Wat’n Theater XXV – Scheiß Performance!

Was passiert eigentlich, wenn Fußballfans auf Kunst & Kultur prallen? Was geht ab, wenn Maler*innen, Bildende Künstler*innen, Performance Artists* und Installateur*innen das Stadion oder den sozialen Raum Fußball als Material entdecken? Oder ganz anders: Welche Interventionen beziehungsweise Kollisionen entstehen, wenn die Akteure aus der Kurve auf Künstler*innen treffen? Ihr denkt, da kommen nur Missverständnisse, Geschrei, Hauereien und ganz viel Blödsinn raus. Denkste!

Es muss nicht immer so laufen, wie zum Beispiel in Moabit, wo eine offensichtlich überforderte Hipster*Gang ein paar Euro-Paletten aufeinander stapelte, ein Baby-Fon hinterließ und andere Hipster* zur Vernissage oder sonst was einlud. Wahrscheinlich um im imaginierten Kunstraum, der ganz feine, unsichtbare Grenzen zu haben scheint, die keine* und keiner* verletzten oder gar einreißen darf. Denn Kunst is Kunst. Und Fußball is Fußball… Wat für’n Blödsinn! Und noch schlimmer: Was für spießige Langweiler-Installationsartists*. Die habn offensichtlich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht geschnallt. Denn es geht ganz anders. Und Kunst is nun mal Begegnung und vor allem ganz viel experimentierfreudiges Spiel. Andere Künstler*innen haben das längst kapiert. Denn Fußballfans oder selbst Hooligans und Ultras sind im Kulturbetrieb angekommen.

Das ging schon vor Jahren los. Mit DIE SACHE MIT DEM FUSSBALL hatte bereits im Juli 1961 im Kinder- und Jugendtheater an der Parkaue in Berlin eine Inszenierung Premiere, die das hochemotional aufgeladene Requisit Fußball mit einer Kriminalgeschichte und moralischer Erziehung verknüpfte. Ein paar Jahre später variierte Peter Handke zumindest ein bisschen Georg Büchners Woyzeck Motiv in seinem DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER, wobei er* aus dem Soldaten* den Torhüter* Josef Bloch machte. Der Text wurde nur ein Jahr nach Erscheinen des Buches von Wim Wenders verfilmt und bekam bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 1972 den Preis der Filmkritik. Ein paar Jahrzehnte später legte Nanni Balestrini den Roman I FURIOSI vor, in dem Stimmen aus der Südkurve des San Siro, die Ultras der Brigate Rossonere zu Wort kamen. Ein grandioser Text, wie übrigens auch die anderen von Balestrini. Zuletzt veröffentlichten einige der gewaltigen, aber auch gewalttätigen Sprache mächtigen (Ex-) Ultras Bücher wie zum Beispiel Domenico Mungo sein STREUNENDE KÖTER und Giovanni Francesio mit TIFARE CONTRO seine Geschichte der italienischen Ultras oder auch der Journalist Giorgio Specchia, der mit IL TEPPISTA die Geschichte eines Mailänder Ultra zwischen Fußball, Kriminalität und Knast beschreibt. Die Übersetzung verdanken wir hierbei übrigens dem gut informierten und korrekten Mr. Alttravita Kai Tippmann.

Auf die zahlreichen Fußballfilme gehe ich an dieser Stelle nicht ein. Es sind einfach viel zu viele. Wobei ich euch doch ein paar empfehlen möchte. FEVER PITCH von 1997 nach dem gleichnamigen Roman von Nick Hornby dürftet ihr alle kennen. ULTRÀ aus dem Jahr 1991, die dramatische Aufarbeitung einer Auswärtsfahrt von AS Roma Fans zu Juve habt ihr bestimmt auch schon gesehen. Den iranischen Film OFFSIDE von Jafar Panahi über Frauen, die sich ins Stadion schleichen, ist ebenfalls sehenswert. Mit wurde vor einiger Zeit außerdem GOAL OF THE DEAD empfohlen. Den muss ich mir langsam aber auch mal anschaun. Aber genug von Filmen. Kommen wir zurück zur Kunst.

In den letzten Jahren häufen sich nämlich die Werke von Künstler*innen aus verschiedenen Bereichen, die Fußball und Fans als Material verwenden. Dirk Laucke zum Beispiel brachte im September 2009 die Inszenierung ULTRAS auf die Bühne des Thalia Theater in Halle, in dem es um die Kartoffeln vom HFC geht. Sein erstes Fußballspiel überhaupt und der erste Besuch beim HFC zu Recherchezwecken und zur Kontaktaufnahme mit den „Ultras“ war übrigens gegen den SV Babelsberg 03, wie der* Regisseur* vor Jahren in einer Erläuterung zur Aufführung beschrieb. Aufgrund von unkommentierten antisemitischen und rassistischen Passagen kam es zu einem Eklat, die eine fette Diskussion nach sich zog. Bei diesem Material wundert mich das aber ehrlich gesagt nich. Vor wenigen Wochen hatte am Dresdener Staatsschauspielhaus DYNAAAMO! Premiere. Darin geht es, so schreibt das Theater, um „eine bunte, vielstimmige Mehrgenerationen-Fanfamilie“, die „voller Leidenschaft von guten wie von schlechten Zeiten mit ihrem Heimatverein“ erzählt. Am spannendsten finde ich persönlich aber das Projekt kult_kurve_masse_messe des Malers* Thomas Strobl, der 2012 unter dem Motto Fankultur macht Kunst 23 großformatige Ölgemälde schuf, die verschiedene Szenen aus den österreichischen Fankurven zeigen.

Ihr seht, Fußball, Fans, Ultras, Hooligans, Kutten usw. sind hervorragendes Material für eine künstlerische Bearbeitung und Auseinandersetzung. Und die Beispiele zeigen, dass es vorzüglich geht, von diesen merkwürdigen Wesen FANS zu lernen. Also: Ihr Moabiter Hipster*, lasst uns einfach machen und schaut zu. Punkt!

Schlagworte: , , , , ,

Kommentieren ist momentan nicht möglich.