Wat’n Theater XI – Freundschaft!

FI99-USP-boot_480px

Vor Jahren, da wußte ich nich, was Freundschaft is. Da dachte ich, daß diese*r ominöse Freundschaft ein grummeliger Gruß is, eine möglichst tief dahingebrummte, mehr an sich selbst als an andere gemeinte Antwort aufm Fahnenappell zu besonderen Anläßen. Nur die Älteren, die Großen, die fast schon Erwachsenen durften lässig ihre Blauhemden raushängen lassen. Nix Halstuch. Nix Nicki. Nietenhose und blaue Hemden – das war das große Ziel. Und als ich endlich auch das Freundschaft brummen durfte, was aber wahrscheinlich eher ein klägliches Krächzen war, kam schon die Wende. So schnell, wie das blaue gegen das rote Tuch und schließlich mit dem Hemd getauscht wurde, konnt ich gar nich kucken. Zack! Da wars schon soweit. Und die DDR am Ende. Dabei hatte ich mich echt so sehr darauf gefreut. Naja.

Mir fällt das aus verschiedenen Gründen wieder ein. Einmal hab ich in letzter Zeit viel zu viele Dokus über die FDJ, die DDR, die Monate andauernden Fluchtbewegungen von Osten nach Westen, bei denen Tausende weißer, vermeintlich „blutsverwandter“ oder zumindest „kulturähnlicher“ Menschen – heute würden die politisch Korrekten diese Leute Kartoffeln nennen – diese gehypten Montagsdemos… gesehen. Irgendwie, so scheint es zumindest heute, warn damals alle dabei. Der olle Bundespastor, der seit den 80ern in der Spitze der Evangelischen Kirche engagiert war und deren Mitarbeiter*innen bekanntlich äußerst emsige Dienstzuträger*innen waren. Die – ich traus mir fast nich zu schreiben, ohne daß ich jetzt schon Angst hab, daß ich gleich kotze… Also Augen und Mund zu und durch: Die Bundesmutti Angela Dorothea Merkel will auch ne ganz große Dissidentin gewesen sein. Dabei war sie eine Opportunist*in und an Privilegien interessierte Emporkriecher*in, die auch nicht davor zurückschreckte, sich als Agitator*in und Propagandist*in für den Sozialismus zu betätigen. Warum pöbeln die Antikommunist*innen Lengsfeld und Co. eigentlich nicht gegen diese erstaunliche Karrierist*in? Aber ich schweife ab…

Ich war bei dieser Wende, die wirklich eine wahnsinnsspannende Zeit war. Und was da überall diskutiert wurde. Vor allem im Sommer ’89 gings in den Fabriken, den Instituten, in den Basisgruppen der Partei richtig zur Sache. Und ich sollte in der Zeit in die Erweiterte Oberschule, die EOS, kommen. Kam ich auch. Und so wurde ich in diesem historischen Jahr FDJler und Schüler an der EOS „Wladimir Illitsch Lenin“ in Königs Wusterhausen. So hieß die Schule wirklich. Zwar nur für ein paar Monate, aber immerhin. Die FDJ hab ich übrigens schnell verlassen und wollte in eine noch viel krassere Organisation. Ich hab leider keine Ahnung mehr, wie die hieß. Aber die fand ich zu langweilig. Die haben die ganze Zeit nur geredet und geredet. Ich hab kaum ein Wort verstanden. Zu saufen gabs auch nix. Und irgendwie waren die alle viel zu alt für mich. Obwohl ich ja schon FDJler gewesen bin… Aber jut.

Das warn die alten Zeiten, als es echt nicht besser war. Es war spannend. Und vor allem gings echt performativ ab. Diese Fahnenappelle zu Beginn des Schuljahrs und in der Mitte. Das kollektive Singen komplizierter Lieder über Trompeten, Fahnen, Blut, Vaterlandsverteidigung und anderes krasses Zeug war echt beeindruckend. So richtig erinnere ich mich nicht, ob wir gut warn. Aber laut isses auf jeden Fall zu gegangen. Komischerweise haben wir nur vom Fahnenwedeln gesungen. Wirklich in Aktion getreten sind wir selten. Eigentlich schade. Aber vielleicht wars ja auch ganz gut so. Und Kostüme hatten wir auch tolle – weißes Hemdchen, Tüchlein um Hals und Käppi auf. Dann noch zackig den Pfadfinder-Gruß „Immer bereit“ aufn Lippen. Tja, das hatte was. Aber gegen das gebrummte „Freundschaft“ kam die Kinderperformance selbstverständlich nich an.

Aber zumindest wußte ich schon vor Jahren, daß Freundschaft auch was mit performativer Darstellung zu tun hat. Das heißt, kleine Gesten, liebevoll eingepackte Geschenke, die zugleich Spannung und Überraschung inszenieren. Oder der ganz große Auftritt, mit Tusch und so, das ganz große Tadaaaa, oder Bäääämmm, das gehört auch zur Freundschaft. Und das vergangene Wochenende hat mich und, da bin ich mir ganz sicher, ganz vielen anderen einfach nur die Sprache verschlagen. Das war ein Crescendo zwischen Erstaunen, Freude, Nichtfassenwollen, purem Glück, Liebe, unfaßbar… Ich glaube, viele mußten sich ständig vergewissern, ob das wirklich echt war, was da vor einem steht. Dieser Trabbi, der so unglaublich schön daher gerollt kam, und so viele Stunden gekostet haben muß. Dieses Boot, das auf der Großbeerenstraße für Verkehrsbeeinträchtigungen gesorgt hat… Diese Apotheose der Freundschaft hielt Stunden an und dieser Zustand is noch nicht vorbei.

Ich sag euch: Das is eine Wahnsinnsfreundschaft! Das ist kein Drama! Das ist ein Epos! Und ich möchte alle, die für diese krassen Emotionen verantwortlich sind, also alle, die das vergangene Wochenende so unvergeßlich gemacht haben, die will ich, würde es gehn, umarmen! Und jetzt alle: Hurray! Hurray! Hurray! Ohne Halstücher, FDJ uns so. Und nochmal: Hurray! Hurray! Hurray! Auf die Freundschaft!

Dieser Text wurde zuerst im Ultra Unfug #204 veröffentlicht. Als Bild war dort der Trabi zu finden. Ich habe mal das Boot zum Aufhänger gemacht.

Schlagworte: , ,

Kommentieren ist momentan nicht möglich.