Wat’n Theater XXI – Deutschland, halt’s Maul!

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Die Sommerpause is vorbei. Nun endgültig. Das erste Spiel – auswärts im Jahn-Sportpark gegen Viktoria – is abgehakt und zumindest ein Punkt steht auf der Haben-Seite. Eigentlich müsste es ja, leider nur ein Punkt heißen. Angesichts der haufenweise Chancen hätte die Plastikkugel durchaus auch mal in den Maschen zappeln dürfen und den Gästeblock ausrasten lassen können. Hat’se aber nich. Naja…

Aber eigentlich konnte ja weder von Sommer noch von Pause in den letzten Wochen die Rede sein. Sportlich vielleicht. Aber was sonst so abging in ’schland und Umgebung, war und is doch einfach nur krass. Beim halluzinierten Showdown mit Hellas übertrafen sich die Herren im feinen Zwirn – übrigens is hierbei völlig schnuppe, ob sie sich Politiker*innen nennen oder Ökonom*innen und erste recht jene, die für sich die Selbstbezeichnung Jorunalist*innen wählen – in krudesten Wort- und Maßnahmenspielen, die selten etwas mit den wirklichen Plänen zu tun hatten. Ein gewisser Herr Schäuble – aktuell toitonischer Finanzminister und Ende der 90ern bekannt geworden durch eine mehr als grenzwertige Spendenaffäre aufgrund eines geheimgehaltenen Briefumschlags mit ordentlich Schotter drin, der vom schillernden Waffenhändler Karlheinz Schreiber kam – tat sich beim Griechenland-Bashing besonders hervor. Die Tiraden des grantigen alten Mannes mit einer besonderen Vorliebe zu Hausaufgaben & Co. machten schier fassungslos. Die anderen Konsorten, wie dieser Gernetrinker Juncker, die komische Lagarde, der unerträglich schmierige Dijsselbloem und der Witzbold Moscovici, spielten dem strengen Teutschen lediglich die Bälle zu. Damit weiter an der Erpressung einer linken Regierung und dem sozial-ökonomischen Ausnahmezustand in Hellas gearbeitet werden konnte.

Ob dieses Theater um Griechenland, das längst nich vorbei sondern lediglich aus dem Fokus verschwunden is, nun als Tragödie mit dem Gemetzel der Protagonist*innen endet oder sich als Komödie am Ende doch in ein fröhlich dionysisches Hochzeitsfest auflöst, bleibt abzuwarten. Giorgos Chondros, ein sehr netter und korrekter Mensch und Syriza Politiker*, scheint da offenbar schon eine Entscheidung getroffen zu haben. Bei einer Veranstaltung im Rahmen des nd-Sommerfest Anfang Juni, auf dem Höhepunkt der Debatte um Kredite, Sparen, Schuldenschnitt und diese bösen, bösen Griech*innen, fragte er frei nach Shakespeare: “Grexit? Oder nicht Grexit?“ Sein „Von Griechenland lernen, heißt siegen lernen.“ würde heute wohl auch keine*r mehr unterschreiben. Was aber ganz sicher is: „Die Reichen werden reicher und die Armen zahlreicher.“ Das gilt wahrscheinlich überall. Zumindest solange die verkackte Austeritätspolitik und die anti-emphatische, spießig schwäbische Mentalität, die neuerdings offenbar zu europäischen Werten aufgewertet wurde, weiter unwidersprochen zum (den Markt und die Menschen) allein selig machenden Dogma sakralisiert wird. Bäh!

Aber es gab ja auch einiges positives im Sommer. Der SV Babelsberg 03 und das Team Welcome United 03 wurden vom Magazin 11 Freunde zur Fanaktion der Saison gewählt. Das Ultrash war ein Hammer Fest, zu dem zahlreiche Gäste kamen und an zwei Tagen ordentlich gefeiert wurde. Leider ohne mich. Das erreichte Alter wollte etwas entspannter und in der Abgeschiedenheit des Darßer Urwalds bei Fisch, Bier und ner ordentlichen Briese gefeiert werden. Aber zum Freundschaftsspiel mit Hapoel Tel Aviv war ich wieder da. Denn Fußball im Karli und abhängen in der Nordkurve wollte ich mir nich entgehen lassen…

Aber kommen wir nochmal kurz zum Urwald zurück. Denn mitten im Wald, dort wo nur Bäume wohnen und sich mehr Tiere als Flüchtlinge rumtreiben, ich konnte es kaum glauben, schwadronieren mitten auf einer Kreuzung zweier Fahrradwege ältere Herr*schaften über das Böse in der Welt. Um Neukölln ging es, wo böse Migrant*innen sich nich an Zucht & Ordnung halten wollen, die toitonischen Gebräuche ignorieren und einfach so leben, wie sie eben wollen. Und sie sind alle kriminell in Neukölln. Egal, ob jung oder alt. Das meint offenbar übrigens auch David Schiller, der Sicherheitschef der European Maccabi Games in Berlin. Obwohl. Er macht Einschränkungen. Denn er meint, dass es Viertel in Neukölln gibt, „da sollte man, wenn man nicht gerade arabisch, kurdisch, libanesisch ist, vielleicht nach 10 Uhr Nachts nicht rumgehen.“ Die Leute im Darßer Urwald machten übrigens ebenfalls Einschränkungen. Denn sie meinten, dass vor allem die jungen Menschen respektlos sind. Denn in Marzahn machen sie alles kaputt. Und: Mensch höre und staune, sie attackieren einfach so aus Spaß Polizeiautos. Und die Medien. Also, diese Journaille, wie es wahrscheinlich im „Völkischen Beobachter“ in den 30ern zu lesen gewesen wäre, diese bösartige gutmenschliche Lügenpresse, die verdreht alles. Die Toitschen werden jetzt bei ihren rassistischen, spießigen, anti-modernen und mittelalterlichen Stammtisch-Pöbeleien beobachtet. Und es wird endlich der braune Dreck sichtbar, der immer noch von Bayern bis nach MeckPomm in den Köpfen gärt… Sowas von ekelhaft. Ich könnte mich aufregen…

Übrigens, der Oberpöbler* is, nein nicht ich, der is der Bosbach. Erst macht er einen auf braungebrannten Spielverderber* in der parlamentarischen Farce um mögliche Verhandlungen mit der griechischen Regierung. Dann verabschiedet er sich aus dem Innenausschuss. Mensch höre und staune: Wegen Griechenland. Warum das eine mit dem anderen zu tun haben soll, hat er leider nich erklärt… Und heute, am Dienstag, holt er doch tatsächlich die alte Leier von der Begrenzung der Zuwanderung nach ’schland raus. Wenn der Typ das nich so ernst meinen würde, könnte mensch ihn glatt als besonders kreativen Kabarettisten* abfeiern, der mitten in einer eh schon absurd geführten Debatte noch einen drauf setzt und so die spektakuläre Inszenierung der orwell’schen Verdrehung offenlegt. Wenn es nicht so bitter wäre und so viele Menschen von diesem Theater existenziell betroffen wären, könnte mensch sich einfach zurück lehnen und sich von diesem politischen Dünnschiss unterhalten lassen. Tja, wenn, wenn, wenn…

Aber lassen wir das Theater und hören wir auf eine*n auf Gernot Hasknecht zu machen, sondern sparen wir uns die Kraft und rocken wir heute die Nordkurve. Ich hab das Gefühl, dass Team kann es gebrauchen. Und vor allem, anders als sonst, es will auch endlich mal wieder gewinnen. Deshalb: Solidarität mit Griechenland! Trinkt mehr Mythos in der Kurve! Und: Allez les bleus!

Zuerst erschienen im Ultra Unfug #215 zum Spiel gegen Meuselwitz

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