Was war’n das?!

Das Gerücht ich sei ein kompromißloser Optimisten und skrupelloser Schönfärber hält sich hartnäckig in der Nordkurve. Ich will dem auch gar nich‘ widersprechen. Aber auf das, was die Nordkurve beim Heim-(!) Spiel gegen die Hobbynazis aus Karl Marx Stadt abgeliefert hat, hab‘ echt gar keinen Bock. Grauenhaft! Bis auf die letzten fünf Minuten in der ersten Hälfte und den Torjubel kurz vor Abpfiff war der Auftritt der Nulldreier*innen in der Nordkurve blamabel. Die Blauweißen auf dem Rasen mühten sich und brauchten die Unterstützung der Kurve. Und wo war der Support? Nich‘ da! Und dann schenkt uns Kragl den Ausgleich…

… und ich zerr‘ mir beim unglaublichen Torjubel den Oberschenkel. Ich hatte gar nich‘ mehr dran geglaubt, daß die Chemnitzer Maschen nochma‘ zittern würden. Die Babelsberger mühten sich zwar immer wieder endlich aus eigener Kraft ein schön herausgespieltes Tor zu erzielen. Aber die Angriffsbemühungen war’n einfach zu harmlos. Und dann tritt Kragl an und knallt den Ball in die Maschen. Was ein Hammerschuß! Der Hammer, die Blicke in der Kurve – so viel Schock und glücklichen Nichtglaubenwollens hab‘ ich noch nie geseh’n. Und dann einfach nur noch totale Ekstase… Und dabei muß ich meine Adduktoren im linken Bein überstrapaziert haben. Was’n Pointe – ’ne Sportverletzung beim Fußballkucken 😀

Aber so witzig, wie das jetzt klingt, ist es eigentlich nich‘. Und wenn ich an die Stimmung in der Kurve denke, is‘ mir eigentlich zum heulen zu Mute. So schlecht, so leise, so verdammt emotionslos und so belanglos hab‘ ich die Nordkurve noch nie erlebt. Selbst, als wir vor vielen Jahren das erste Mal bei feuchten und ungemütlichem Wetter im KarLi weilten, waren die anwesenden Menschen nich‘ so kalt und desinteressiert. Und erzählt mir nix vom Fußballkucken oder irgend eine andere blödsinnige Rechtfertigung für die mangelhafte Unterstützung der Mensch*schaft. Da lieg’n die Fahnen auf’m Boden und keine*r nimmt sie ma‘ in die Hand. Stattdessen stecken die Hände lieber in den wärmenden Jackentaschen oder in kuschligen Handschuhen. Und so richtig laut singen die wenigstens. Einige mühen sich trotzdem die Aktiven auf’m Platz durch ihre Leidenschaft zu pushen – aber die meisten kuck’n lieber nur und überlassen alles andere lieber anderen. Das geht gar nich‘!

Dabei hatte der Tag sehr erfolgreich und spannend begonnen. Das hieß zwar für mich richtig früh aufsteh’n, dem jungen Schnee beim Fallen zu kucken, die Spuren am Bahnsteig folgen und bei schönem Sonnenschein in Babelsberg an zu kommen. Viel zu früh, eigentlich. Aber schließlich sollte der Aktionstag gegen Homophobie ein Erfolg werden. Der SV Babelsberg bekennt sich nämlich neuerdings als erster Profiklub im deutschen Fußball offensiv zur Kampagne Fußballfans gegen Homophobie. Tennis Borussia, als erster Amateurverein und maßgeblicher Ausgangspunkt der Kampagne, legte vor wenigen Wochen vor, der Fanbeirat des SVB leierte die Zusammenarbeit an und der Verein spendierte eine Bande in der Nordkurve.

Der Tag in Babelsberg begann mit einem sehr guten Vortrag von Jan Tölva zum Thema heteronormative Konstruktionen und performativer Herstellung patriachaler Hierarchien. Ich glaube zu diesem Thema hab ich noch nie solch eine umfaßende und gleichzeitig unkomplizierte Einführung gehört, die weit über die üblichen und bekannten Diskurshäppchen hinaus ging. Besonders interessant fand ich die Betonung, oder besser den Aspekt, der (Re-) Produktion von homophober, sexistischer, rassistischer und anderer Ausgrenzungsmechanismus durch die abwertende Benenung des zu erniedrigenden Subjekts. Das heißt, sowohl die positive Selbstbezeichnung – zum Beispiel als „Mann“ – als auch die negativ ab- und ausgrenzende Stigmatisierung etwas vermeintlich Anderem – zum Beispiel als „Schwuchtel“ – ermöglicht erst und konstituiert die patriachale (Bewertungs-) hierarchie. Etwas schade fand ich lediglich, daß viel zu wenig Menschen so früh am Morgen im Fanladen waren, um den erhellenden Ausführungen zu lauschen. So manche*r in der Nordkurve und den anderen Sektoren des KarLi hätten ein bißchen Gehirnmuskeltraining durchaus vertragen können. Dann würde mensch weniger Macker*innenscheiß und andere Widerlichkeiten ertragen müssen…

Ach Apropos unerwünschte Dreckscheiße. Grauzonen-Merch hat in der Nordkurve nix zu suchen. Es reicht schon, daß manche Oi- und Punk-Bands Probleme haben sich von Nazis und anderem nationalistisch menschenverachtenden Dreck fernzuhalten. Da muß ich dieses Zeug nich‘ auch noch im Stadion seh’n. Am Samstag wurde in diesem Zusammenhang ein Typ in einer Krawall Brüder Jacke aus der Kurve geschmissen. Also, wenn ihr Menschen in frei.wild, Berliner Weiße oder anderem Grauzonen-Merch seht, sprecht sie an, informiert sie oder sprecht die infornierten Menschen an den Fahnen an.

Die Cottbusser und Chemnitzer 88-Freaks im Gästeblock blieben im Übrigen weitestgehend unbehelligt. Zahlreiche Security-Typen und behelmte Schutzmenschen sahen desinteressiert zu, wie sich besonders motivierte Nazis fröhlich im Recken des rechten Arms betätigten. Fast schon erfreulich war, daß die anderen angereisten Gäste lediglich die Enthüllung der Bande durch gemeinsames Ausbuhen störten und mit unkreativen „Scheiß Babelsberg“ Chören glänzten. Aber mehr als langweiliges Standardprogramm war ohnenhin nicht zu erwarten. Deshalb verwundert es gar nicht, daß die Chemnitzer*innen ganz in rechtsoffener Grauzonenmanier gegen die Nazis in ihrer Nähe nix taten…

Aber kommen wir zurück zum Support in’ner Nordkurve. Esgab nämlich schon einen Hoffnungsschimmer. Er war zwar zart und fein, fast gar nicht erkennbar. Ich meine die letzten fünf Minuten der ersten Hälfte. Die haben Spaß gemacht. Es hätte zwar etwas lauter sein können, etwas enthusiastischer und ausgelassener – aber jut, ich will ma‘ den Bericht nich‘ total frustriert und sauer beenden. Also, beim nächsten Heimspiel gegen die unsymphatischen Hanseat*innen an die guten Momente der Nordkurve denken und den grandiosen Torjubel von gestern herbeisingen!

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2 Kommentare zu „Was war’n das?!“

  1. jurij sagt:

    jaja! is‘ geändert…

  2. Brigata Amaranto Venticinque Aprile sagt:

    hingeworfene worte ohne sinn und verstand bleiben draußen. ich stehen ganze sätze. und wer kommunizieren will, sollte auch vollständig und nachvollziehbar auch für andere schreiben…