Gegen Homophobie und Diskriminierung!
Die Herabwürdigung und Stigmatisierung von Menschen auf Grund ihres Geschlechts, der Sexualität, der vermeintlich falschen Nationalität oder Hautfarbe aber auch der falschen Vereinsfarben ist in den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen selbstverständlich. Rassismus und sozialer Chauvinismus feiern vor allem in den bürgerlichen Eliten rauschende Feste. Da werden Menschen, wie es Sarrazin in seinem patriotischem Bestseller vormacht, nach ökonomischer Verwertbarkeit und vermeintlich Intelligenz eingeteilt und die Unnützen schon mal diskursiv vorsorglich in die soziale Bedeutungslosigkeit abgeschoben. Wer die richtige Ethnie zu haben scheint, ist aber längst noch nicht aus dem Schneider. Patriachal und heteronormativ wird das als stärker verklärte Geschlecht und die vermeintlich biologisch „normale“ Sexualität hervorgehoben.
Die deutsche Hauptstadt leistet sich zwar einen schwulen Bürgermeister und der deutsche Staat schickt einen schwulen Außenminister auch in muslimische Länder, dennoch ist das Attribut „schwul“ und die Beschimpfung „Schwuchtel“ eine übliche Beleidigung. Homophobie ist ein Phänomen sämtlicher gesellschaftlicher und sozialer Gruppen. Insbesondere in den Stadien allerdings, wo harte Männer – trotz erfolgreicher Frauen-WM im eigenen Land – sich athletisch und kämpferisch messen, darf es Schwäche und Leichtigkeit keinesfalls geben. Schwule Spieler*innen gibt es nicht. Und wenn doch will keine*r davon wissen. Zum einen ist deshalb bis heute Homosexualität im Fußball immer noch Tabu und die homophobe Beschimpfung die ultimative Beleidigung.
Um auf die sexuelle Diskriminierung aufmerksam zu machen, gibt es seit einigen Jahren zahlreiche Projekte. Einige Kurven, wie zum Beispiel die von Bayern München oder Werder Bremen, haben mit spektakulären Choreographien und Projekten auf Sexismus und Homophobie aufmerksam gemacht. Die Wanderausstellung des Bündnis Aktiver Fußballfans (B.A.F.F.), die erstmals 2002 auf Tour ging und zur Zeit in seiner zweiten aktualisierten Version auf Reisen ist, hat für die Wahrnehmung von Diskriminierungen im Stadion einiges geleistet. In Berlin findet seit 2006 das Sportturnier Respect Gaymes statt, das vom Berliner Lesben und Schwulen Verband Deutschlands (LSVD) organisiert wird und an dem sich Fußballvereine, Amateurklubs oder engagierte Einzelpersonen beteiligen.
In diesem Jahr stellten die Aktiven Fans von Tennis Borussia bei den sechsten Respect Gaymes die Initiative „Fußballfans gegen Homophobie“ vor. In Zusammenarbeit mit dem LSVD wurde ein Transparent gemalt und geht auf die Reise durch die Kurven. Nachdem die Veilchen Fans schon im Rahmen von Soccer Sound ein Projekt gegen homophobe Fan-Gesänge initiierten und es ihnen zu verdanken ist, daß die Ausstellung Tatort Stadion #2 in Berlin zu sehen war, geht „Fußballfans gegen Homophobie“ direkt in die Kurve. Wir sprachen mit Jens, einem der Organisator*innen des Projekts, über Tennis Borussia, Fußball, Diskriminierung und Emanzipation.
Homophobie und Tennis Borussia
Wie kommt es, daß sich der Verein Tennis Borussia und seine Fans immer wieder an Initiativen und Veranstaltungen zu Homophobie und gegen Diskriminierung beteiligen?
Also, historisch betrachtet war das erstmal eine Reaktion auf die homophoben Sprüche, die sich die Tebe-Fans anhören mussten und immer noch müssen in vielen anderen Stadien. Und die Sprüche kommen vermutlich daher, daß unsere Trikotfarben Lila-Weiß sind und vielleicht noch daher, daß die Tebe-Fanszene als links eingestuft wird. Die Sprüche wurden aber im Tebe-Block immer mit Humor genommen und entsprechend gekontert. 1999 gab es dann eine so genannte Fummelfahrt nach Cottbus. Das heißt, daß auf der Fahrt von den Tebe-Fans ordentlich Cross Dressing betrieben wurde. Und die Reaktionen von den Cottbusern da drauf waren sehr heftig. Da hat man gemerkt, daß es immer noch bei vielen reicht, ein wenig an den eingeübten Geschlechterbildern zu kratzen, um die unschönen Realitäten zum Vorschein zu bringen. Das Ganze hatte aber auch einen, sagen wir mal, empowernden Aspekt. Im Nachgang zu der Fahrt hat ein Tebe-Fan sich zu seinem Coming Out entschieden. Hier hat lustigerweise ausgerechnet der Fußball dazu beigetragen, daß sich ein Mensch offen zu seiner Homosexualität bekennt. Ich würde sagen, daß seit dieser ganzen Sache der Kampf gegen Homophobie ein wichtiger Bestandteil des Selbstverständnisses der Tebe-Fanszene ist.
Wir haben auf unserem Blog immer wieder über homophobe Gesänge bei Spielen von Tennis Borussia berichtet. Die Verbindung von Lila und „schwul“ scheint für einige Gastgeber oder Gäste offenbar zu verführerisch zu sein, um die eigene widerlichen Homophobie freien Lauf zu lassen. Kennst du irgend eine Erklärung, einmal davon abgesehen, daß diese Leute keine brauchen, die für eine derartige Zuschreibung herhalten muß?
Das ist selbstverständlich schwer, das zu beantworten. Aber mein Tipp geht in die Richtung, daß Lila als eine irgendwie weibliche beziehungsweise, um’s mal in der Sprache dieser Leute zu sagen, „weibische“ Farbe wahr genommen wird. Zum Vergleich kann man sich ja mal die Diskussion um die rosafarbenen Auswärtstrikots, die der VfL Bochum mal hatte, anschauen. Die Farben stehen eben nicht für Härte und Männlichkeit und so einen Scheiß. Diese Dinge haben aber bei Fußballfans immer noch eine riesige Bedeutung und von diesem sexistischen Denken her kommt dann auch die Assoziation Homosexualität.
Ich habe den Eindruck, daß in den unteren Ligen homophobe Gesänge auch aufgrund der niedrigeren Besucher*innenzahl akzeptierter und lautstärker zu sein scheinen, als in den oberen Ligen. Bei rassistischen und antisemitischen Chören sieht es ähnlich aus. Was allerdings nicht heißt, daß die Kurven in den Profiligen aufgeschlossener sind. Nur sind viele eben lauter. Wie würdest du aus der eigenen Erfahrung die Situation in den unteren Ligen einschätzen?
Naja, wir sind ja nun leider in einer Liga angekommen, in der es kaum Fans gibt. Da gehen die Sprüche dann vielleicht eher von den Teams und seltener von den sowieso wenigen Zuschauern der gegnerischen Vereine am Spielfeldrand aus. Aber generell würde ich deiner Einschätzung zustimmen: In den unteren Ligen ist das ein größeres Problem oder zumindest sind Homophobie, Rassismus und Antisemitismus noch nicht so tabuisiert wie in den Profi-Stadien. Andererseits ist eben auch im Profi-Bereich nicht alles Gold, was glänzt. Das kann man ja an Roman Weidenfeller und seinen homophoben Ausfällen studieren, die ja selbst bis in die linke Presse hinein bloß als verständliche Reaktion auf seine Nicht-Nominierung durch Jogi Löw gesehen werden.
Der Verein Tennis Borussia ist nach zwei Insolvenzen in wenigen Jahren in der letzten Saison aus der Oberliga in die Berlin-Liga abgestiegen. Ein Derby gegen die Stadtrivalen BFC Dynamo und Union Berlin wird es zumindest in dieser Saison nicht geben. Wie sind die Erlebnisse bei den ersten Saison-Spielen bezüglich diskriminierender Fangesänge?
Wie gesagt, in der Berlin-Liga haben wir die mit Abstand meisten Fans und quasi 38 Heimspiele. In den ersten Spielen habe ich bisher noch keine krassen Sachen mit erleben müssen. Bisher war alles recht easy. Aber ich bin ja mal gespannt, was zum Beispiel bei Lichtenberg 47 sein wird. Da wird ja auch die eine oder andere Biffze am Rand stehen. Interessant wird’s auch bei der VSG Altglienicke, deren Zuschauer vor einigen Jahren mit übelsten antisemitischen und rassistischen Beschimpfungen bei einem Spiel gegen Makkabi aufgefallen sind. In letzter Zeit ist da wohl nix mehr vorgefallen, aber mal schauen.
Die Fans von Tennis Borussia reagieren auf homophobe Gesänge gerne mit ironischen Liebeserklärungen. Ein Riesen-Dödel gehört bei Spielen gegen den Nazi-Verein BFC Dynamo beinah schon zum traditionellen Repertoire. Könntest du bitte beschreiben, was die auch selbstironische Identität der TeBe Fans ausmacht und wie sie sich in der Kurve äußert?
Identität, großes Wort. Aber du hast natürlich Recht, Fußballfan-Sein ist eine identitäre Angelegenheit. Das Problem ist, daß das – und da ich selbst noch einen Zweitverein habe, kann ich das auch ganz selbstbewusst sagen – bei vielen anderen Fanszenen offenbar vollkommen ungebrochen ist. Die nehmen sich selbst ganz häufig bierernst. Da ist bei vielen – natürlich nicht bei allen – Szenen nicht einmal der Moment da, wo man sich auch mal von außen betrachtet und über sich selbst lacht. Und das Lustige ist, daß es dabei häufig um solche Nichtigkeiten geht wie Revierkämpfchen: Ultra-Gruppe A hat im Territorium von Ultra-Gruppe B gesprüht, das muss gesühnt werden! Bei Tebe gibt es diese Ironie, diesen Blick von Außen, diesen Bruch. Zum Beispiel wenn man sich über die im Vergleich zu anderen, größeren Szenen geringe Zahl an eigenen Fans amüsiert. Wenn es diese Ironie nicht gäbe, wäre ich selbst wohl auch nicht bei Tebe hängen geblieben. Interessant ist übrigens, daß es von dieser Haltung oft gar nicht viel braucht, um gegnerische Fans völlig aus dem Konzept zu bringen. Wenn die Tebe-Fans in den als Schmähung gemeinten Gesang „Lila-Weiß ist schwul“ einstimmen, dann reicht das oft aus, um die anderen zum Verstummen zu bringen. Und das obwohl wir das seit Jahr und Tag machen und es mittlerweile bekannt sein müsste. Die Selbstbezichtigung, schwul zu sein, ist so unvorstellbar für viele Leute, daß sie das gar nicht mehr einordnen können. Womit wir wieder bei der Homophobie wären. Interessant finde ich nämlich, daß häufig gerade von diesen Leuten, die Kritik daran, „schwul“ als Schimpfwort zu benutzen, als humorlos bezeichnet wird. Wenn’s an die wirklich wichtigen Dinge geht, nämlich zum Beispiel über die eigenen homophoben Vorstellungen nachzudenken, dann wird plötzlich wieder der Humor ganz wichtig.
Die Aktion
Und wo wir schon mal bei Fan-Aktivitäten sind. Die Initiative für „Fußballfans gegen Homophobie“ ist ein Projekt der Abteilung Aktive Fans von Tennis Borussia und dem Berliner LSVD. Wie kam es dazu ein eigenes Transparent der Fans auf Reisen schicken zu wollen – schließlich gab es im Rahmen von Soccer Sound schon das Banner mit der Aufschrift „Fußball ohne Ausgrenzung – für Respekt und Toleranz“?
Es geht darum, daß Fanszenen und -gruppen diese Aktion selbst tragen. Also, sagen wir mal, es geht um den Beteiligungsaspekt. Und es geht eben darum, herauszustellen, daß es sich um eine Aktion von Fans handelt, nicht um eine von Verbänden oder Ähnlichem. Wir wollen damit zeigen, daß es auch in den Fußballstadien viele Menschen gibt, die sich der Problematik Homophobie bewusst sind und die sich solidarisch mit von Diskriminierung Betroffenen zeigen. Die Idee entstand im Rahmen der Zusammenarbeit von LSVD und TBAF, also den aktiven Fans von Tennis Borussia. Wir wollten mit der Aktion aber über diesen Rahmen hinaus gehen. Und es ging auch darum – auch wenn das jetzt etwas doof klingt vielleicht – nicht oder nicht nur die bekannten schwulen Fanclubs wie Hertha Junxx oder Meenzelmänner anzusprechen, sondern Gruppen, die nicht explizit LGBT sind, die aber eben zeigen wollen, daß sie Homophobie nicht akzeptieren.
Und Apropos, wo hängt das Banner des LSVD und des Vereins Tennis Borussia jetzt eigentlich?
Gerade war es beim luxemburgischen Rekordmeister Jeunesse Esch und als nächstes wird es beim HSV zu sehen sein.
Was ist eigentlich das Ziel der Aktion und was wünscht ihr euch, was sich verändert?
Eine Welt ohne Homophobie? Naja, das ist dann wohl eher das langfristige Ziel. Kurzfristig geht es um die Aktivierung der Fußballfans, die das Problem als solches erkennen und bekämpfen wollen und darum, daß auch andere Fußballfans erkennen, daß Homophobie immer noch ein Problem ist, gerade im Fußball und besonders da, wo er von Männern ausgeübt wird. Und daß man sich dagegen engagieren kann. Mittelfristig wäre es toll, wenn im Fußball nicht mehr eine solche Atmosphäre herrscht, daß sich Fußballer nicht trauen, ihre Homosexualität offen zu leben.
Auffällig ist, daß ihr mit einem selbstgemachten Banner als Form für eure Aktion ein klassisches Ausdrucksmittel der Ultrà-Kultur gewählt habt. Das Kurvenbanner ist bei Ultras bis heute neben Fahnen, Doppelhaltern und Pyrotechnik eines der wichtigsten Tifo-Utensilien, die sowohl die Gruppenidentität kennzeichnet aber auch für den eigenen kreativen Anspruch steht. Zum Teil geht die Identifikation mit dem Gruppentranspi soweit, daß die Vorstellung besteht, sich auflösen zu müssen, wenn es geklaut wird. Eine Übergabe von Freundschaftsbannern oder anderer gemeinsamer Transparente hat deshalb beinah schon einen religiös rituellen Charakter. War euch diese Bedeutung bei der Entscheidung für ein Transparent bewußt? War es Entscheidung zur Ultrà-Mentalität oder eher ein Mittel um in die Fankurve zu wirken?
Mir ist jetzt nicht ganz klar, was du mit Entscheidung zur Ultra-Mentalität meinst, aber natürlich geht es darum, ein dem Fußball-Fandom angemessenes Mittel zu wählen. Fußball-Support ist ganz viel Ritual, klar, und das Banner ist tatsächlich ein bisschen der rituelle Mittelpunkt der Ultra-Kultur. Wobei er auch bei Fans, die sich nicht als Ultras begreifen, eine große Rolle spielt. Beim Wanderbanner geht es aber auch darum, daß die Grenzen, die zwischen verschiedenen Vereinen und Fanszenen gezogen werden, bei diesem speziellen Anliegen mal keine Rolle spielen. Deswegen geben dann auch diejenigen Gruppen das Banner weiter, die es in ihrem Stadion präsentiert haben. Er wird ja nicht zentral versandt, sondern wandert wirklich weiter. Diese ganz Aktion hat natürlich etwas Religiöses, oder ich würde eher sagen Rituelles. Aber das hat Symbolpolitik immer, auch außerhalb des Stadions.
Die ersten (italienischen) Ultras kamen aus der außerparlamentarischen Linken und brachten ihre Ausdrucksmittel, wie Megafone, Transparente und Gesänge, von den Kundgebungen, Demonstrationen und den Streiks in die Kurven. Bei euch sieht es ironischerweise ähnlich aus. Nachdem das Banner bei den Respect Gaymes vorgestellt wurde, war es zunächst das Fronttransparent des Berliner LSVD (Sport-) Blocks bei der diesjährigen Christopher Street Day Parade. Wie paßt das zusammen?
Ganz gut, eigentlich. Im Ernst, ich sehe da irgendwie gar nichts groß Diskussionswürdiges. Beim CSD sollte das Banner einer großen Öffentlichkeit außerhalb des Fußballs präsentiert werden und auch innerhalb der LGBT-Community bekannt gemacht werden. Das gehört nämlich, auch wenn die eigentliche Zielgruppe eine andere ist, schon auch dazu. Da jetzt irgendwie historische oder ideelle Verbindungen zur Entstehung der Ultras zu ziehen, finde ich ein wenig hoch gegriffen. Ich finde das nicht mal eine besondere ironische Wendung der Geschichte oder so.
Warum wart ihr eigentlich nur beim „offiziellen“ CSD und nicht beim transgenialen CSD der alternativen Queerszene von Berlin?
Weil das Banner bei unserem Partner LSVD mitlaufen sollte. Zudem erreicht man beim CSD mehr Leute. Ansonsten gibt’s bei uns keine einheitliche Meinung zum Verhältnis CSD und tCSD. Die einen würden wohl eher in die eine Richtung, die anderen in die andere tendieren. Ich kann aber, ehrlich gesagt, dazu auch nicht viel sagen, weil ich da nicht so sehr drin stecke.
Wie muß mensch sich die Durchführung der Aktion vorstellen, kommen Einzelpersonen oder organisierte Gruppen aus den Kurven auf euch zu oder sprecht ihr sie gezielt an?
Zunächst gab es natürlich gezielte Anfragen von unserer Seite, mittlerweile läuft das aber wirklich eher von selbst und es sprechen uns die jeweiligen Gruppen an.
Sucht ihr explizit Kontakt zu, sagen wir mal problematischen, Fan-Gruppen? Mit fallen hierzu spontan in Berlin zum Beispiel die Harlekinz von Hertha BSC oder das Unioner Wuhle Syndikat ein.
Nein, zu explizit problematischen Gruppen, wo ich jetzt einfach mal, auch ohne die Vereinsbrille auf zu haben, sowohl Harlekinz als auch vor allem WS zählen würde, gibt es keinen Kontakt. Wobei es super wäre, wenn sich bei Hertha oder Union Gruppen finden würden, die das Banner im Oly [gemeint ist das Olympiastadion, in dem Hertha spielt] oder in der Alten Försterei zeigen. Natürlich wäre es gut, in die wirklich problematischen Szenen hinein wirken zu können. Ich sehe da aber irgendwie keinen echten Ansatz. Die Sticker mit dem Logo der Initiative werden zum Beispiel von WS-Leuten immer wieder überklebt, ohne daß da jetzt explizit ein Tebe-Hinweis drauf wäre. Das finde ich schon ein deutliches Zeichen. Insofern geht es, wie gesagt, zunächst um eine Stärkung derjenigen Kräfte im Stadion, die gegen Homophobie agieren möchten.
Gibt es Kontakte zu den Hertha Junx, einem der ältesten offen schwulen Fanklub in Deutschland? Arbeitet ihr vielleicht auch mit Türkiyemspor oder dem Roten Stern Nord-Ost zusammen? Kurz, gibt es Vereine oder Fanszene aus Berlin oder der näheren Umgebung, die euch bei, Projekt „Fußballfans gegen Homophobie“ unterstützen?
Zu den Hertha-Junxx hatten wir zum Beispiel bei einer Infoveranstaltung zum Thema Kontakt. Bei der Aktion dabei ist bisher nur Babelsberg 03, bekanntlich „Berlins geilster Verein“ – abgesehen von Tebe natürlich. Zu Türkiyemspor und zum Roten Stern Nordost fällt mir, ehrlich gesagt, nicht so irre viel ein. Aber wir sind natürlich aufgeschlossen.
Diskriminierung und Emanzipation
Ihr habt euch als Bannermotiv für zwei sich küssende Männer entschieden. Homophobie betrifft aber auch lesbische Frauen. Könntest du diese Entscheidung für eine Thematisierung „männlicher Homosexualität“ bitte erläutern?
Wir gehen davon aus, daß Homophobie im Männerfußball eine größere Rolle spielt als im Frauenfußball. Daher die Entscheidung für dieses Bild. Die küssenden Fußballer wurden aber auch gewählt, weil sie darstellen, wovor sich der Homophobe fürchtet. Sie sind also schon ein wenig konfrontativ gewählt. Und darüber hinaus symbolisiert das auch den Zustand, den wir uns wünschen, daß es nämlich Normalität sein kann, wenn Mitspieler knutschen.
Homophobie betrifft gerade im Fußball zunächst einmal, wie ihr auch schreibt, bestimmte Zuschreibungen, wie ein Mann zu sein hat. Hierzu gehört nicht nur, wie ein Fußball-Mann spielen soll – nämlich hart,ausdauernd und unnachgiebig – sondern offenbar auch, daß sich Fans gefälligst richtig scheiße verhalten müssen. Rummackern, schimpfen, ausrasten, saufen usw. werden als Ausnahmezustand Kurve romantisiert und gegen vermeintlich politisch-korrekte und „schwule“ Verhaltenseinschränkungen verteidigt. Ihr meint, dies hätte mit männlichen Kollektiven zu tun. Ist dies nicht auch eine Rechtfertigung, die ablenkt. Vielleicht könntest du mal genauer erläutern, was mit dem Zusammenhang zwischen Homophobie und überhöhten Männ*lichkeitsvorstellungen gemeint ist?
Schimpfen, Ausrasten und Saufen sind tatsächlich Sachen, die meiner Meinung nach zum Fußball gehören. Man könnte jetzt länger darüber philosophieren, warum es in dieser Gesellschaft solche gesellschaftlich sanktionierten und abgesteckten Bereiche für den Kontrollverlust bzw. eigentlich teilweisen Kontrollverlust gibt, oder geben muss – wozu dann aber auch der Club, in dem man die Nacht durchtanzt, gehört. Das ist dann aber eine viel weiter reichende Frage. Die Frage ist für mich also nicht, ob man schimpft, beim Torjubel durchdreht oder trinkt. Die Frage ist, ob man damit Andere einschränkt, ob man den beschissenen gesellschaftlichen Zustand völlig ungebrochen in die Kurve trägt und festigt. Die Romantisierung des „Ausnahmezustands“ Kurve, wie sie häufig stattfindet, halte ich für falsch. Und sie ist eben ein Mittel, um sich gegen Veränderungen oder gegen die Einsicht, daß das eigene Verhalten scheiße sein könnte, abzuschotten. So, im Grunde waren das ja zwei Fragen.
Jetzt zur zweiten: Inwiefern es eine Rechtfertigung sein soll, die Verbindung zwischen Männlichkeitskult und Homophobie zu ziehen, verstehe ich nicht wirklich. Wir entschuldigen das ja nicht. Ich persönlich sehe einen engen Zusammenhang zwischen Homophobie und Sexismus. Das habe ich ja schon erläutert. Der schwule Mann ist für den Homophoben „weibisch“, er steht für Schwäche, er steht für das, was der Homophobe nicht sein will, was er in sich nicht zulassen will oder kann und was er deswegen bekämpft. Und in einer Gesellschaft, in der das eigene Männlichkeitsbild dann doch nicht mehr so ungebrochen funktioniert, ist der Fußball für viele der Bereich, den es als Bastion der Männlichkeit besonders zu verteidigen gilt. Wo man gemeinsam mit den Kumpels, um mal die Jugendgruppe des Wuhle-Syndikats [gemeint ist ein Text von Teen Spirit, siehe unser Artikel dazu hier] zu zitieren, das „schwanzlose Gesindel“ draußen hält. Das ist jetzt ein bisschen Küchenpsychologie, aber ich glaube, das ist des Pudels Kern.
Wie sieht es eigentlich in der TeBe Fanszene aus. Würdest du dem Block E Genderbuntheit attestieren?
Nein, leider nicht. Der Frauenanteil ist bei uns zwar wahrscheinlich etwas höher als in vielen anderen Kurven, aber auch die Tebe-Kurve ist nicht wirklich genderbunt, wie du das nennst. Ich denke aber, daß bei uns die Hürden dafür deutlich kleiner sind.
In diesem Jahr hat sich Anton Hysèn, Fußballer beim schwedischen Viertligisten Utsiktens BK, in einem Interview geoutet und kann weitestgehend unproblematisch weiter spielen. Ganz anders verlief das Outing von Justin Fashanu Ende der 90iger Jahre. Aufgrund heftiger homophober Anfeindungen brachte er sich 1998 selbst um. Die Justin Campaign erinnert an seinen Tod und macht seit 2008 auf eine immer noch evidente Homophobie im englischen Fußball aufmerksam. Hat sich in Bezug auf ein mögliches Outing von aktiven Spieler*innen wirklich nichts geändert?
Es hat sich zu wenig geändert. Und solche Sprüche wie die von Christoph Daum oder Roman Weidenfeller werfen die ja tatsächlich vorhandenen Bemühungen um eine Verbesserung der Situation immer wieder zurück. Genau deswegen denken wir aber, daß ein Zeichen von Fanseite aus so wichtig ist.
Theo Zwanziger hofft auf ein Outing. Philipp Lahm wurde zusammen mit dem DFB Chef und Tanja Walther-Ahrens mit dem Tolerantia Preis von Maneo ausgezeichent, rät aber von einem Outing ab. Mario Gomez ermuntert zum Outing, damit endlich entspannter gespielt werden kann. Wäre es nicht längst Zeit, daß sich auch im Profifußball ein*e aktive*r Spieler*in outet? Kann das Banner solch ein Ansinnen begleiten?
Das hoffen wir zumindest.
Homophobie ist nicht selten mit Sexismus verknüpft. Während lesbische und schwule Fans sowie Spieler*innen tabuisiert werden – über sie also gar nicht gesprochen wird – betreffen die sexistischen Diskriminierungen Menschen, die aufgrund ihres (vermeintlich) Äußeren anders behandelt werden. Ähnlich verhält es sich mit Rassismus und sozialem Chauvinismus im Stadion. Müßte die Kampagne nicht um soziale Aspekte ergänzt werden?
Ich denke nicht, weil sie dann wohl ihre Wirkung verfehlen würde. Grundsätzlich magst du Recht haben, aber man würde dann wahrscheinlich keine Wirkung entfalten, weil die Zielgerichtetheit fehlen würde und wahrscheinlich auch deutlich weniger Gruppen sich beteiligen würden.
Im Block E und bei Auswärtsfahnen ist auch immer eine Antifa-Fahne dabei. Für mich ist das nur konsequent und folgerichtig. Zu einem emanzipatorischen Anspruch und Engagement gegen Diskriminierung gehört auch der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und soziale Ausgrenzung. Wie paßt Antifaschismus und die Aktion „Fußballfans gegen Homophobie“ für dich zusammen und warum?
Gut. Ich sehe Antifaschismus nicht bloß als Kampf gegen Nazis an. Von daher paßt das auch sehr gut. Mittlerweile hängt aber übrigens zusätzlich häufig die Adaption der Fahne mit „Antihomophobe Aktion“ im Block.
Gut, mehr Fragen fallen mit erst mal nicht mehr ein. Danke für das Interview und die Einblicke in das Engagement von Tennis Borussia und den Hintergrund der Aktion. Ich wünsche weiterhin viel Glück bei eurem wichtigen Engagement gegen Homophobie und andere Formen der Diskriminierung. Und hoffentlich macht das Transpi eine große Runde!
Schlagworte: Berlin, smash homophobia