Arsenal ist nicht CSKA!

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Das Überleben der Fußballvereine in Osteuropa gestaltet sich für viele Vereine als schwierig. Pleiten, die Beendigung des Spielbetriebes, Fusionen und Umbenennungen sind alltägliche Vorgänge. Von der Umgestaltung sind in erster Linie die Fans der entsprechenden Klubs betroffen. Die aktiven Sportler*innen und Vereinsoffiziellen suchen sich einfach einen neuen Verein. Das Management und die Eigentümer*innen, die nicht selten die treibende Kraft bei den Veränderungen sind, haben oft ein großes, vor allem finanzielles Interesse an der Neuordnung der Klubs. Die Fans dagegen verlieren sehr viel mehr – im schlimmsten Fall den Verein, den sie lieben, im besten Fall die Farben und den Namen, für die sie jedes Wochenende neu in den Kurven stehen. Aktuell bangen die antirasssistischen und antifaschistischen Fans des ukrainische Fußballklub Arsenal Kiev um ihren Verein und ihre Fanszene.

Vor drei Jahren stand der SV Babelsberg 03 am Abgrund und wurde in acht Tagen durch enthusiastisches Engagement der Fans gerettet. Im Frühjahr 2012 ging der belorussische Fußballklub Partizan Minsk (bis 2010 MTZ-Ripo) Pleite und beendete den Spielbetrieb. Die Fans gründeten den Verein in Eigenregie neu und führen ihn seitdem selbstorganisiert. In den aktuellen Saison spielt Partizan-MTZ, wie er heute heißt, in der Zweiten Belorussischen Division, der dritten Liga in Weißrussland. Aktuell ist der Fußballklub Arsenal Kiev akut gefährdet und die Fans kämpfen sowohl ums Überleben als auch um den Erhalt des Namens ihres Vereins.

Das Besondere an den erwähnten Vereinen ist, daß sie alle eine aktive antirassistische und antifaschistische Fanszene haben. Vor allem in Osteuropa ist dies nicht nur besonders erwähnens- sondern auch unterstützenswert. So konnte Partizan Minsk auch durch die einzigartige internationale Kampagne Save MTZ gerettet und durch die Solidaritäts- und Freundschaftstour im März diesen Jahres zu Tennis Borussia Berlin, Victoria Hamburg, Sankt Pauli, zum Roten Stern Leipzig und dem SV Babelsberg 03 unterstützt werden. Einen nicht geringen Anteil an der Rettung des Minsker Fußballklubs hatten außerdem die Fans von Arsenal Kiev, die ihrerseits nun um Unterstützung bitten.

 

Aktuelle Entwicklung

Hintergrund der aktuellen Entwicklung sind finanzielle Schwierigkeiten nach dem Rückzug zweier Großsponsoren Ende des Jahres 2012. Der langjährige Präsident und Eigentümer Vadim Zinov’evich Rabinovich mußte gehen. Er hatte den bereits 2007 finanziell angeschlagenen Verein gekauft, aufgebaut und ihn in der Saison 2011 / 12 erstmals auf einen Startplatz zur Qualifikation zur UEFA Europa League geführt. Trotz dieses Erfolges sprangen zwei wichtige Sponsoren ab und führten den Verein an den Rand der Pleite. Rabinovich ging und Aleksandr Romanovich Onishhenko kaufte den Verein zu Beginn des Jahres 2013. Letzterer begann sofort mit der Umgestaltung des Klubs.

Die Fans hatten sich schon im Januar mit einem offenen Brief an Rabinovich und die Vereinsführung gewandt. Sie hatten auf ein Interview des Präsidenten reagiert und nicht nur ihre Unterstützung angeboten, sondern auch Wege aus der Krise aufgezeigt, um die für den 20. Januar drohende Auflösung des Klubs zu verhindern. Die sehr ausführliche Erklärung der Fans erschien am 9. Januar auf der Seite der Gruppe Mad Rebels, die sich 2008 gegründet haben und neben 4side family den Support in der rotblauen Kurve organisieren. Ungewöhnlich an dem offenen Brief ist, daß die Fans nicht nur öffentlichkeitswirksame Aktionen und die typischen Spendenkampagnen anboten, sondern auch offensiv die Arbeit in den Strukturen des Vereins unterstützen woll(t)en. Der Verein konnte im Januar allerdings auf Kosten eines Ausverkaufs des Kaders gerettet werden.

Die aktuelle fatale Entwicklung betrifft die Existenz des Vereins mittelbar. Denn Arsenal Kiev droht nicht die Auflösung, sondern – was nicht minder erschreckend ist – die Umbenennung in CSKA Kiev. Auch diesmal erfuhren die Fans von diesen Plänen aus der Presse. In einem Interview mit dem ukrainischen Sportportal Sport Express kündigt der neue Eigentümer Onishhenko nicht nur Investitionen in der Höhe von mindesten 15 Millionen Dollar sondern auch die Veränderung des Vereinslogos sowie die Umbenennung des Klubs an. Ausschlaggebend für diesen Schritt sollen die Fans von CSKA Kiev gewesen sein, die mit diesem Wunsch auf ihn zu gekommen wären und sich mit ihm geeinigt haben sollen.

Für die Fans von Arsenal Kiev war der potenzielle Verlust des Namens und das Anbiedern der Vereinsführung an eine andere Fanszene ein Schock. Wieder schrieben sie einen Offenen Brief und zogen zur Übergabe an den Präsidenten (und Eigentümer) Aleksandr Onishhenko am gestrigen Freitag, dem 21. Juni, vor die Geschäftsstelle des Vereins. In der Erklärung betonen die Fans, daß es keinerlei Beziehungen zwischen den Vereinen gab und gibt. Trotz der wechselnden Eigentümer*innen – zuerst eine Kiever Fabrik, dann die Übernahme durch die städtische Verwaltung sowie schließlich die Privatisierung des Klubs – war der Name Arsenal immer die Konstante. Außerdem entstand unter diesem Namen eine Kinder- und Jugendsportschule, auf der neue Spieler*innen ausgebildet und Talente gefördert werden. Außerdem heben die Fans hervor, daß für sie der Name wichtiger ist, als die Liga in welcher der Verein spielt. Sie unterstreichen und bedanken sich dafür, daß Onishhenko zu Beginn des Jahres 2013 schon einmal den Klub gerettet hat und so der Name Arsenal nicht verschwand. Ein weiterer Punkt, warum die antirassistischen und antifaschistischen Fans an Arsenal Kiev festhalten, ist, weil die CSKA Fanszene von Nazis und rechtsoffenen Anhänger*innen dominiert wird. Diese in die Kurve zu lassen bedeutet Konflikte zu provozieren und eine der wenigen progressiven osteuropäischen Fanszenen zu gefährden. Deshalb appellieren sie an ihn erneut den Namen nicht aufzugeben und ihn beizubehalten.

 

Geschichte von Arsenal und CSKA Kiev

Die Geschichte von Arsenal Kiev beginnt 1925. Der Verein entstand an der Kiever Waffenfabrik „Arsenal“ und spielte erfolgreich in den verschiedenen sowjetischen Ligen bis er 1964 aufgelöst wurde. Der Verein CSKA wurde 1934 als Militärklub in der ehemaligen ukrainischen Hauptstadt Kharkov als UVO – Ukrainisch Militärische Abteilung – gegründet. Bis 1960 wurde der Verein oft umbenannt bis er seinen endgültigen Namen SKA Kiev (Armeesportklub Kiev) erhielt, den er bis 1992 – bis auf eine kurze Umbenennung 1972 bis 1976 – beibehielt. Von 1992 bis 1996 folgten weitere Umbenennungen. Lediglich von 1996 bis zur endgültigen Auflösung des Klubs 2009 nannte sich der Armeeklub CSKA.

Wichtig und die Rechtfertigung für die Umbenennung von Arsenal Kiev in CSKA ist die Neugründung des 1964 aufgelösten Vereins im Jahr 2001. CSKA Kiev war zu diesem Zeitpunkt finanziell angeschlagen. Die Stadt Kiev wünschte sich als eigenes städtisches Aushängeschild unabhängig vom Armeeverein CSKA und Dynamo einen eigenen Fußballklub. So wurde Arsenal Kiev 2001 als  städtischer Verein wieder zum Leben erweckt. Der neugegründete Klub übernahm als „erste Mensch*schaft“ von CSKA die Lizenz für die Höchste Spielklasse. CSKA selbst spielte als selbstständiger Vereins in den unteren Ligen. So stieg Arsenal schnell in die Fußballelite auf, ohne jedoch jemals in die CSKA Strukturen integriert worden zu sein. Das heißt, daß Arsenal hat bis heute kein eigenes Trainingsgelände und kein Stadion. Auf der anderen Seite konnte der CSKA durch diesen Trick zumindest bis 2009 überleben und weiter am Spielbetrieb teilnehmen.

 

Arsenal ist nicht CSKA!

Also noch einmal, Arsenal und CSKA Kiev waren und sind zwei völlig unabhängige Vereine. Die Fans des 2009 aufgelösten Armeeklubs haben dies in Erklärungen auch mehrfach betont und in ihrer Kampagne zur Rettung / Neugründung von CSKA auf einen eigenständige Verein in Abgrenzung zu Arsenal bestanden. Da diese Kampagne allerdings nicht erfolgreich ist, greifen die Nazis nun offenbar nach jedem Strohhalm. Die „Übernahme“ von Arsenal scheint nach vier Jahren nun doch, egal wie oft sie sich davon distanziert haben und wie abwegig ein solches Vorhaben ist, eine Option zu sein. Sie schrieben Aleksandr Onishhenko einen Brief und erläuterten ihre absurden Vorstellungen. Aber, anstatt diese Träume dorthin zu befördern, wo sie hingehören, nämlich in den Müll, scheint der neue Eigentümer von Arsenal diesen Ideen gegenüber aufgeschlossen zu sein und eine Umbenennung ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Somit ist erneut eine einzigartige antirassistische und antifaschistische Fanszene gefährdet. Angesichts der offenbar schon fortgeschrittenen Entscheidungsprozesses in der Vereinsführung von Arsenal Kiev ist es wichtig schnell zu intervenieren. Die aktiven Fans aus Kiev bitten uns deshalb um Unterstützung. Schickt einfach eine e-Mail oder ein Fax an den Verein und fordert die Umbenennung von Arsenal Kiev zu überdenken.

Hier ist ein möglicher Text:

Save Arsenal Kiev! Keep the historical name!

We were quite surprised as we were noticed about the forthcoming changes. In some sense we were irritated, that Arsenal Kiev should become CSKA.

We would like to protest against rebranding of the team, which is well known not only in Ukraine, but also in Europe. We’d like to ask the president of the club to prevent that process and keep the famous name of Arsenal Kiev! Arsenal should stay alive!

Best regards from… !

Schickt die Nachricht an:

e-mail: fcak.press@gmail.com
fax: +38 (044) 246-45-05

Wir hoffen, daß wir gemeinsam den Namen Arsenal Kiev erhalten können!

Antiracist Fans standing together!

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