Wat‘n Theater XLIII – Deutsche Sau

Wißt ihr, was Fußball, die White Stripes und Anton Bruckner gemeinsam haben? Ha! Darauf kommt ihr nie! Es sind zwei Takte und sieben Noten. Und zwar das Düüü DüDü Düü Dü Dü Düü Düü. Besser bekannt als „Alle Bullen sind Schweine“. Und woher weiß ich das? Ausm Kino selbstverständlich. Genauer ausm Thalia – in feinstem babelsbergisch übrigens mit langem A und zusammengezogenem, ganz, ganz kurzem IA gesprochen. Genauer ausm Film „Wilde Maus“ von und mit dem genialen Josef Hader. Den Film hab ich nämlich im genannten besten Programm-Kino Deutschlands gesehen. Und der Hader war sogar da. Und nicht nur er, sondern auch der Wahlpotsdamer, Tatort-Kommissar, grandiose Schauspieler und unglaublich nette Mensch Jörg Hartmann.

Für mich war nicht nur der Film und der Hader Josef was ganz Besonderes. Ich hatte ein bißchen gehofft und mich besonders darüber gefreut, nach Jahren auch mal wieder Jörg Hartmann zu treffen. Den hatte ich nämlich vor Ewigkeiten am Mannheimer Nationaltheater kennengelernt. Da hab ich zu zwei Inszenierungen als unbezahlter Praktikant, in der Theater-Szene Hospitanz genannt, ausgeholfen. Jörg Hartmann spielte die Figur Fellner in einer Bühnenversion des Films „Indien“, in dem Hader mitspielte. Die Crew zur Inszenierung war ziemlich klein. Wenn ich mich recht erinnere, war‘n wir zu fünft und am Ende, als die Regieassistentin krank wurde, nur noch zu viert. Nämlich der Regisseur Carlos Trafic, Jörg Hartmann und sein Schauspielkollege sowie ich. Für mich war das echt fett. Denn ich war das erste Mal aktiv am Theater. Ich wollte eigentlich nur mal was anderes sehen außer Seminarräume und Bücherregale. Und nach nur ein paar Wochen war ich schon mittendrin. Und so war es für mich der größte Hammer Jörg Hartmann, den ich in einer Inszenierung nach einem Hader-Film kennenlernte, in einem Babelsberger Kino wiederzutreffen, der von Hader gedreht wurde, in dem er mitspielte und dessen Vorführung er mit seiner Anwesenheit krönte.

Im Film „Wilde Maus“ gehts übrigens um den Musikkritiker Georg, der zu Hause eine Frau zu sitzen hat, welche die Leere in ihrem Psychologinnen-Leben durch ein Kind füllen will. Der Sex ist also nur Fortpflanzungssport. Und auch sonst hab‘n sich die beiden offenbar wenig zu sagen. Erst Waller, der junge und dynamische Chefredakteur hat er völlig aus der Bahn befördert, weil er den alten, spießigen und auch sonst misanthropischen Georg aus seinem gut behüteten Redaktionsjob jagt. Waller, gespielt von Jörg Hartmann, is Deutscher und wird vom enttäuschten Georg als „Deutsche Sau“ beschimpft. Schon mal nen Pluspunkt für Georg. Als er dann auch noch ziemlich hilflos erste Anschläge gegen Waller durchführt, wird mir der skurrile Grantler noch sympathischer. Dann kauft er auch noch im Prater ne Achterbahn, die den Film den Titel gebende „Wilde Maus“. Sein Kompagnon is Erich, ein grobschlächtiger Typ, mit ordentlich Wiener Schmäh, der vom nicht minder grandiosen Georg Michael gespielt wird. Nach einigen sehr gemächlich, wunderbar komischen und intensiv langsam inszenierten Szenen steigt der Höhepunkt in den Bergen. Aber nicht ohne, daß Waller (Jörg Hartmann) und sein Geliebter Sebastian (Denis Moschitto) eine wunderbare Frühmorgenstreit-Szene haben, in der sie sich über Respekt, Vegetarismus und Hitler in die Haare kriegen. Allein wegen dieser Szene lohnt sich der Film.

Wer auf tiefgründigen Humor, nicht auf platte Schenkelklopfer-Comedy steht, und für den Komik auch mal heißt, trotzdem zu lachen, für den sind Hader und die „Wilde Maus“ genau das Richtige. Und wer dann noch noch nicht genug hat, der muss sich unbedingt die Kurz-Serie „Aufschneider“ reinziehn. Da geht die symphatische Schmäh-Kanone Hader noch krasser ab. Drei Stunden lang wird eine gutdosierte Pöbel-Salve nach den anderen gezündet und die spießig-piefige, heuchlerische Bürger*innen-Realität durch die Wiener-Melange g‘zogn. Fantastisch!

Also, gönnts euch den Hader, den Hartmann und die anderen Konsorten – egal ob im Kino, auf den digitalen Platten oder auf den Brettern der Berliner Schaubühne. Und nich vergessn: Fußball-Fans zitieren, wenn sie das Motiv von White Stripes‘ „Seven Nation Army“ singen, das Leitmotiv aus Anton Bruckners Erstem Satz der 5. Symphonie. Ihr ALLE also, jede*r einzelne singende Fan, seid Interpret*innen eines der größten Orchesterwerke der jüngeren Geschichte. Ihr habts einfach drauf und wißt es nich mal. Yalla, Genoss*innen! Singt so laut, wie jede*r kann.

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