Wat’n Theater XXX – Von Schweinen, Affen und Gullies

Es ist Weihnachtszeit. Das letzte Spiel im Jahr 2015 findet heute statt. Überall klingeln die Jingle Bells. Santa schleift schon die Kufen. Die Kekse sind gebacken. Und sie schmecken. Wie ich mich im Fanladen das letzte Mal überzeugen konnte. Aber noch schlimmer, ich werde langsam sentimental. Aber son Spieltag wie gegen BFCmerda kuriert mich dann ganz schnell. Denn statt Barmherzigkeit, Respekt und Versöhnung kam nur widerliche Scheiße und Hass. Aber krass fand ich auch, dass Polizeiaktionen und Gaseinsatz abgefeiert wurden. Hinzu kamen haufenweise Zaunhocker*innen, mackrige Gesten und dämliche Beschimpfungen.

Vor allem letzteres hatte es mir angetan. Denn umso älter ich werde, umso mehr ertappe ich mich dabei, die alten Zeiten und aktuelle Entwicklungen zu vergleichen. Und die Schimpfworte haben es mir besonders angetan. Aber nich erst seit letztem Sonntag denke ich drüber nach, das geht schon länger. Denn ich frage mich, ob es sowas wie politisch korrektes Pöbeln eigentlich gibt. Ich grübele, ob es tatsächlich möglich ist, ohne zu krasse Verunglimpfung andere herabzuwürdigen. Denn schließlich geht’s ja um Letzteres beim Schimpfen und Beleidigen.

Früher war’n ja vor allem Tierbezeichnungen und Körperteile besonders beliebt, um irgendwen zu beleidigen. Überall gab’s Säue, Schweine, Kühe, Rindviecher, Hunde, Zecken, Asseln. Arschlöcher war’n auch en Masse zu finden. Idiot war auch ziemlich beliebt, um den anderen darüber zu informieren, dass mensch auch wirklich gar nix vom Gegenüber hält. Dann kam ne komische Phase. Plötzlich wurden herabwürdigende Bezeichnungen für soziale Gruppen zur ultimativen Verunglimpfung herangezogen. Spasten, Bastarde, Opfer, Juden, Schwuchteln, Fotzen, Hürensöhne usw. schallte es durch die Straßen und bis heute durch die Fansektoren. Diese Phase ging irgendwie an mir vorbei. Vielleicht hab ich mich in dieser Zeit zu viel mit Student*innen rumgetrieben, die eher am Saufen, Aufreißen und Mensur schlagen interessiert waren als am ungepflegten Schimpfen.

Heute gibt es eine krude Mischung aus verschiedenen Epochen. Die Tierbeschimpfungen sind weniger geworden. Die diskriminierenden Pöbeleien, die ausgegrenzte soziale Gruppen zum Zwecke der Herabwürdigung bedienen, gibt es weiterhin. Abhängig vom Grad der Dummheit werden diese Bezeichnungen um xenophobe Begriffe wie Asylanten oder Islamist*innen ersetzt. Hinzugekommen sind aber szenetypische Beschimpfungen wie Antifanten oder Linksfaschist*innen von Nazis sowie Boneheads oder Kartoffeln. Letzteres mag ich ja ganz besonders gern.

Neben den regionalen Besonderheiten dürfen aber landestypische Beschimpfungen nicht vergessen werden. Aufgrund der Kontakte ins Ausland ergeben sich da ganz neue Horizonte bei der Kunst der Herabwürdigung, die aber immer bewusst und möglichst nicht zu diffamierend und schon gar nicht diskriminierend geübt werden sollte. Den alten Hasen in der Kurve dürften Begriffe wie zum Beispiel Durak, Sobaka, Svinja, Vanjuchaja Govno vielleicht noch bekannt sein. Trott’l is jetzt schon fast so bekannt, wie es in Österreich genutzt wird. Ganz neu hab ich am vergangenen Wochenende aber von unseren Gästen von der First Vienna zwei neue Schimpfworte gelernt – einmal der Wapler und der Baidl. Ersteres bedeutet so viel wie Korinthenkacker*in und ist universell einsetzbar. Letzteres soll irgendwas mit dem männlichen Geschlechtsteil zu tun haben und ist ein ziemlich geläufiges Schimpfwort. Darum läuft gerade eine verbitterte Diskussion, ob diese Beleidung politisch korrekt is oder nich. Unsere Gäste meinten, es wäre zwar keine schöne oder besonders kreative Beleidung, hätte aber wohl doch einen gewissen Schmäh, der nicht zu weit gehen soll. Ihr seht also, nicht nur ich mache mir Gedanken, sondern die Diskussion läuft längst auf Hochtouren.

Ich persönlich mag keine herabwürdigenden Tierbezeichnungen. Bullen, Affen, Schweine, Hunde usw. sind nette Tiere, die es nich verdient haben, mit Trotteln, Hohlbirnen, Flachzangen oder sonst welchen blöden Menschen verglichen zu werden. Ich plädiere eher für Unbelebtes zur beleidigenden Herabwürdigung. Mein absoluter Favorit is hierbei Gullie. Das hab ich vor ein paar Jahren von nem Sankt Pauli Vorsänger* aufgeschnappt. Kannte ich damals so noch nich. Und dieser Kommentar zum kurzzeitig lahmen Support der Fans in der Süd setzte in mir den Keim, auf die Suche nach der ultimativen und maximal herabwürdigenden, korrekten und nich diskriminierenden Beschimpfung zu gehen. Mit diesem Text is die Suche übrigens nich vorbei. Ich suche weiter und bin immer interessiert an euren Anregungen. Bis dahin geb ich mir doch ein bißchen weihnachtliche Sentimentalität und würze sie mit ner Prise Reggae Christmas. Frohe Weihnachten! Kommt gut ins neue Jahr! Und schimpft nich so viel, sondern denkt mehr drüber nach, wie schön gepöbelt werden kann.

Zuerst veröffentlicht im Ultra Unfug #224

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