4. November 2014 – Tag der Einheit des Volkes

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Der 4. November ist in Russland nicht nur ein nationaler Feiertag, sondern das Datum für Nazi-Aufmärsche im ganzen Land. Putin hat den Festkalender bis Ende 2004 komplett ent-sowjetisiert oder die verbliebenen in russisch-imperiale Festtage verwandelt. Der 9. Mai muß hierbei als krassestes Beispiel der Umwandlung von einem antifaschistischen Feiertag in einen patriotischen genannt werden. Dasselbe gilt übrigens für das orangschwarze Georgsband, das seit dem 60. Jahrestag des Sieges über Hitlerdeutschland vom sowjetisch antifaschistischen zum imperialen großrussischen Symbol umgewertet wurde. Die Nazis versammelten sich zum ersten Mal am 4. November 2005 zu einem „Russischen Marsch“ in Moskau. Seit 2006 finden Aktionen unter diesem Label landesweit statt. Im Jahr 2009 organisierten erstmal kremlnahe Jugendorganisationen eigene Veranstaltungen am 4. November und machten den Nazis Konkurrenz.

In diesem Jahr sollen sich, wie Itar-Tass berichtet, an den offiziellen Feierlichkeiten bis zu 600 Tausend Menschen beteiligt haben, davon allein 75 Tausend in Moskau. Auf der Kundgebung und dem Konzert unter dem Motto „My ediny“ (Wir sind eins) waren laut Angaben der Nachrichtenagentur viele Menschen mit dem Georgsband. Die Liberal-Demokratische Partei Russlands (LDPR), die sonst eine eigene Kundgebung zum Feiertag veranstaltet, schloß sich in diesem Jahr den offiziellen Feierlichkeiten an. Auf der Abschlußkundgebung sprachen kremlloyalen Parlamentarier*innen. Diese waren Sergej Neverov von der regierenden Partei Edinaja Rossija (Einiges Russland), Genadij Sjuganov, Vorsitzender der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), Vladimir Zhirinovskij von der LDPR sowie Sergej Mironov von der Partei Spravedlivaja Rossija (Gerechtes Russland).

Die Nazis planten Veranstaltungen in verschiedenen Regionen und mehr als 30 Städten. Allerdings kam es aufgrund einer Spaltung in Bezug auf den Konflikt im Donbass in der jeweiligen zur Position zu Novorossija in einigen Städten zu konkurierenden Veranstaltungen. Das Label „Russischer Marsch“ wird von einem spektrenübergreifenden, russlandweiten Organisationskommittee mit prominenten Nazis wie Dmitrij Demushkin verantwortet. Er war seit den 90ern in militanten Strukturen aktiv. Zurzeit ist er neben Aleksandr Belov, der gerade wegen Geldwäsche im Knast sitzt, Chef des Bündnis Russkie (Russen), daß nach dem Verbot des Netzwerks Dvizehnije protiv nelegal’noi Immigrazii (Bewegung gegen nicht-legale Immigration, DPNI) sowie des national-sozialistischen Slavjanskij Sojuz (Slawische Union) gegründet wurde. Das Manifest zum Label wurde unter dem Titel „Die 14 Wörter des Russischen Marsch“ im vergangenen Jahr von Vladimir Basmanov (Potkin), einem der Mitbegründer der DPNI geschrieben und abgesegnet.

In Moskau gab es neben den offiziellen Veranstaltungen zwei Nazi-Demonstration. In der Hauptstadt eskalierte der Streit zwischen dem Pro- und Anti-Novorossija-Lager wegen dem Verhältnis zu Igor Strelkov (Girkin), dem umstrittenen ehemaligen Militärchef der Volksrepublik von Donetsk. Nach Ljublino, der von der Nacional’no-demokraticheskaja Partija (National-Demokratische Partei, NDP), dem Rossijskij obsshenarodnyj Sojuz (Russische Volksunion) und dem Bündnis Russkije (Russen) organisierten Demo, kamen nach Angaben des Informations- und Analysezentrum SOVA circa 1.800 Teilnehmer*innen, die sich in verschiedenen Blöcken versammelten. Darunter war ein NS-Block der Organisation Nacional-Socialisticheskaja Iniciativa (National-Sozialistische Initiative). Nach der Demo wurden aus diesem Block bis zu 40 Personen festgenommen, weil sie sich vermummt und Pyrotechnik gezündet haben sollen. Der konkurierende „Russkij Marsh za Novorossiju“ (Russischer Marsch für Novorossija) fand im nordwestlichen Randbezirk Sshukino, auf dem Oktoberfeld statt. An dieser Demo beteiligten sich nach Angaben von SOVA circa 1.200 Teilnehmer*innen (im Vorjahr waren es ca. 600). Der für diese Veranstaltung angekündigte Strelkov hatte kurz vor Beginn der Demo sein Kommen abgesagt. Einer der Organisator*innen hatte nämlich zum Sturz der russischen Regierung um Putin aufgerufen hat, was Strelkov gar nicht gefiel. Bei der Abschlußkundgebung wurde den Toten im Donbass gedacht.Außerdem waren Milizionäre aus Novorossija anwesend, die kurz über die Situation berichteten.

In Sankt Petersburgs gab es drei Veranstaltungen. Der „Patriotische Marsch“ für Novorossija fand als Demo mit Abschlußkonzert statt. Außerdem organisierten autonome Nationalist*innen eine Nazikundgebung mit circa 60 Teilnehmer*innen, die unter dem Motto „Rechter Russischer Marsch des Blocks weißer Rassisten und National-Sozialisten“ organisiert wurde. Sie distanzierten sich vom ukrainischen Thema. Die Veranstaltung unter dem landesweiten Label „Russischen Marsch“ wurde vom Bündnis „Russkie“ und „Velikaja Rossija“ (Großrussland) angemeldet, aber nicht genehmigt. Circa 200 sollen sich dennoch versammelt haben, um auf dem Nevskij Prospekt in der Innenstadt zu demonstrieren. Sie wurden aber aufgehalten.

Die Demo in Sevastopol fand unter dem Motto „Marsch der Einheit“ statt, da ein Verweis auf Russland als „Russischer Marsch“ nicht mehr nötig sei, da die Krim nun zu Russland gehöre. In Volgograd beteiligen sich circa 200 Menschen am „Russischen Marsch“ ohne Parteinahme für oder gegen die Volksrepubliken im Donbass. Die National-Bolschewisten der Partei „Drugaja Rossija“ (Anderes Russland) warfen dem Marsch Russophobie vor und beteiligen sich nicht. In Saratov kamen zum „Russischer Marsch“ in Solidarität mit Novorossija nicht mehr als 20 Menschen. Zum gleichen Zeitpunkt versammelten sich am anderen Ende der Stadt ungefähr 35 Personen beim „Russischen Marsch für den Frieden“ gegen den Konflikt im Donbass. In Samara beteiligten sich mehrere Dutzend Personen am „Russischer Marsch“ in Solidarität mit Novorossija. In Novosibirsk gab es ebenfalls zwei konkurierende Veranstaltungen. Zum, von der örtlichen NDP Sektion organsierten „Russischen Marsch“, kamen circa 350 Menschen. An der Kundgebung der National-Bolschewistischen Plattform beteiligten sich ungefähr 30 Personen. Auch in Ekaterinenburg, Kaliningrad und Krasnodar gab es konkurierenden Veranstaltung für und gegen Novorossija. In Kaliningrad mußten Monarchist*innen ihre Kundgebung gegen Novorossija unter Polizeischutz beenden, da Symphatisant*innen der DNR und LNR sowie und Rocker auftauchten.

Weitere „Russischen Märsche“ gab es in Omsk, Barnaul (Kundgebung mit 50 Personen), Astrakhan (Kundgebung zur Freilassung von Belov), Orla (55 Teilnehmer*innen bei einer bei Demo), Ufa (circa 20 Leute), Novosibirsk (mehrere Hundert Leute),  Khabarovsk, Sytyvkar (Republik Komi, ein paar Dutzend Personen), Volgograd (200 Leute), Tula, Vjatka (200 Leute),  Nizhni Novgorod (circa 1.000 Leute), Ul’janovk, Perm, Krasnodar (60 Leute), Volgograd (mehrere hundert Leute), Ekatarinenburg, Tver, Irkutsk (200 Leute), Königsberg (35 Leute) und Vladivastok. Zum „Slawischen Marsch“ in Kyiv, zu dem russische Nationalist*innen aufgerufen hatten, kam kein Mensch. Ob es in anderen Städten weitere Aktionen gab, ist zurzeit nicht bekannt.

Leider ist von antifaschistischen Gegenaktionen nur wenig bekannt. Lediglich in Sankt Petersburg gab es eine größere antifaschistische Kundgebung unter dem Motto „Für internationale Solidarität“. Sie richtete sich gegen imperialen Nationalismus und Xenophobie, für den antifaschistischen Kampf, freie Gewerkschaften und progressive Organisationen sowie rief zum Desertieren auf. Die Organisation übernahmen lokale Anarchist*innen der Gruppe Avtonomnoe Dejstvie (Autonome Aktion) und Antifas. An der Kundgebung sollen sich 200 Teilnehmer*innen beteiligt haben. In ihrem Bericht beziehen sich die Organisator*innen übrigens auf die Rot Front Losung „Faschismus – bedeutet Hunger. Faschismus – bedeutet Terror. Faschismus – bedeutet Krieg“. Außerdem gab es in Irkutsk eine anti-nationale Graffiti-Aktion auf der Route der Nazis. Dort wurde „Patriotismus ist Riesenwahnsinn. Oskar Wilde“ auf den Asphalt gesprüht.

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