Ultrà senza uomini – St. Pauli Femminile verabschieden Macker und Machos
Die weiblichen Mitglieder*innen der Ultràs St. Pauli haben sich offenbar der Männer der Gruppe entledigt und bestreiten den support der Mannschaft vom Millerntor ohne sie. Mit ihrer Aktion machen sie sowohl auf die Veränderung des Veständnisses von ultrà als einer neuen Art Popkultur aufmerksam und thematisieren offensiv Sexismus in der Szene. Hier die Erklärung der Ultrà St. Pauli Femminile.
Nach langen Diskussionen haben wir, die weiblichen Mitglieder
der Gruppe Ultra‘ Sankt Pauli, beschlossen, uns zur Rückrunde der
Männer unserer Gruppe zu entledigen.Seit Jahren lastet die gesamte Arbeit, die USP zu der Gruppe macht, die
sie ist, allein auf unseren Schultern. Da wir es leid sind, den Ertrag
unserer Arbeit in diesem sexistischen Feld Fußball, nur von Männern
repräsentiert zu sehen, haben wir uns entschieden, zu drastischen
Mittel zu greifen und in einer flashmobartigen Aktion die männlichen
Mitglieder gewaltsam zum Gruppenaustritt zu zwingen.Lange Jahre haben wir uns für ein gleichberechtigtes Miteinander
ausgesprochen und eingesetzt und vertreten auch nach wie vor die
Position, dass die Liebe, die uns mit dem FC Sankt Pauli verbindet,
über Geschlechtergrenzen hinausgeht, doch seit einiger Zeit können wir
unsere Augen nicht mehr vor den Tatsachen verschließen.Den männlichen Mitgliedern unserer Gruppe mangelt es zu großen Teilen
so grundlegend an dem von uns gelebten Verständnis von Ultra‘, dass es
für uns nicht mehr tragbar erschien, sie in unserer Gruppe zu dulden.Die zunehmenden Verschiebungen der Prioritäten, weg von fußball- und ultra’-relevanten Themen, hin zu einem popkulturartigen Ultra‘-als-Hobby– Habitus, wurden für uns unerträglich.
Ständig wiederkehrende Konflikte zwischen Gruppenmitgliedern
aufgrund von lächerlichen Beziehungsproblemen und die "Unbeständigkeit"
einiger Männer in unseren Reihen, die anscheinend nur in unserer Gruppe
aktiv sein wollten um Frauen kennenzulernen, brachten das Fass
schließlich zum Überlaufen.Wir lassen uns nicht mehr von zeitaufwändigen Schwanzvergleichen in
unserer Gruppenentwicklung bremsen und sehen nach endlosen, ertraglosen
Debatten unsere Ideale in so großem Maße geringschätzt und durch den
Dreck gezogen, dass wir die einzig bleibende Konsequenz gezogen haben-
den gewaltvollen Ausschluss.Ultra‘ Sankt Pauli, Januar 2010
Kein Schritt zurück!
Die Gazzetta d’Ultrà ist offenbar immer noch in der Hand von Männern.
Die Berichterstattung geht nur marginal auf die antisexistische Aktion
der weiblichen St. Paulianer*innen ein. Der Blog des Zines weist
ironisch weinerlich lediglich unter der Überschrift voll gemein auf die
Aktion hin.
Ich hoffe, diese Intervention weiblicher ultràs in St- Pauli stößt eine
antisexistische Debatte innerhalb der linken ultrà Bewegung an. Die ist
längst überfällig. Während in Antirassismus und Xenophobie
weitestgehend erfolgreich aus aktiven Kurven verbannt werden konnte,
sind Homophobie und Sexismus ein ständiger Begleiter der vor allem
männlichen Ultràs. Aggressives Mackergehabe und Machoallüren haben
allerdings wenig mit emanzipativen Fanaktivitäten zu tun.
Invasionsphantasien und die Herrschaft über das eigenen oder fremde
Stadion gehören für mich ebenfalls nicht zum ultrà-Selbstverständnis.
und ein gleichberechtigtes Miteinander jenseits von Geschlechtergrenzen
erinnert mich an einen historischen Text der italienischen
ultrà-Bewegung, die Mr. Altravita im vergangenen Jahr ausgegraben und
übersetzt hatte.
WIR SIND DAS UNRECHT!
Unser Unrecht ist, Freunde zu sein und vor allem Kamerad*innen in
diesem Abenteuer, unser Unrecht ist, etwas zu lieben, das unsere
Gefühle nicht erwidert, unser Unrecht ist, zu teilen, unser Unrecht
ist, etwas zu schaffen, unser Unrecht ist, Widerstand zu leisten, unser
Unrecht ist, es herauszuschreien, unser Unrecht ist, etwas zu tun, ohne
auf eine Gegenleistung hoffen zu dürfen, unser Unrecht ist, zu
versuchen zu leben… und dies ist für unsere Gesellschaft eine
unauslöschliche Schande!