Partizan Minsk! Niemals aufgeben!

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Grenzen nerven. Mauern und Zäune sind scheiße. Meere, die zu Friedhöfen werden, kotzen mich an. Staaten nerven! Und dieser ganze Kram nervt, den sie sich ausdenken, um die Bewegungsfreiheit von Menschen im schlechtesten Fall zu verhindern und im Besten Fall zu kontrollieren. Grenzen sind scheiße! Und Visa nerven! Besonders spürbar wird dies, wenn mensch nicht einfach bei Freund*innen sein darf!

Die Freundschafts- und Solidaritätstour von Partizan Minsk vor circa 1 ½ Jahren war ein Hammer-Ereignisse. Fans aus verschiedenen Vereinen haben etwas ermöglicht, daß diejenigen, die dabei waren, so schnell nicht vergessen werden. Es war eine intensive Tour. Auf der Freundschaften entstanden sind. Immer wieder wurde ich eingeladen, endlich mal die schöne Stadt im Osten zu besuchen. Immer wieder hab ich es aufgeschoben. Die Szene hat sich entwickelt. Sie hat prügelnde Beamt*innen und Repressionen während der Eishockey WM vor wenigen Monaten überstanden. Die aktiven Fans haben noch vor wenigen Wochen tolle Choreographien gezeigt. Und trotzdem, seit dem 28. Juli 2014 ist der Verein am Ende. Die Kurve von Partizan Minsk ist gestorben. Und ich werde sie so schnell nicht mehr lebendig, kreativ und laut erleben dürfen..

Gestern, am 13. September, starteten die Fans neu. Unter dem Motto „Zusammen retten wir Partizan“ haben sie einen ganz besonderen Abend organisiert. Befreundete Bands haben vor mindestens 1.000 Gästen gespielt. Unterstützer*innen kamen. Aus Moskau reisten zwei Busse an. Aus Petersburg wurde ein Bus erwartet. Aus anderen Städten des Ostens reisten ebenfalls zahlreiche Freund*innen an. Wie viele aus den Staaten jenseits des Visa-Vorhangs kamen, der angesichts der Europäischen Union, der NATO-Militarist*innen sowie wahnsinniger Regierungen in der Ukraine und Russland vielleicht bald wieder ein „eiserner“ sein wird, ist völlig unklar. Ich wollte eigentlich zu diesen Konzerten, zu diesem historischen Abend, aber ohne Pass und Kohle geht gar nix. Mist!

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Die Rebel Ultras, die ersten aktiven Fans beim damals noch unter MTZ-RIPO bekannten belorussischen Verein, tauchten das erste mal 2003 im Stadion auf. Sie waren ein gutes halbes Dutzend Antifaschist*innen, die offen ihre Ansichten zeigten und verteidigten. Bis 2006 steckten sie ordentlich ein. Aber am 9. Mai 2006, dem Tag des Sieges über Hitler-Deutschland, drehte sich das Blatt. Beim Derby gegen Dynamo hielten sie einer Übermacht von Nazis stand und wichen nicht zurück. Lest dazu einfach mal das entsprechende Kapitel in DJ Stalingrads „Exodus“, übersetzt zum Beispiel im „Diario di Dario“ Nummer 4, übrigens mit einer kleinen Einordnung… Also, die Rebel Ultras ’03 wuchsen und wuchsen. Sie wurden zum Vorbild für die wenigen Antifa-Fanszene im ganzen Osten. Und sie sind es bis heute.

Deshalb war es kein Wunder, daß im Frühjahr 2012 nach der Pleite des 2010 von MTZ-RIPO in Partizan Minsk umbenannten Klub europaweit eine beispiellose Solidaritätskampagne den Verein retten konnte. Im März 2012 wurde er als Partizan 2002 selbstverwaltet neu gegründet und spielte die erste Saison erfolgreich in der Minsker Stadtliga. Ungefähr ein Jahr nach der Neugründung ging Partizan zehn Tage auf Tour. Infoveranstaltungen in Berlin, Rostock, Hamburg und Leipzig sowie Spiele gegen Tennis Borussia, Viktoria Hamburg, Roter Stern Leipzig, BSG Chemie und den SV Babelsberg 03 ermöglichten, daß der erste selbstverwaltete Verein in der 2. Belorussischen Liga antreten konnte. Und der junge, von den Fans geführte Verein machte weiter Schlagzeilen. Im Juli übernahm Anna Bolbas die Führung von Leonid Petkevic und wurde die erste weibliche Direktorin eines belorussischen Fußballklubs. Die erste Saison in der dritthöchsten Liga schloß Partizan erfolgreich ab.

Der nächste Meilenstein in der jungen Geschichte kam im Februar 2014. Der Medienmogul Vladimir Grevcov stieg ein. Er versprach viel und hatte große Pläne. Er mietete ein Büro, bezahlte drei Festangestellte zusätzlich zur Direktorin und den Trainer*innen, kaufte Computer, ein Auto und Material.. Er pumpte den Verein auf. Und keine*r wußte genau, was er wollte. Zu diesem Zeitpunkt führte ich erstmals längere Gespräche mit den Freund*innen aus Minsk. Sie waren skeptisch. Sie wollten etwas langsamer machen, denn Grevcov wollte den Verein in der 1. Liga, wenn nicht sogar in der Höchsten Belorussischen Liga anmelden. Sie wären dann gleichmal im echten Profi-Geschäft gewesen. Einige freuten sich. Anderen ging das viel zu schnell. Und zu schnell zerplatzten die Träume. Ende April schmiß Grevcov hin. Kurz vor der Eishockey WM. Einen Tag bevor die ersten Partizan Fans im Rahmen einer Repressionswelle gegen engagierte Bürger*innen eingefahren sind. Anna Bolbas ging ebenfalls – in den Mutterschutz.. Die Geschäfte übernahm eine*r der Gründer*innen der berühmt berüchtigten Antifa-Hooligan-Gruppe Red White Hunters. Und so startete der Verein und seine Fans am 27. September ohne echte Führung in die dritte Saison in die 2. Belorussischen Liga..

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Trotzdem lief die Spielzeit ganz gut an – aus vier Spielen holte Partizan sieben Punkte. Im Pokal zog der Verein zwei Runden weiter. Zum ersten Spiel fuhren neben dem Bus für das Team drei weitere Busse mit Fans. Zum Derby bei Torpedo zeigten die Fans ein fette Choreo und tauchten den Gästeblock in Rotweiß. Es folgten weitere schicke Aktivitäten. Bei jedem Spiel gab es Doppelhalter, kleine und große Fahnen. Ob Auswärts oder zu Hause. Das letzte schicke Intro zeigten die Rebel Ultras am 20. Juli beim Auswärtsspiel bei Kolos-Druzhba in Gorodishe. Das Pokalspiel am 27. Juli war das letzte Spiel von Partizan Minsk. Und es wurde mit 1:3 verloren. Da war schon klar, das irgendwas nicht stimmt. Am 28. Juli kündigte der amtierende Direktor. Am Pokal-Wochenende seines Vereins war er beim Freundschaftsspiel von Sankt Pauli mit Celtic..

Nicht das immer wieder fehlende Geld, auch nicht der Verlust des Fanshops oder die zunehmenden Schwierigkeiten brachten den Kollaps. Größenwahn, Verantwortungs- und Respektlosigkeit einzelner Personen sorgten am Ende offenbar für den Zusammenbruch. Der Klub hatte zwar Engpässe, aber es waren genug finanzielle Reserven vorhanden. Partizan ging es hierbei nicht viel anders, als anderen belorussischen Vereinen. Der Klub verlor die Lizenz, weil der amtierende Direktor gekündigt hat. Ohne Direktor*in keine Vereinskonten. Ohne Vereinskonten keine Bezahlung der Verantwortlichen, der Sozialabgaben und der Medizinischen Hilfe bei Spielen. Das war das Ende von Partizan..

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Ich wollte eigentlich gestern in Minsk sein.. Diese Scheißgrenzen. Diese Drecksbürokratie. Diese verdammten Visa. Und vor allem blöde Kohle, die immer fehlt.. Partizan hatte in dreizehn von zwanzig Spieltagen 20 Punkte geholt. Das bedeutet ein gutes Mittelfeld. Im Support waren die Minsker*innen wie schon bei ihrem extrovertierten Antifaschismus wieder vorn dabei. Bei jedem Spiel gab es trotz blödsinniger Repression ordentlich was für’s Auge und die Ohren. Und gestern ein Stelldichein der osteuropäischen Antifa-Szene. Das ist Partizan. Das sind die Rebel Ultras. Diese Szene darf nicht sterben! Und ich weiß, daß sie überleben wird. Und ich bin mir sicher, daß ich mit ihnen zusammen einen neuen Partizan Minsk anfeuern werde. Denn eins bleibt:

Всегда с вами! United for Partizan Minsk!

Der Beitrag ist eine aktualisierte Fassung des Textes, der im Ultra Unfug #202 am vergangenen Freitag zum Spiel von Nulldrei gegen Jena erschien.

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