Ein Ausflug in die Championsleague

Gestern spielte der 1. FFC Turbine Potsdam die Gäste aus FCF Juvisy-Essonne beim Championsleague Viertelfinalrückspiel an die Wand. Mit 6:2 schickten die Vorjahressiegerinnen die Französinnen nach Hause. Die Stimmung im Stadion war gut. Erstaunlich war allerdings, daß der Stimmungsblock nicht auf den Stehplätzen zu finden war, sondern auf der Tribüne. Die Gegengrade war weitestgehend ruhig. Keine Chöre. Die Fähnchen bleiben ungenutzt. Selbst der Torjubel war relativ bescheiden. Dafür freuten sich die Fans auf der Tribüne um so mehr. Und es war mal wieder schön im Karli zu sein.

Vor dem wichtigen DFB-Pokalfinale am Samstag zeigte Turbine insbesondere in der zweiten Halbzeit, das sie zur Zeit einen des schönsten Fußball in den deutschen und europäischen Ligen spielen. Die erste Hälfte begann allerdings mächtig zerfahren. Beide Mannschaften rieben sich im Mittelfeld auf. Die Pässe gingen oft ins Leere oder zur Gegnerin. Turbine versuchte zwar immer wieder die Räume zu nutzen, scheiterte aber oft an sich selbst.

Torraumszenen waren in den ersten 10 Minuten selten. Dafür pfiff die Unparteiische verdammt kleinlich gegen die Gastgeberinnen. Nach einigen gefährlichen Angriffen das Gäste aus Frankreich, die allerdings nie wirklich gefährlich vor’s Tor kamen, kämpfte sich Turbine langsam ins Spiel. Die Potsdamer nutzten die Räume konsequenter, die Angriffe wurden genauer und die ersten Schüße auf’s Tor ließen erahnen, was noch kommen sollte. Der Hammerschuß von Isabel Kerschowski nach Zuckerpass ging dann endlich auch mal rein.

Mit diesem Treffer war der Torreigen eröffnet. Die gesamte Frau*schaft spielte konzentriert, leidenschaftlich und sicher. Torgefahr für das Potsdamer Tor gab es selten. Das Spiel nach vorne blieb allerdings etwas zerfahren, gewann aber zunehmend an Kontur. Die Gastgeberinnen kamen immer wieder über die Seiten und setzen die Gäste mächtig unter Druck. Die Französinnen waren nach dem 1:0 gegen sie gezwungen nach vorne zu spielen und öffneten so den Potsdamerinnen Räume, die diese routiniert ausnutzten. Yuki Nagasato traf nach wunderbaren Pässen gleich zweimal hintereinander in nur 3 Minuten. Der beinah schon arrogante Lupfer zum 3:0 war hierbei besonders sehenswert.

Diese Überheblichkeit sollte sich allerdings rächen. Die Gäste aus Frankreich zeigten kurz, das auch sie kombinieren können. Die Abwehr der Potsdamerinnen stand einmal nicht sicher und schon zappelte der Ball im Tor von Turbine. Dieser Treffer für die Französinnen war echt unnötig und zeigte die Schwächen der Potsdamer Hintermannschaft auf. Im DFB-Pokalfinale darf sich Turbine solche Fehler nicht leisten. Duisburg würde sie, im Gegensatz zu den sturmschwachen Französinnen, eiskalt ausnutzen. Aber gut, woll’n wa‘ ma‘ nich‘ so sein, schließlich entschädigte Turbine kurz vor dem Pausenpfiff die Zuschauer*innen noch mit dem 4:1 durch Bianca Schmidt.

Die Stimmung auf der Tribüne war in der ersten Hälfte laut. Allerdings gab es außer Trommeln und den üblichen Chören wenig zu sehen. Bis auf ein gesponsertes Riesentrikot, das zum Einlauf der Mannschaften und bei den Toren gezeigt wurde, war die Tribüne fahnentechnisch wenig aktiv. Sie saß ja auch durchgehend. Winkelemente gab es gar nicht. Die mitgebrachten Fähnchen hingen meistens nur rum.

So wie das Publikum in der Gegengrade. Die meisten waren offensichtlich „nur“ zum Fußballkucken gekommen (was ja völlig in Ordnugn is‘) und nicht zur Unterstützung der Mannschaft. Aber zu kucken gab’s einiges. Die beiden Torhüterinnen Anna Felicitas Sarholz und Lena Hohlfeld übten Torschüße vor der Nordkurve. Erstere gab die Flanke und Hohlfeld zog volley ab. Die meisten Schüße gingen zwar über’s Tor in die „Gäste“-Kurve, aber den beiden schien es sichtlich Spaß gemacht zu haben.

Die zweite Hälfte begann, wie die erste aufgehört hatte, Turbine stürmte und Juvisy-Essonne kam nicht klar. Schröder stellte die Frau*schaft, trotz 4:1 Führung um, und verstärkte den Angriff weiter. Für die Abwehspielerin und Torschützin zum 4:1 Bianca Schmidt kam Monique Kerschowski, die vorne mächtig rumwuselte und für Gefahr im Torraum sorgte.

Schon in der ersten Hälfte fiel auf, daß die Potsdamerinnen nur offensiv ausgerichtet waren. Es ging immer nur nach vorne. Den Ball auch einfach mal zu halten, ging gar nicht. Dadurch kamen oft unnötige Ballverluste und Fehlpässe zu Stande. Außerdem konnten die im Mittelfeld kombinationsstarken Französinnen, wie beim Gegentreffer zu sehen war, auch mal gefährlich vor’s Tor der Potsdamerinnen kommen. Das dies nicht öfter passierte, lag zum einen an der Sturmschwäche der Gäste und an der zumeist konzentrierten Abwehrarbeit.

Die zweite Hälfte war nun noch mehr vom offensiven Spiel der Potsdamerinnen dominiert. Die Gäste aus Juvisy-Essonne waren, bis auf einmal, kaum mehr zu sehen oder fielen lediglich durch üble Fouls, Rumliegen auf dem (kalten) Rasen und kleineren Nicklichkeitern auf. Dieses eine Mal vor dem Potsdamer Tor saß aber perfekt. In einem schönen Spielzug konterten die Französinnen die Potsdamer Hintermannschaft klassisch aus. Der Paß in die Mitte kam an und Juvisy-Essonne schoß zum 4:2 ein.

Danach kam aber wenig von den Gästen. Sie versuchten zwar noch das ein oder andere mal vor’s Potsdamer Tor zu kommen, scheiterten aber zumeist im Mittelfeld. Turbine war endlich auf Idealtemperatur und ratterte fröhlich vor sich hin. Die Pässe kamen nun an. Die Räume wurden super genutzt. Mehr und mehr suchten die Fränzösinnen sich durch Fouls zurück ins Spiel zu bringen, was allerdings nicht gelang. Spätestens der Treffer zum 5:2 durch Anja Mittag nach super Paß und Hammerschuß aus circa 25 Metern beendete für die Gäste aus Juvisy-Essonne jede Hoffnung sich doch irgendwie nicht vorführen zu lassen.

Dieses Tor für Mittag war mehr als verdient. Gerade in der zweiten Hälfte war sie überall zu sehen. Was Nagasato in der ersten Hälfte geleistet hatte, übernahm Mittag in der zweiten. Sie holte sich die Bälle aus dem Mittelfeld, verteilt schöne Pässe – sie spielte faßt eine*n klassische*n Sechser*in und nicht Stürmer*in – und traf dann auch noch hochverdient. Weiter hervorzuheben ist Isabel Kerschowski. Sie ackerte im Mittelfeld und zog eins ums andere mal auf der rechten Seite vorbei. Nach dem wichtigen ersten Tor markierte sie in der zweiten Hälfte mit dem 6:2, den Endstand und belohnte sich selbst für ein engagiertes Spiel.

Die letzten Minuten der Partie, nach dem Tor von Kerschowski in der 75. Minute, tröpfelten langweilig dahin. Die Gäste aus Juvisy-Essonne hatten offentlich keinen Bock mehr auf Fußball. Sie foulten mehr als das sie spielten. Hinzu kam, daß sie offensichtlich mit Konditionsproblemen zu kämpfen hatten. Was allerdings nach dem schnellen Spiel, diktiert durch die Potsdamerinnen, kein Wunder ist. Turbine dagegen gab bis zur letzten Minute nicht auf und nutzte die Partie um Spielzüge auszuprobieren und Torschüße zu testen.

Turbine Potsdam zieht mit einem souveränen 6:2 (0:3 auswärts) ungefährdet, leidenschaftlich und nach überragendem Spiel in das Championsleague Halbfinale ein. Die Vorjahressiegerinnen bewiesen gestern, daß sie auch ohne die Starspielerin Fatmire Bajramaj (Beckenprellung) und Stammtorhüterin Anna Felicitas Sarholz (Magen-Darm-Virus) keine Probleme im Kader haben. Die Abwehr stand, bis auf kleinere Unkonzentriertheiten, sicher. Im Halbfinale wartet nun Duisburg, auf die Turbine schon in der letzten Saison im Halbfinale traf und in einem Elfmeterkrimi gewann. Übrigens durch ein Tor von Sarstedt.

Die Fans waren am gestrigen Abend insbesondere in der ersten Hälfte sehr engagiert. Der Sitzplatz-Block machte (im Sitzen) akustisch ordentlich Stimmung. In der zweiten Hälfte und spätestens seit dem 6:2 verstummte der Block aber weitestgehend. Statt zu feiern wurde die Unterstützung eingestellt. Nur kurz gab es erneut einen Höhepunkt in der Lautstärke, als der Sitzplatzblock was von „Steh‘ auf, wenn du ein Potsdamer bist“ sang und sich für geschätzte 30 Sekunden erhob. Naja, es fehlen eben ein paar Ultras auch beim Frauenfußball…

Der gestrige Abend hat uns auf jeden Fall nochmal gezeigt, wie wichtig auch das kleinste Engagement von Ultrà-Gruppen in der Kurve ist. Die Fahnen, die Doppelhalter, Transparente und Chöre sind verdammt wichtig und machen den Fußball erst zu dem, was er (für uns) ausmacht. Nämlich ein leidenschaftliches und offenes Treffen mit Freund*innen, Gleichgesinnten und anderen Fußballwahnsinnigen!

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