Bomber Harris, Babelsberg und der DFB

Wenn identitäres Sendungsbewußtsein und haarsträubende Unkenntnis kungeln, kann nur dumpfes Gepöbel sowie unnötiges Vereins- und Fanbashing herauskommen. Etwas derartiges schwer Erträgliches war in der letzten Jungle World zu lesen. Was da unter vermeintlich kritisch investigativem Journalismus in Bezug auf die Verurteilung des SV Babelsberg zu einer Zahlung von 5.000 Euro für ein vermeintlich diskriminierendes Banner daher kommt, ist lediglich eine pauschalisierende und diffamierende Polemik gegen einen zum anti-imperialistischen Brückenkopf gestempelten Verein und seine gesamte Fanszene. Das sich für diese stigmatisierende Zuschreibung ausgerechnet ein*e einzelne*r Ultrà des Teils der Nulldreier*innen instrumentalisieren ließ, der in schöner dogmatischer Regelmäßigkeit mit Hammer & Sichel die Symbole des internationalen Parteikommunismus huldigt, ist hierbei noch eines der amüsanteren Details.

Hannes Püschel hatte seinen Artikel „500 Euro pro Bomber“ über das Nachspiel zur Partie des SV Babelsberg gegen den Chemnitzer FC eigentlich ganz gut begonnen. Wie schon Nicole Selmer im Ballesterer und Andrej Reisin in einigen Artikeln bei publikative so kritisiert auch Püschel die Intransparenz und Ignoranz sogenannter Sportgerichtsentscheidungen beim Deutschen Fußballbund (DFB). In Bezug auf das Urteil des DFB gegen Nulldrei ist der Hinweis auf den Inhalt der herangezogenen Paragraphen, die sich explizit gegen „herabwürdigende Äußerungen in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Herkunft“ richten wichtig und sehr aufschlußreich. Schließlich bestrafen die Fußballbürokrat*innen nicht die im CFC Anhang obligatorischen positiven (volksverhetzenden) Bezüge auf Nazideutschland und die menschenverachtende Verunglimpfung der Nulldreier*innen durch Naziparolen, sondern die antifaschistische Intervention dagegen. Das sich der Verein SV Babelsberg offenbar in vorauseilendem Gehorsam der DFB Lesart anschließt sowie mit keinem Wort das Nazi-Treiben bei den Chemnitzer*innen erwähnt und sogar noch einen Schritt weiter geht, in dem er Regressforderungen ankündigt sowie mit der zukünftigen Reglementierung des Tifo-Materials droht, ist nicht nur äußerst ärgerlich, sondern zeugt von mangelhafter Kommunikation zwischen Verein und Fans.

Diese Klüngelei mit dem DFB sowie die mangelhafte Konfrontationsbereitschaft des Vereins gegenüber den Sportgerichtsbeamt*innen und juristischen Amateur*innen wurde und wird durch die Fans massiv kritisiert. Die Verlesung der Erklärung zur Bestrafung des Vereins beim Spiel gegen Jena quittierten die Fans mit einem Pfeifkonzert. Die institutionalisierten Fanstrukturen kritisierten ebenfalls die einseitige und devote Reaktion des Vereins. Aber davon ist im Artikel in der Jungle World nix zu lesen. Püschel phantasiert sich eher eine geheime Allianz zwischen den um ein linksalternatives aber nicht zu „linksradikales“ Image bemühten Vereinsoffiziellen und den vermeintlich in einem anti-imperialistischen Propagandamobile gefangenen „Babelsberger Fans“ zusammen. Das blauweiße, antifaschistische Selbstverständnis soll, so wird im Artikel implizit behauptet, selbst „in linken Babelsberger Fankreisen […] nicht konsensfähig“ sein. Worauf sich diese falsche Behauptung stützt, bleibt völlig unklar. Und ein Gespräch mit dem Fanbeirat oder anderen organisierten Fanakteur*innen hätte diese diffamierende Aussage leicht relativieren können. Da zeigt sich, daß, wer lediglich in Foren liest und das dort geschriebene für repräsentativ für eine gesamte Fanszene hält, nur zu völlig abstrusen Ergebnissen kommen kann.

Wobei auch dies nicht ganz richtig ist. Im offiziellen SVB Forum ging es nach der Aktion hoch her. Es gab Beleidigungen von den üblichen Verdächtigen, die sich auch bei Pyroaktionen gerne über die bösen Ultras beschweren und ihren Rausschmiß fordern. Er gab zahlreiche Erläuterungen zum Hintergrund der Aktion, die durchaus positiv aufgenommen wurden. Selbst relativ differenzierte Posts waren zu lesen. Und das vermeintlich anti-imperialistische, arbeiterundbauernstaatstraditionelle Vokabular war seltener, als von Püschel in der Jungle Word suggeriert wird. Übrigens nicht viel anders sah es diesbezüglich im lilaweißen Forum der als stramm „anti-deutsch“ verschrienen TeBe Fans aus. Neben dem beliebten SVB Bashing entspann sich eine durchaus emotionale Diskussion, wie „kritikwürdig und grenzwertig“ sowie „peinlich“ oder auch „zum kotzen und dämlich“ die Aktion der Babelsberger*innen war. Selbst die so hochgelobte Solidarität mit den Nulldreier*innen wurde in einem Post aufgekündigt. Nur die neugegründeten lilaweißen Zero Ultras – an dieser Stelle einen Glückwunsch von unserer Seite – blieben entspannt und solidarisch, wobei auch sie nicht ohne einen unnötigen Sidekick gegen den lediglich dreimal im Jahr zur Toleranz aufrufenden Verein SV Babelsberg auskommen. Aber selbst bei der Soli-Erklärung kam es in den Kommentaren zu einem kleinen Disput über die vermeintlich menschenverachtende Dimension der Aktion der Babelsberger*innen. Mensch könnte nun daraus schließen, daß selbst im „anti-deutschen“ TeBe Umfeld die Aktion nicht konsensfähig ist. Aber derartiges würde ich selbstverständlich nie behaupten…

Der Artikel von Hannes Püschel scheint mir, aus den beschriebenen Gründen, die lediglich diffamierende Behauptungen gegenüber dem Verein aufstellen und die Fans zu anti-imperialistischen Traditionalist*innen macht, zunächst aus einer durchaus nachvollziehbaren Wut zu schöpfen aber sich leider dann in ein neidvolles SVB-Bashing garniert mit einen guten Schuß ideologischen Imagebusting zu steigern. Die Unkenntnis der Hintergründe und die Unfähigkeit die Fanstrukturen in Babelsberg umfaßend zu Wort kommen zu lassen, ergänzen die Polemik gegen den SVB. Schade, daß sich die Jungle World für eine derart schlecht recherchierte Abrechnung mit einem engagierten Verein und seiner Fansszene hergegeben hat. Sehr viel besser gemacht hat es im Übrigen haGalil!

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