Israel in Babelsberg

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Am 16. April 2015 fand eine Veranstaltung zu „Fußball in Israel“ im HausZwei des Freiland Potsdam statt. Hier ein kleiner Bericht über den Abend.

Bunte Fahnen, Banner, lauter Gesang zu den Beats der Trommeln – das gibt es auch in Israel. Das kleine Land zwischen Mittelmeer und Jordan ist in vielerlei Hinsicht ein besonderes, aber ausgerechnet beim Fußball doch ziemlich gewöhnlich. Der Ballsport ist bei den Einwohner*innen des Landstrichs sehr populär, auch wenn sich das nur bedingt in den Zuschauer*innenzahlen widerspiegelt. Die, die da in die Stadien kommen, können und wollen aber umso mehr ihr Team feiern. Und das mit vielen Mitteln, die uns in Europa Lebenden nur allzu bekannt sind. Die hat Neria, ein Mitglied der Ultragruppe Brigade Malcha, erst im Karli bei den Spielen von Nulldrei gegen Viktoria und Cottbus beäugt. Am Donnerstag vor einer Woche berichtete er dann im Haus Zwei, wie es bei seinem Verein Hapoel Katamon Jerusalem zugeht. Organisiert wurde die Veranstaltung mit etwa 40 Zuhörer*innen von der Brigata Amaranto mit Unterstützung des Fanprojekts Babelsberg, des AStA der Uni Potsdam sowie des Fanbeirats von Nulldrei.

Um die Geschichte der Brigade Malcha zu verstehen, muss an dieser Stelle einer kleiner Schlenker Richtung Basketball erfolgen. Neben Fußball ist nämlich Basketball die beliebteste Sportart in Israel. Wie sicherlich vielen bekannt, sind israelische Klubs und auch das Nationalteam im Körbewerfen äußerst erfolgreich. Ultras gibt es zwischen Tel Aviv und Jerusalem also nicht nur im Fußball, sondern auch im Basketball. Wenn die Teams dann auch noch zum selben Klub gehören wie bei Maccabi Tel Aviv oder Hapoel Jerusalem, ist es für viele Fans selbstverständlich, beide zu unterstützen. So erklärt sich denn auch die Historie der Brigade Malcha. Sie hat sich 2006 gegründet und dabei nach der Basketballhalle Malcha benannt, in der Hapoel Jerusalem spielt. Erst seit 2009 gehen ihre Mitglieder auch organisiert zum Fußball, erzählt Neria.

Und wenn sie sich erst einmal organisiert haben, wollen einige Fans mehr, vor allem mehr Mitsprache. Die Fans von Hapoel Jerusalem sind als erste so weit gegangen, ihrem Klubbesitzer den Rücken zu kehren. Mit Hapoel Katamon Jerusalem haben sie 2007 ihren eigenen Verein gegründet. Und hatten auf Anhieb guten Zuspruch erfahren. Binnen weniger Jahre schaffte es der neue Klub 2013, aus der fünften in die zweite israelische Liga aufzusteigen. Zwar ging es in der folgenden Saison wieder zurück in Liga 3. Zum Ende der aktuellen Spielzeit – noch zwei Partien sind zu absolvieren – steht Hapoel Katamon aber wieder auf einem Aufstiegsplatz.

Hapoel Katamon ist aber nicht nur ein besonderer Verein, weil er von Fans aus der Taufe gehoben wurde. Die Anhänger*innen sind traditionell eher links eingestellt. Auch die Fans von Hapoel Tel Aviv gehören laut Neria zu den progressiveren. Das liegt daran, wie der Vereinsfußball in Israel historisch gewachsen ist. So waren die Hapoel-Teams an den Gewerkschaftsverband Histadrut angegliedert. Hapoel hat also immer eher die Arbeiter*innen und aschkenasischen Jüd*innen (mit europäisch-westlicher Herkunft) angezogen, während die Mizrachim (aus dem arabischen Raum) auch heute noch eher zu Beitar gehen. Sie sind eher als konservativ einzuschätzen. Das drückt sich dann etwa darin aus, dass die Ultras von Beitar Jerusalem öffentlich verkünden, niemals einen arabischen oder muslimischen Spieler in ihrem Team zu dulden.

Dennoch, so berichtet Neria, ist der israelisch-palästinensische Konflikt in den Stadien nie direkt Thema. Auch unter linken Fans gibt es dazu weit auseinandergehende Meinungen. Immerhin spielt in der ersten Liga mit Sachnin ein arabischer Verein. Dessen Fans sind zwar antirassistisch, vertreten aber auch einen palästinensischen Nationalismus und sind nicht frei von Sexismus.

Zu Sexismus und Homophobie gibt es hingegen bei Katamon eine klare Positionierung. Die Regenbogenfahne wird also auch in Israel immer öfter zu sehen sein. Bei Katamon, so erzählt Neria, wurde sie kürzlich sehr gut aufgenommen. Nach dem siegreichen Spiel, zu dem erstmals die Regenbogenfahne im Malcha-Block geschwenkt wurde, kam ein Spieler zu den Fans und wollte ausdrücklich die bunte Fahne zum Jubeln haben. Am vergangenen Sonntag war dann sogar die Eckfahne im Teddy-Kollek-Stadion, dem einzigen richtigen Fußballstadion in Jerusalem, in Regenbogenpracht zu sehen, als Katamon sein jüngstes Heimspiel hatte.

Der Ultra-Stil in Israel ist sehr europäisch geprägt, sagt Neria. Dass die Fans auch neue Entwicklungen wie die Anti-Homophobie-Kampagne oder die Unterstützung von Flüchtlingen aufgreifen, sollte uns angesichts der schwierigen Lage in Israel und Palästina staunen lassen. Denn die Menschen in diesem kleinen Stück Land leben in einer Art ständigem Ausnahmezustand. Deshalb möchte ich hier unbedingt auch erwähnen, dass es nicht viele Klubs wie Katamon gibt, die sich auch um die Verständigung und den Austausch zwischen Araber*innen und Jüd*innen bemühen, zwischen israelischen Staatsbürgern erster und zweiter Klasse bzw. Staatenlosen. So organisieren Leute von Katamon seit 2007 eine Nachbarschaftsliga, bei der Kinder jeder Herkunft regelmäßig Turniere spielen können und die Erfahrung machen, miteinander Spaß zu haben. Katamon half auch erst vor wenigen Wochen einer Schule, in der arabische und jüdische Kinder zusammen lernen. Faschisten hatten dort einen Brand gelegt, der mehrere Klassenzimmer zerstörte. Ein Ergebnis davon ist ein Banner gegen Rassismus, das nun bei jedem Spiel aufgehängt wird. Es ist ein Zeichen, das hoffen lässt – auf ein friedvolleres Zusammenleben und so noch mehr Freude beim Fußball.

Zuerst veröffentlicht im Ultra Unfug #213

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