Wat’n Theater II
Vor so unjefähr zwee Wochn gings ums „Leiden“. Und wat soll ich sagn – wir mußten an dem Tag gleich och ma richtig leidn. Dabei fing der Tag so jut an.
In Berlin jesellten sich einige neue Jesichter zur Reisecrew nach Babelsberg. Am Rathaus warteten Freund*innen und so gings gemeinsam und frohlockend in’e Kurve. Und dit Leid jing los – die riesige Blockfahne mußte noch richtig platziert werdn, wat sich problematischer darstellte, als jedacht. Aber nen paar Hände und juter Überblick sorgte dafür, daß aus dem überstandnem Leid jepaart mit Euphorie und Fröhlichkeit nen hübsches Intro wurde. Und schon war da bei jedm dit nette Lächeln da. Leider hielt dit überhaupt nich lange an und dit Drecksleidn in Form von ner Scheißleistung uffm Rasn und jebremstem Enthusiasmus aufn Rängen war wieder da…
Und ich muß euch sagn: Leiden mag ich gar nich. Ich bin eher ne Frohnatur. Nur selten raste ich ma aus. Wenn doch, dann aba richtig. Naja… Ich mag zwar pöbeln, aber lache und freue mich auch gern ma. Feiern is och nich schlecht – weil dit schüttet Endorphine aus, oder wie die Dinger auch heißn mögn. Und Lachen soll ja och jesund sein. Die Katholiken ham sich deshalb den Karneval ausjedacht, wo jede*r ma so richig auf die Kacke haun kann. Da wird jesoffn, jetanzt, die Herrschenden in Arsch jetretn. Naja, früher soll dit ma so jewesn sein. Heute sieht dit nur noch so richtig lächerlich aus. Diese janzen Prinzen* und Prinzess*innen, Funkenmarie*chen oder die anderen Karnevalsbeamt*innen nerven einfach nur. Und mit Komik oder Lustig-Sein hat dit jar nüscht zu tun.
Die Preußn ham aber nich ma solche Feiern der subversiven Fröhlichkeit. Ekstatisches Saufn ham sich die protestantisch Bekehrten och verbeten. Die machn lieber schon einen uff „ora et labora“, also immer fein arbeitn und betn. Die wolltn keen Harlekin und Hanswurst ham, keen Scaramouche oder Pierrot, die einen Schabernack uff den andern loslassn. Diese preußisch protestantische Insel des Arbeitsfetisch is einzigartig in Europa – denn selbst im autokratisch orthodoxen Russland jabs nen Witzbold. Der hieß dort Petruschka. Und wat ham sich diese Protestant*innen stattdessn überlegt? Na wat wohl: Dieset bürgerliche Leidnstheater von dem ich dit letzte mal erzählt hab. Diese humorlosn Bürgersleute versaun einem einfach allet.
Übrijens: Zündeln jehörte und jehört neben dem Hang zu Phantasiejestaltn sowie fressn und saufn zum Karneval dazu. Denn am Aschermittwoch wurde imma irgendwat verbrannt – damit die janzen Sündn verschwindn und dit verdrehte Theater endlich ma en Ende haben kann. Und dann jehn och die Katholik*innen wieder brav arbeitn. Aber wir machen dit anders: Wir lachn, singn, saufn und feiern einfach weiter. Und am liebsten endlich ma wieder drei Punkte!
Zuerst erschienen im Ultra Unfug #194, Bild Filmstadtinferno ’99
Schlagworte: Karneval, Ultra Unfug Kolumne, Wat'n Theater