La casta della l’intoccabil*
Das Thema der aktuellen Jungle World sind die moralinsauren und eher apolitischen Protest gegen Berlusconi. Im Artikel „Lo stato sono io“ beschäftigt sich Lanfranco Caminiti mit der italienischen Politik vor Berlusconi und der anti-staatlichen Attitüde seit ihm, die den Wählerwillen des „Volkes“ der (demokratischen) Gewaltenteilung und dem Parlamentarismus entgegensetzt. Hierbei behauptet Caminiti, daß es vor Berlusconi eine quasi Parteiendiktatur gegen den „Faktor K“ gegeben hätte und „das postfaschistische Italien […] ein Staat der Parteien“ war. Das stimmt allerdings so nicht und verkürzt die komplexen Verstrickungen sämtlicher italienischen Parteien in das System. Die historische PCI (Partito Comunista Italiano) kommt dabei besser weg, als ihr zu steht.
Der Artikel ist trotzdem sehr gut. Insbesondere in der Analyse der Macht Berlusconis und der Besonderheiten seines Günslingssystems. Nur muß ergänzt werden, daß letzteres sich seit den 70iger Jahren jenseits der üblichen parlamentarischen (Schein-) Gefechte ausdifferenziert hat. Italien war seit dem Modell „Compromesso storico“, formuliert von Enrico Belinguer, eben nicht ein Staat der Parteien, sondern einer selbstreproduzierenden politischen Kaste „unberührbarer“ Berufspolitiker*innen.
Seit den Zeiten des „historischen Kompromißes“ war der beschriebene „Faktor K“ relativ uninteressant geworden. Die PCI duldete christdemokratische Regierungen und ermöglichte so massive Sozialkürzungen. Die sozialistische PSI (Partito Socialista Italiano) war seit Anfang der 70iger mehrfach an Regierungen beteiligt.
Der „historische Kompromiß“ und die militanten Auseinandersetzungen in den 70igern brauchten selbst ausgewiesene konservative Politiker*innen, wie Aldo Moro, der von den Brigate Rosse ermordet worden sein soll, dazu die Zusammenarbeit mit der PCi in einer Regierung der „nationalen Einheit“ zu fordern. Diese gab es zwar nie (nach der Ermordung von Moro war dieser Weg unmöglich). Doch zu einer Duldung der von Andreotti geführten Minderheitenregierung „der nationalen Solidarität“ durch die PCI kam es dennoch.
Eine Dominanz der Parteien muß also verneint werden. Vielmehr war das politische System vor Berlusconi (und ist es bis heute) von der unhinterfragbaren „La Casta“ dominiert. Die politische „Kaste“ agierte für ihre eigenen Interessen und für die eigenen Strukturen jenseits überprüfbarer und transparenter Institutionen. Die Berufpolitiker*innen emanzipierten sich vom Wahvolk und erlaubten sich Privilegien jenseits der Parteizugehörigkeiten. Nachdem die Parteien zusammenfielen, zeigte sich, daß JEDE Partei vom Kastensystem jenseits politischer „Inhalte“ profitierte und mehr an Korruption sowie Stagnation interessiert war, als an (Real-) Politik. Berlusco setzt diese Tradition fort, konnte sich allerdings auf eine (ökonomisch) konsolidierte „Kaste“ und ihre Akteure verlassen.
Schlagworte: Berlusca Merda!, PCI