchtegerncapo die immer noch weitestgehend ruhigen Nulldreier*innen nach links und rechts zur Sicherheitskontrolle inklusive Schuhbegutachtung. So wat‘ hab ich echt noch nie erlebt. Selbst nich‘ nach den Repressionen gegen Ultras in Italien.

Die verpaßten Minuten waren nich‘ wichtig. Für die Babelsberger*innen auf dem Rasen, wären sie aber womöglich wichtig gewesen. Schließlich ging’s darum den unbedingten Support der Fans auch schon beim Einlauf zu sehen, zu hören und schließlich auch zu spüren. Als wir dann aber in ’ner Kurve standen, wurde es gleich sehr laut. Der Rest der Osnatel Arena war dagegen stumm. Kein Mucks kam von den wütenden Veilchen. Besonders erstaunlich war das allerdings nich‘, schließlich bot die Truppe des vermeintlichen Wunderheilers „Wolle“ Wollitz null Einsatz, null Kreativität und noch weniger Herz. Den Funke, den der VfL offiziell bei den Lilaweißen auf dem Rasen zu sehen glaubte, gab’s einfach nich‘. Die Osnabrücker*innen zog es zwar auffallend nach vorne, womit sie die Nulldreier*innen in die Defensive zwangen, besonders gefährlich spielten sie aber nich‘. Die größte Aufregung entstand eher aus Standards. Hierbei kann aber auch nur ein Freistoß aus circa 20 Metern in den ersten Minuten besondere Erwähnung finden, der an die Latte ging. Wobei betont werden muß, daß Unger den wohl gehabt hätte.

Die Babelsberger*innen mühten sich auffällig sich aus der Umklammerung zu lösen, was aber nur eingeschränkt gelang. Richtig gefährlich kamen die Blauweißen leider nie vor’s Tor. Müller ackerte, ob er nun mußte oder nich‘ sei ma‘ dahingestellt, zu viel im Mittelfeld und setzte wenig Akzente nach vorne. Der Schuß kurz vor dem Abpfiff im letzten Aufbäumen nach dem Osnabrücker Treffer und dem gehaltenen Elfer war einfach zu wenig platziert und schwach geschossen. Echt schade… Die Abwehr der Nulldreier*innen hielt aber trotz früher verletzungsbedingter Auswechslung von Rudi ganz gut aus. Sie schusselte nur einmal – fatalerweise leider in den wichtigen letzten Minuten der Partie.

Fazit der gestrigen Partie muß wohl sein, daß der SVB hinten zwar ganz gut aufgestellt und vor allem drittligatauglich ist, aber vorne einfach die Qualität zu fehlen scheint. Didi Demuth holt schon alles aus dem Kader, aber die letzte Konsequenz vorne läßt leider viel zu häufig und vor allem zu lange auf sich warten. Das muß sich unbedingt ändern. Übrigens mit dem Trainer!

Der Supportmob auf den Rängen legte, wie schon weiter oben beschrieben, gleich von Beginn an ordentlich zu. Das „Warum feiern wir“ kam richtig krass laut. Die Mensch*schaft auf dem Rasen sollte spätestens dann mitbekommen haben, daß die Unterstützung der Nulldreier*innen auch in Osnabrück lautstark sein würde. Und so laut, wie es begonnen hatte, ging’s weiter. Zu „We love Nulldrei“ sang der ganze Gästeblock (nur einige wenige in der Ecke rumlungernde war’n still). Das restliche Repertoire klang ebenfalls ganz gut. Der Höhepunkt war dann aber doch die schön anzusehende, emotional und visuell nun ernsthaft funkenerzeugende, leidenschaftliche Eruption zu Beginn der zweiten Hälfte. Der ganze Gästeblock leuchtete Minuten vor Enthusiasmus. Fahnen, Licht und chorischer Gesang holte das letzte aus den angereisten Nulldreier*innen heraus. Unorganisiert und ununterbrochen wurde bis zum Führungstreffer der Gastgeber*innen mit allem, was ging, supportet! Sehr schön…

Ebenfalls erwähnenswert ist, daß die Mensch*schaft nach dem Spiel nich‘ fallengelassen, sondern aufbauend „gefeiert“ wurde. Die revanchierte sich und kam, lange nachdem die gastgebenden ausgepfiffenen Osnabrücker*innen in die Kabinen verschwunden waren, in die Kurve. Selbst Didi Demuth bekam sein Ständchen. Dies is‘ wirklich nich‘ Standard nach so’nem Spiel. Respekt!

War auf jeden Fall trotz der paramilitärischen Sicherheitsspinner*innen, den eskalierenden Zivis und den ahnungslosen Schutzmenschen aufgrund des vereinten Supports ein schöner Nachmittag und Abend! Übrigens sollen sich, wie mir aus gut unterrichteter Quelle berichtet wurde, ein paar kleine Steppkes entschieden haben eine niedersächsische Nulldrei-Sektion zu gründen. Die Lieder ham’se schon drauf. An der Lautstärke fehlt’s allerdings noch. Aber jut. Und deshalb nochma’…

Pyrotechnik ist kein Verbrechen!

Ein sehr schönen Bericht über Osnabrück und Soljanka gibt es bei den sehr symphatischen Zujezogenen.

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