Wat’n Theater XL – Vom Schützen (müssen)
Fast ein halbes Jahr ist es her, dass in Luckenwalde Nulldrei-Fans von vermummten Gewalttäter*innen angegriffen wurden. Vor etwas mehr als einen Monat gewann der SVB gegen Viktoria und das Team kam dennoch nicht in die Kurve. Beide Partien sind zwar schon länger her, seitdem gab es bittere Niederlagen wie zum Beispiel letzte Woche in Cottbus oder davor gegen den BFC, aber auch wunderbare Siege wie zum Beispiel gegen Neugersdorf. Und trotzdem kann ich Luckenwalde und den Spieltag gegen die Lichterfelder Viktoria einfach nicht vergessen.
Der 28. Mai 2016 hat sich förmlich in mein Gedächtnis eingebrannt. Die Bilder der Blutenden, der Verzweifelten und diese Gewalt der Cops sind immer da. Jeden Tag. Manchmal auch Nachts. Jedes Mal, wenn ich diese völlig anonymisierten und vermummten Gewaltverbrecher*innen in Uniform wieder sehe. Und deshalb kann ich die Worte von Marvin Gladrow nicht vergessen, der die Verweigerung des Abklatschens mit den Fans in der Nordkurve nach einem grandiosen Sieg gegenüber Nulldrei TV mit dem Schutzbedürfnis der Spieler*innen rechtfertigt.
Es ist ziemlich bitter zu hören, dass das Team nicht zum Feiern in die Kurve kam, weil es sich schützen will. Es ist für mich auch durchaus nachvollziehbar, dass es nach den Vorkommnissen nach Abpfiff des Pokal-Achtelfinales gegen Luckenwalde vor ein paar Wochen nicht einfach so weiter gehen kann. Schließlich haben sich sowohl auf Seiten der Nordkurve aber eben auch bei einzelnen Spieler*innen unsägliche Abgründe aufgetan. Enttäuschung, Frust und Wut entlud sich in wüsten Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten. Es schien, dass alle sich untereinander in den Haaren hatten. Ein übles Knäuel aus jungen, alten, aufgedrehten und wütenden, enttäuschten und in ihre Ehre beleidigten Fans und Spieler*innen…
Also nochmal, ich kann verstehen, dass es nach so einschneidenden Erlebnissen kein Schwamm-drüber und Weiter geben kann. Mit „schützen müssen“, wie Gladrow nachdem er bei SE abklatschen war, ins Mikro von Nulldrei TV zum besten gab, hat dieser Bruch zwischen der Nordkurve und dem Team für mich aber wenig zu tun. Mit enttäuschten Erwartungen sowie Respekt- und Verantwortungslosigkeit schon eher. Wobei letzteres auch gegen das Team und mehr noch gegen die Vereinsoffiziellen des SVB gewendet werden kann. Ich frage mich, warum sich weder der Verein noch das Team unmissverständlich und uneingeschränkt solidarisch zeigt und warum sich beide nach den schlimmen Ereignissen in Luckenwalde nicht in irgendeiner Weise schützend vor und tröstend an die Seite der eigenen Fans gestellt haben. Seit Monaten warten die Betroffenen auf eine offizielle Erklärung des Vereins, die einfach nicht kommen will. Das Team muss die angsterfüllten Gesichter gesehen haben. Einige Aktive hatten selbst Kontakt zu den gewaltsuchenden Vermummten in Uniform. Wo war denn in Luckenwalde der Schutz für die Fans? Wieso steht immer noch als letzte offizielle Erklärung die des SVB, der Polizei, des FLB und der Vereine im Raum, die spätestens seit dem Dossier des Fanbeirats und von nur03* als dreistes, respektloses und völlig empathieloses Lügenmärchen entlarvt werden konnte. DAS macht mich maßlos wütend.
Wenn es also um Schutz und Schützenswertes geht, sollte sich das Team auch an die eigene Nase fassen. Vom Verein erwarte ich sowieso nichts mehr. Für die Offiziellen scheint es lediglich um Zahlen in verschiedensten Formen zu gehen – um Mitglieder, Abteilungen, Beiträge, Einnahmen usw. Die Bedürfnisse der Fans, ihr Schutz und vor allem ihre Verteidigung gegen Übergriffe durch Polizeibeamt*innen kommt dementsprechend viel zu kurz. Allerdings muss mensch kein Prophet sein, um zu erkennen, dass ein derartig gleichgültiges Verhalten gegenüber den Fans und Vereinsmitgliedern und bezüglich der Vorkommnisse in Luckenwalde emphatieloses Verhalten nur zur Vertiefung des Grabens zwischen Fans und Verein führen kann. Und was als Verantwortungs- und Respektlosigkeit beginnt, muss schließlich im Bruch enden. Das scheint den Vereinsoffiziellen nicht bewusst zu sein. Oder, noch schlimmer, es ist ihnen egal, was mit den Mitgliedern und den Fans passiert…
Dabei wäre es so einfach. Und es muss nicht zum endgültigen Bruch kommen. Es kann auch nach der „Schande von Luckenwalde“ und den Abgründen nach dem Achtelfinale ein Gemeinsam geben. Allerdings ist dazu etwas mehr nötig – wahrscheinlich sowohl vom Verein und dem Team als auch von der Nordkurve. Ich hoffe, es findet sich ein Weg und diese Zeilen sind vielleicht, wenn ihr sie lest, schon längst nicht mehr aktuell. Das hoffe ich inständig.
Zuerst erschienen im Ultra Unfug #238 gegen Meuselwitz.
Schlagworte: Luckenwalde, Polizeigewalt, Wat'n Theater