Tatort Stadion #2 – Gegen jede Diskriminierung
Am Montag wurde die Tatort Stadion Ausstellung #2 in Berlin eröffnet. Das sie hier sein kann, haben die Berliner*innen persönlichen Kontakten, Hartnäckigkeit und ein bißchen Glück zu verdanken. Ohne die Inhaberin des Ladens Goal, einem Refugium für Fußballkultur in der Kreuzberger Ritterstraße, in der Nähe vom Kotti, hätte es wahrscheinlich gar nicht geklappt. Nun ist sie endlich da und kann bis zum 2. April besucht werden. Und es lohnt sich!
Das Neue Deutschland berichtet über die Eröffnung, ließ die Organisator*innen zu Wort kommen und verwies auf die von den Teilnehmer*innen beschriebenen Erfolge. Der Tagesspiegel war wohl auch da, widmet sich aber ausschließlich dem Thema Diskriminierung – was grundsätzlich richtig und wichtig ist – vernachlässigt allerdings den Ausstellungsort, die Materialien und vor allem die zum Teil positive Entwicklung sowie das Engagement von Fußballfans gegen Diskriminierung. 11freunde macht’s auf die menschliche Tour und läßt die engagierte Ladenbesitzerin zu Wort kommen. Leider viel zu kurz. Sie ist nämlich echt nett! Fußball von links war auch da und lobt die Ausstellung.
Ich war zum einen über den Laden überrascht – so ein kleines Juwel von TippKick, über Videos, coole T-Shirts, Postkarten und ’nem echt tollen Retro-Fußball gibt es selten – aber auch die Ausstellung ist gut bearbeitet. Das Material mag zwar nicht das jüngste sein, die angesprochenen Diskriminierungen sind allerdings bis heute mal mehr mal weniger relevant Thema in den Stadien. Vor allem zeigen die Aufsteller von B.A.F.F. Das Thema ist seiner erschreckenden Breite. Neben den üblichen rassistischen, antisemitischen und fremdenfeindlichen Diskriminierungen wird auch auf eher seltener angesprochene Exklusionsdiskurse aufmerksam gemacht.
Zum einem wird Antiziganismus aus den üblichen rassistischen und xenophoben Diskriminierungen hervorgehoben. Während Rassismus und offen aggressive Fremdenfeindlichkeit, außer vielleicht in den unteren Ligen und bei Spielen der Nationalmannschaft heute weitestgehend selten ist, sind antiziganistische Chöre, Transparente und Choreos vor allem in der Fanszene des FC Energie Cottbus ein Problem. Das widerliche „Zickezack Zigenuer-Pack“ ist immer wieder bei Spielen aus der Kurve des FCE Anhang zu hören. War es vor Jahren noch offener Antisemitismus, mit dem die sportliche Gegner*innen herabgewürdigt werden sollten, übernehmen zunehmend antiziganistische Klischees diese Aufgabe. Andere (ost-) deutsche Vereine dissen ihre Gegner*innen ähnlich.
Genauso wichtig und vielleicht deshalb recht prominent am Anfang des Ausstellungsrundgangs wird auf Sexismus und Homophobie in und um’s Stadion aufmerksam gemacht. Hierbei kommen auch die Ligavereine nicht gut weg. Für Frauen und Mädchen gibt es nämlich nur eine Farbe ihr Fanssein zu zeigen – nämlich rosa. Dazu gibt es freien Eintritt und Blümchen, manchmal aber auch eine gesonderte Kriminalisierung, wie der weiblichen Schickeria Fans in Basel. Selbst St. Pauli macht(e) dabei keine Ausnahme. Kurioses und ärgerliches in Bezug auf sexistische Zuschreibungen aus der jüngsten Vergangenheit sammelt die Fanorganisation von weiblichen Fans F_in. Glücklicherweise tut sich aber auch diesbezüglich etwas.
Ähnlich wie Sexismus ist auch Homophobie ein oft vernachlässigtes Thema. Zwar bemüht sich neuerdings auch der Berliner Fußballverband hat zwar mit dem Lesben- und Schwulen Verband Deutschlands (LSVD) eine Kooperationsvereinbarung geschlossen und bemüht sich, daß auf das Thema in den Vereinen aufmerksam zu machen, doch in den Kurven – selbst in vermeintlich „linken“ – sind homophobe Beschimpfungen üblich. In Berlin sind hiervon insbesondere Fans von Tennis Borussia betroffen. Immer wieder kommt es zu homophoben Beschimpfungen gegen die Veilchen. Deshalb war es für die Fans nur konsequent von sich aus die Zusammenarbeit mit dem LSVD zu suchen. Und die Ausstellung wurde auch deshalb, aufgrund der eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung, durch die Faninitiative We save TeBe unterstützt.
Ganz besonders widerlich fand ich die Drecks-Schals und die anderen Nazi-Devotionalien. Diese sind zwar sehr viel älter, aber dennoch erschreckend. Der Zusammenhang zum „Keine Politik“ Dogma der Ultras ist aber nicht schlüssig. Genauso wenig, wie die Verknüpfung der äußerst heterogenen Ultrà Szene in Deutschland, die richtigerweise eher als apolitisch beschrieben wird, mit Autonomen Nationalist*innen und anderen Freien Nazis können nationalistische Diskurse und Diskriminierungen pauschal den Ultras zugeschrieben werden. Es sollte auf keinem Fall vergessen werden, daß das Phänomen Ultrà auch die Entwicklung starker antirassistischer, antihomophober und antisexistischer Kurven begünstigte. Das Gegenteil gab und gibt es allerdings auch.
Sehr wichtig und interessant fand ich den Aufsteller, der bei der letzten Station der Ausstellung in Bielefeld entstanden ist. In Zusammenarbeit mit Wilhelm Heitmeyer, Pädagogik-Professor an der Universität Bielefeld, machten die Bielefelder Fans auf „Behindertenarbeit“ im Stadion aufmerksam. Hierbei geht es darum konsequent Barrieren abzubauen und den gemeinsamen Stadionbesuch zu ermöglichen. Etwas befremdlich fand ich deshalb den gesondert ausgeschilderten Eingang für „Behinderte und Rollstuhlfahrer“. Aber gut, ich will nicht mäkeln.
Die Ausstellung lohnt sich auf jeden Fall. Auf jeden Fall hingehen. Und die Ladenbesitzerin des Goal ist verdammt nett. Und dieser schöne Lederfußball. Toll… Ich glaub ich hab mich verliebt 😉
Schlagworte: Berlin, smash homophobia, St. Pauli, Tatort Stadion