Fußballfans sind alle Verbrecher! Gegen Leidenschaft im Stadion!
Unter dem Vorwand sich gegen Gewalt und Chaoten im Stadion zu engagieren, forcieren die Deutsche Fußballliga (DFL) und die Lizenzvereine massive Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen. Hierbei arbeiten die Vereine zunehmend mit den Sicherheitsbehörden gegen die eigenen und anreisende Fans zusammen und akzeptieren pauschal kriminalisierende Absprachen, die beinah jede*n Besucher*in von Fußballspielen betreffen. Von der Repression und der Überwachung nicht betroffen ist das zahlungskräftige Prestige-Klientel. Die engagierten und aktiven Ultràs und andere Fans aber werden offen ausgeschlossen.
Am Montag meldete sich nun auch die vermeintlich investigative Sportpresse bei sport inside zum Thema Gewalt im Stadion. Der Beitrag war nicht nur schlecht recherchiert und tendenziös – was im Grunde nicht schlimm ist – sondern verknüpfte verschiedene Phänomene, wiederholte unkritisch Positionen der DFL und der Sicherheitsbehörden und – was allerdings schlimm ist – erwähnte bewußt wichtige Details im Diskurs um vermeintliche Fangewalt im Stadion nicht.
Zum einen werden die Fanausschreitungen im Berliner Olympiastadion von einigen weinigen Herthaner*innen herangezogen, um eine vermeintliche gesteigerte Aggressivität gegen die eigene Mannschaft, Ordner*innen und Sicherheitskräfte zu konstruieren. Verschwiegen wird, daß der Platzsturm nach Abpfiff passierte, nachdem die Kurve über 90 Minuten ihre Mannschaft tatkräftig unterstützt hatte und diese sich den eigenen Fans entzog. Des Weiteren wird nicht erwähnt, daß vor allem Dinge – nämlich Werbebanner und die Ersatzbank – dran glauben mußten.
Die Reaktion des Vereins Hertha BSC und die unmittelbare Distanzierung von der emotionalen Überreaktion einen geringen Teils der Fans, spricht Bände über die Distanz zwischen den Vereinsoffiziellen und den eigenen Fans. Bei den Auseinandersetzungen in Rostock reagierte der Verein völlig anders und sprach mit den enttäuschten Fans. Eine Distanzierung fand nicht statt. Hertha hat so etwas nicht nötig. Der Verein spricht lieber Massenstadionverbote aus und kriecht devot unter die repressive Decke der DFL.
Was das bedeutet, bewiesen die Strafe gegen den 1. FC Köln und die Beschränkungen beim Spiel des FC St. Pauli gegen Hansa Rostock. Köln wurde dazu verurteilt ohne Fans nach Hoffenheim zu fahren. Die Kölner*nnen werden kollektiv ausgeschlossen. Weder Sitz- noch Stehplätze wurden ihnen gewährt. Außerdem muß der Verein eine Strafe von 30.000 Euro an die DFL plus Schadenersatz in Höhe des zustehenden Kartenkontingents an 1899 Hoffenheim zahlen. Das Vergehen für diese historische Bestrafung eines Vereins und seiner Fans war, daß im „Kölner Zuschauer-Block unter anderem pyrotechnische Gegenstände wie Knallkörper oder Bengalische Feuer gezündet“ wurden. gegen Hansa Rostock offenbart.
Das heißt nichts anderes, als daß für die DFL Gewalt, Aggression, Ausschreitungen und der Einsatz von Pyrotechnik grundsätzlich gemeinsam zu betrachten sind und verboten gehört. Die investigativen Sportjournalist*innen von sport inside übernehmen diese Position und verknüpfen sie dämmlich mit der aktuellen Kampagne Pyrotechnik ist kein Verbrechen von Fans, Spieler*innen und Vereinen in Österreich. Als Beispiel ziehen sie die Verletzung des ehemaligen Torwarts Georg Koch heran, der durch einen selbstgebauten Böller schwer verletzt wurde. Der Kommentar zur Kampagne ist nicht nur tendenziös, sondern stigmatisierend und staatsaffirmativ. Das Gesetze, wie das Verfassungsgericht in den vergangenen Jahren mehrfach bewiesen hat, nicht immer „wahr“ sind, fällt den Autor*innen dabei nicht ein.
Sehr viel unreflektierter und nur durch eine mangelhafte Recherche erklärbar ist aber, daß sport inside verschweigt, daß sich die österreichische Kampagne ausdrücklich gegen Böller und Kracher ausspricht und das Werfen von Fackeln oder sonstigen pyrotechnische Gegenstände auf die Laufbahn oder das Spielfeld ablehnt. Aber diese differenzierte Betrachtung des Protestes gegen das Verbot von Pyrotechnik im Stadion würde minimal selbstständig denkende Journalist*innen brauchen. Bei dem Beitrag über Fangewalt müssen diese aber im Urlaub gewesen sein.
Die Stoßrichtung der Autor*innen ist unmißverständlich. Es wird wider besseren Wissens mit einem absurden Wahrheits- und Tatsachenanspruch behauptet, daß sich die Fanszene zunehmend radikalisiert. Damit soll die Repression und Kriminalisierung von Fußballfans offensiv legitimiert werden. Die Autor*innen bleiben lieber auf Seiten der DFL und der Sicherheitsbehörden und machen sich so zum Propagandainstrument einer repressiven Politik gegen alle Fußballfans.