Aachen Ultras – Always with you!
Dieser Text über die Situation in Aachen erschien im Oktober in unserem letzten Diario di Dario. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt die ausführliche Aufarbeitung der Entwicklung rund um den Tivoli zu veröffentlichen. Jetzt, nachdem die Aachen Ultras entschieden haben nicht mehr ins Stadion zu gehen und den ach so unpolitischen Alemann*innen-Konsens den Rücken zu kehren, der Nazis duldet und antirassistisches Engagement zur Störung macht. Wir wollen mit dieser Veröffentlichung unseren tiefsten Respekt Ausdruck verleihen und unsere Freund*innen aus der Ferne unterstützen. Es braucht sehr viel mehr bunte Stacheln in der Kurve – in Aachen und überall!
Der Aachener Turn- und Sportverein Alemannia (ATSV) wurde vor mehr als hundert Jahren gegründet. Nach einer desaströsen Saison 2011/12 ist der Klub abgestiegen und spielt aktuell in der Dritten Liga zusammen mit dem SV Babelsberg gegen den Abstieg. Vor wenigen Wochen waren die Aachener*innen zu Gast im Karl Liebknecht Stadion. Im Gästeblock standen zwei voneinander getrennte Gruppen. Auf der einen Seite präsentierten sich die Karlsbande Ultras (KBU), wie zu erwarten war, ganz besonders widerlich. Außer schmollenden Stimmungsboykott in den ersten Minuten, der sich übrigens kaum vom eigentlichen Tifo unterschied, boten die organisierten Nazis, Antisemit*innen, Hools und andere Exklusionsfetischist*innen lediglich sexistische, homophobe und antiziganistische Pöbeleien. Weiter in Richtung Nordkurve standen die Aachen Ultras (ACU), die sich seit Jahren gegen Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung engagieren. Zwischen beiden Gruppen schwelt seit langem ein tief sitzender Konflikt, der zuletzt beim Auswärtsspiel der Alemannia in Saarbrücken am 7. August 2012 eskalierte.
Die Alemannia hatte den dritten Spieltag im circa 270 Kilometer entfernten Saarbrücken zehn Minuten vor dem Abpfiff gerettet und drei wichtige Punkte in der Meisterschaft eingefahren. Mensch*schaft und Fans feierten den Sieg ausgelassen vor der Gästekurve. Danach ging’s für die Aachen Ultras raus zu den in einem gesonderten Bereich abgestellten Busse. Daneben befand sich ein Eingang, der von der Karlsbande und deren Umfeld genutzt wurde. Dort warteten einige Stadionverbotler*innen, Nazis und KBUler*innen, die bereits den Gästeblock verlassen hatten. Nach kurzen Beschimpfungen griffen die Mitglieder der Karlsbande, ihre Stadionverbotler*innen und die anwesenden Nazis die Aachen Ultras an. Es flog alles, was nicht niet und -nagelfest war. Ein*e Augenzeug*in beschreibt die Gewalt der Angreifer*innen als erschreckend rücksichtslos. Trommeln, Fahnenstangen und Flaschen wurden geworfen. Es wurde offenbar alles genutzt, was weh tun könnte. Die anschließende Jagd auf etwas mehr als ein Dutzend Aachen Ultras dauerte mehrere Minuten. Die circa fünfzig Mitglieder der Karlsbande, ihre Symphatisant*innen und Nazis traten nicht nur zu oder verprügelten die Fliehenden, sondern schlugen auch mit Gürteln auf die geschockten Ultras ein. Eine einzelne Person wurde bei der Flucht gestellt, zu Boden gerissen und mindestens fünfzehn Angreifer*innen traten auf den am Boden Liegenden ein. Erst nach der Intervention des Fanbeauftragten und eines weiteren langjährigen Fans ließ der Mob von seinem Opfer ab. Diese Gewalt passierte unter den Augen der anwesenden Beamt*innen, die allerdings nicht eingriffen. Auch Führungsmitglieder der Karlsbande hielten ihre völlig freigedrehten Kamerad*innen nicht auf, sondern pfiffen sie erst Minuten später zurück, als die Polizei sich sammelte. Ergebnis des heftigen Gewaltausbruchs waren ungefähr ein Dutzend verletzte Aachen Ultras.
Der Übergriff auf die Aachen Ultras wurde durch die Karlsbande in der ersten Reaktion auf der eigenen Internetpräsenz verharmlost. Da rechtfertigten die Angreifer*innen ihre Gewalt mit einer vermeintlichen Attacke der „Randgruppe“ Aachen Ultras, übrigens die älteste und aktivste Fangruppe bei der Alemannia, auf die Stadionverbotler*innen. Die Legende vom Angriff der ACU auf Mitglieder der KBU wurde in der darauf folgendennn Ausgabe des Karlsbande Fanzine „Banderole“ (Nummer 20) weiter gesponnen. Die Jagdszenen verwandelten sich in „aufgebrachtes herumirren“. Der eigene Angriff mit Stangen und Flaschen sowie Faustschlägen ins Gesicht der Angegriffenen wurde den Aachen Ultras in die Schuhe geschoben. Die Moral der Karlsbande Geschichte bildete eine beinah schon fabelhafte Ode an die Loyalität und ihre vermeintliche Abwesenheit bei den Aachen Ultras. Der Höhepunkt des Opfermythos‘ der KBU folgte allerdings später. In der aktuellsten „Banderole“ (Nummer 21) veröffentlichte die Gruppe eine „Stellungnahme der Karlsbande zu den Vorfaellen beim Ligaspiel in Saarbruecken“. Die Erklärung liest sich wie ein phantastisches Märchen einer sichtlich um eine beinah schon religiös aufgeladene Zeugenschaft bemühten Gruppe, die sich so gerne als die wahre anti-“extremistische“ und absurderweise auch antirassistische Avantgarde in Aachen konstruieren möchte. Die ganz übel „extremistischen“, allerdings tatsächlich emanzipatorisch engagierten, Aachen Ultras sollen die eigentlichen Aggressor*innen und Gewalttäter*innen gewesen sein. Außerdem sind sie, so behaupten die KBU, in ihrem Selbstverständnis derartig intolerant und respektlos, daß sie bei ihren Veranstaltungen bekannten Hooligans, Schläger*innen und Nazis den Zutritt verweigern. Die Karlsbande dagegen soll selbstverständlich ganz harmlos sein, keine politische Tendenz präferieren und sogar offensiv gegen Nazis vorgehen. Daß dies mitnichten aufrecht gehalten werden kann, beweisen die alltäglichen antisemitischen und homophoben Beschimpfungen sowie die zahlreichen Übergriffe auf die Aachen Ultras seit Oktober 2011.
Die Karlsbande hatte sich nach internen Differenzen aufgrund von Kontakten der Gründer*innen der KBU zu rechtsoffenen Hooligans, Kameradschaftler*innen und Nazikadern im August 2010 von den Aachen Ultras abgespalten. Die Aachen Ultras selbst gibt es seit 1999. In den ersten Jahren wird konsequent das „No Politics“-Dogma umgesetzt, was rechtsoffenen Tendenzen oder Nazis den Zugang in die Gruppe erleichterte. Im Block wurden rassistische, antisemitische und sexistische Gesänge sowie Banner geduldet. Bei Auswärtsfahrten fielen die Aachen Ultras und ihr Umfeld immer wieder durch das nervöse Strecken des rechten Armes auf. „Keine Politik“ bedeutet dementsprechend bis heute in Aachen vor allem die Duldung von Nazis. Jedoch muß betont werden, daß es rechte Tendenzen bereits seit den 70ern in der Aachener Fanszene gab. In den 80ern verteilten die Jungen Nationaldemokrat*innen (JN) ihre widerliche Propaganda und knüpften Kontakte zur lokalen Hooliganszene. Die prominenteste und engagierteste Persönlichkeit in der Aachener Fanszene ist bis heute der JN- und NPD-Funktionär Sascha Wagner, der Ende der 80er am Tivoli auftaucht. Der Nazi aus Herzogenrath wurde im Laufe der Zeit zu einer der wichtigsten Knoten im Netzwerk zwischen den Alemannia Hooligans, Rechtsrocker*innen, militanten Nationalist*innen und der NPD. Außerdem begründete in der Saison 1989/1990 die Fanfreundschaft zum niederländischen Fußballklub Roda Kerkrade und seinen Hools. Erwähnenswert ist hierbei, daß zwanzig Jahre später das Jubiläum dieser Verbindung hochoffiziell und mit zahlreichen Veranstaltungen durch ein Freundschaftsspiel zwischen Alemannia Aachen und Kerkrade begangen wurde. Neben dem Engagement von Sascha Wagner, der selbst von vermeintlich unpolitischen Fangruppen akzeptiert wird und ein gern gesehener Gast auf den jeweiligen Festen ist, wird mit dem neuen Jahrhundert die Kameradschaft Aachener Land (KAL) sowohl außerhalb als auch im Stadion relevant. Von der Gründung im Jahr 2001 an bewegten sich Nazis der erst kürzlich verbotenen KAL mehrere Jahre im Umfeld der Aachen Ultras und anderer Hooligan Gruppen am Tivoli.
Der Bruch oder besser die Auseinandersetzung mit rechten Tendenzen und der problematischen Geschichte der Gruppe wird im Jahr 2006 begonnen. Es wird ein antirassistischer Konsens eingefordert und durchgesetzt. „No politcs“ bedeutet für die Aachen Ultras seitdem sich sozial und gegen Rassismus zu engagieren sowie Nazis nicht mehr in den eigenen Reihen zu dulden. Zur selben Zeit gründet Eric Troche den Sturmbund Aachen (SBA), der Jungnationaldemokrat*innen, Naziskins und NSBM Rocker*innen zusammenführt und das Stadion als Rekrutierungsraum nutzt. Außerdem organisiert Sascha Wagner nach dem Ende seines Stadionverbots im Jahr 2007 wieder vermehrt Konzerte, zum Beispiel mit der Nazihoolband „Kategorie C“. Die KAL ist ebenfalls weiter aktiv und fällt vor allem durch äußerst brutale Gewalt gegen Antifaschist*innen auf. Hierbei ist der Schläger und Bombenbauer Falko Wolf sowie sein Kumpel Daniel Thönissen besonders zu erwähnen. Beide wurden im Februar 2011 zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Sie wurden am 1. Mai 2010 in Berlin auf dem Weg zur 1. Mai Demonstration des Regionalverbands der NPD und der Autonomen Nationalist*innen der Gruppe Nationaler Widerstand Berlin (NW Berlin) festgenommen, weil sie mehrere Rohrbomben bei sich hatten. Außerdem hatten sie im August desselben Jahres jüdische Friedhöfe geschändet sowie Parteibüros der Grünen und Linken attackiert. Die Aachen Ultras distanzieren sich offen von diesen Strukturen und wurden deshalb selbst zum Ziel von Nazi-Übergriffen. Einige Mitglieder wollten diese Entwicklung der ACU auch aufgrund der eigenen Kontakte zu Nazis nicht mehr mittragen und gründeten die Karlsbande Ultras. Aufgrund der fehlenden Abgrenzung zu rassistischen Tendenzen durch die KBU distanzierten sich die ACU daraufhin konsequent von der neu gegründeten Gruppe. Ein Hinweis auf die rechtsoffene Haltung der Karlsbande war, daß im Block Band-Shirts von „Kategorie C“ mit dem Aufdruck „Antifa halts Maul“ sowie Naziklamottenlabels wie Thor Steinar geduldet wurden. Außerdem konnten und können sich Hooligans der rechtsoffenen Gruppen Alemannia Supporters, der Alten Kameraden, Kader*innen der Nationaldemokratischen Partei (NPD), wie zum Beispiel Sascha Wagner, sowie Mitglieder der Kameradschaft Aachener Land (KAL) frei im Block der KBU bewegen beziehungsweise entwickelten sehr gute Kontakte zu den regionalen Nazis.
Im Zuge der Spaltung eskalierte der schon zuvor schwelende Konflikt zwischen den antirassistischen Aachen Ultras und rechtsoffenen Gruppen mit dem aggressiven Auftreten der Karlsbande vollends. Der erste gewalttätige Übergriff auf die ACU ereignete sich am 16. Oktober 2010 beim Zweitligaspiel bei der Sportgemeinschaft Dynamo in Dresden. Zunächst pöbelten Mitglieder der KBU homophob und antisemitisch, bis die Situation erstmals gewaltsam im Gästeblock eskalierte. Es begann mit harmloserem Gerangel und endete in einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Die KBUler*innen wurden hierbei durch anwesende Nazis der KAL lautstark zum „Zecken klatschen“ angefeuert. Nach dem Spiel bildeten die Nazis und Mitglieder der Karlsbande ein Spalier, durch das die anwesenden Aachen Ultras beim Verlassen des Gästeblocks hindurch und sich als „Juden“ beschimpfen lassen mußten. Bei den folgenden Auswärtsspiel wurden die antisemitischen Beschimpfungen und Gewaltandrohungen fortgesetzt. Zum Teil konnte eine Auseinandersetzung nur durch die Intervention von anderen nicht-gruppengebundenen Fans verhindert werden. Die vorerst heftigsten Angriffe auf die Aachen Ultras fanden im Dezember 2011 statt. Beim Heimspiel gegen den FC Erzgebirge Aue am 11. Dezember versuchten ein paar wenige Mitglieder der Gruppe Alemannia Supporters das Banner der ACU zu klauen, was allerdings verhindert werden konnte. Einige Minuten später stürmte eine Gruppe von 15 bis 20 teilweise vermummten Mitgliedern der Supporters, der Karlsbande und anwesender Nazis den Block der Aachen Ultras. Der Angriff wurde durch antisemitisches und homophobes Gepöbel sowie offenbar aufmunternde Parolen wie „Auf die Fresse“ und „Haut drauf Kameraden“ aus dem Block der KBU unterstützt. Die Polizei schritt nach einigen Minuten ein und trennte die Fangruppen. Statt sich allerdings mit den Angreifer*innen zu beschäftigen, überprüften die Sicherheitsbeamt*innen die Personalien der Angegriffenen. In dieser Logik handelte auch der Verein Alemannia Aachen und gab den Angreifer*innen der Gruppe Alemannia Supporters und der Karlsbande die Möglichkeit ihren Angriff auf der offiziellen Vereinsseite zu verharmlosen und ihre Gewalt zu rechtfertigen. Die Veröffentlichung einer Stellungnahme der Aachen Ultras wurde verhindert. Vielmehr schloß sich der Verein den Verdrehungen der Angreifer*innen an und forderte einen „Dialog“ zwischen den Gruppen.
Auf dieses absurde Ansinnen reagierte die Fangruppe Racaille Verte des Vereins Werder Bremen mit einem Offenen Brief, in dem sie Alemannia Aachen und das Fanprojekt aufforderten die ACU in ihrem Kampf gegen Rassismus, Homophobie, Sexismus sowie Antisemitismus zu unterstützen und „sich von rechten und rechtsoffenen Ewiggestrigen“ zu verabschieden. Außerdem gab es zahlreiche Solidaritätstapeten und -aktionen befreundeter oder ebenfalls emanzipatorischer Fangruppen, die auf die Situation bei Alemannia Aachen aufmerksam machten. Der Verein beharrte dennoch weiter auf seiner Position und distanzierte sich lediglich von „Gewalttätern“ sowie jeglichem politischen „Extremismus“, was explizit auch das Engagement der Aachen Ultras einbezog. Der Konflikt mit der Karlsbande eskalierte nun auch aufgrund der schwachen Reaktion des Vereins weiter. Schon beim nächsten Spiel am 18. Dezember in Braunschweig posierte ein Mob der KBU mit einer Tapete mit der Aufschrift „Vor einigen Wochen noch groß ACAB pinseln – nun bei den Bullen um Hilfe winseln! Ultras?“ Damit bekannte sich die Karlsbande zum einen zur Gewalt gegen die Aachen Ultras und reproduzierte offen ein Ultra-Verständnis, daß eher mit einer Hooligan Attitüde korrespondiert als das es tatsächlich Ultrà reflektiert. Der Logik folgend, daß die ACU keine Ultras sein sollen, wurde ihnen der Zugang zum Gästeblock in Braunschweig versperrt und sämtliche Aachen Ultras ganz in Anti-Antifa-Manier durch eine*n Nazi abfotografiert. Die ACU wurden von den Sicherheitsbeamt*innen daraufhin isoliert und die Gruppen im Block getrennt. Auch in der Winterpause der Saison 2011/12 gab es für Mitglieder der ACU keine Ruhe. Bei einem Hallenturnier Anfang Januar wurden anwesende Aachen Ultras erst beschimpft und dann aus der Halle gejagt.
Den vorläufigen Höhepunkt der Gewalt stellen Attacken von Mitgliedern der Karlsbande in der englischen Woche ab dem 4. August 2012. Schon beim Heimspiel gegen die Reserve von Borussia Dortmund am 3. August griffen sie Fahrzeuge mit Aachen Ultras an. Die Jagdszenen, die zum Ende August ausgesprochenen Betätigungsverbot der Karlsbande im Aachener Tivoli führten, spielten sich – wie oben ausführlich beschrieben wurde – in Saarbrücken ab. Wie schon nach der Attacke im Dezember gab es auch diesmal Solidaritätserklärungen aus anderen Kurven und einen Offenen Brief des Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF). Darin betonen die Aktivist*innen, daß es sich beim Angriff auf die Aachen Ultras um einen Versuch rechtsoffener, rechter und (neo-)nazistischer Kreise handelt, mißliebiges antirassistisches Engagement mundtot zu machen und aus dem Stadion zu vertreiben. Deshalb fordert BAFF folgerichtig, daß endlich Schluß sein muß mit rechter Gewalt von und gegen Alemannia Aachen Fans. Auch bei Zeit Online war zu lesen, daß die Karlsbande offensichtlich versucht die Aachen Ultras aus dem Stadion zu jagen. Es reicht ihnen offenbar nicht, daß sie in einen anderen Sektor ausgewichen sind, die ungeliebten Rival*innen sollen ganz verschwinden. Die zahlreichen Vorfälle seit der Gründung der KBU sowie der massive Gewalteinsatz bei den Attacken auf die Aachen Ultras scheint diese These zu bestätigen. Der politische Aspekt ist hierbei neben dem mackerhaften Territorial- und Alleinvertretungsanspruch der Aachener Fanszene durch die Karlsbande maßgeblich. Selbst der Aachener Polizeipräsident Klaus Oelze spricht in Interviews davon, daß die Entpolitisierung des Konfliktes nicht möglich ist und dementsprechend die Reaktionen auch politisch sein müssen. Der Verein scheint allmählich die Relevanz erkannt zu haben. Trotzdem ist die monatelange Ignoranz des Vereins, der sogar nicht davor zurück schreckt(e) einen „Dialog“ zwischen den Schläger*innen und den Geschlagenen zu fordern, erschreckend.
Das Betätigungsverbot der Karlsbande, durch den Verein am 23. August ausgesprochen, ist allerdings nur ein Teil der Maßnahmen gegen „Gewalt“ und „Rechtsextremismus“, die am 10. August unmittelbar nach den Übergriffen in Saarbrücken angekündigt wurden. Dies soll aber, so ist in der Erklärung des Vereins zu lesen, keinesfalls eine dauerhafte „Ausgrenzung“ der Karlsbande bedeuten. Im Gegenteil, der Verein möchte „die Chance zur Resozialisierung“ ermöglichen und erhofft sich „eine klare Distanzierung von Gewalttätern und Personen mit politisch extremer Gesinnung“. Womöglich ist es diese anti-“extremistische“ Haltung des ATSV, die explizit auch Mitgliedern der Aachen Ultras – noch einmal zur Erinnerung: die von der KBU Angegriffenen – den Zutritt zum Fantreff untersagt.
Genauso absurd ist, daß das Betätigungsverbot für die Karlsbande explizit nur für den Tivoli gilt. Bei Auswärtsspielen wird die Verantwortung auf die gastgebenden Vereine abgewälzt. Hinweise auf ein bundesweit umzusetzendes Betätigungsverbot in allen Kurven werden so bewußt umgangen und die Isolierung der rechtsoffenen Karlsbande innerhalb der Aachener Fanszene unterlaufen. Damit hat sich die Alemannia erneut nur oberflächlich von nazistischer Gewalt und Diskriminierung distanziert. Im Gegenteil, mit diesen Maßnahmen wird der Konflikt lediglich in den persönlichen Bereich verschoben. Des Weiteren ist keineswegs davon auszugehen, daß die Karlsbande nicht mehr im Tivoli auftauchen wird. Es gibt zwar offenbar erste Auflösungserscheinungen und Streit innerhalb der KBU, dennoch ist das Bedrohungspotenzial vor allem bei Auswärtsfahrten weiter vorhanden und die Beschimpfungen werden wohl ebenfalls nicht aufhören. Erst wenn der Verein sich explizit gegen jede rassistische, sexistische, homophobe und antisemitische Diskriminierung positioniert sowie entsprechendes Engagement wie das der Aachen Ultras unterstützt, haben Nazis keine Chance im Tivoli. So lange aber emanzipatorische Arbeit erschwert und rechtsoffene Tendenzen toleriert werden, wird der Konflikt weiter bestehen. Eine erneute Eskalation ist so nur eine Frage der Zeit. Um so wichtiger ist es, sich mit den Aachen Ultras solidarisch zu zeigen und ihr Engagement zu unterstützen.
Kopf hoch, Aachen Ultras! Wir stehen an eurer Seite!
Die Bilder sind von Ultra Triangles
Schlagworte: Aachen, Aachen Ultras, Karlsbande
23. Januar 2013 um 10:45 am Uhr
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