Antifa United!
Am Sonntag wurde der bekannte russische Antifaschist Aleksej Gaskarov zum Verhör abgeholt und festgenommen. Ihm wird die Beteiligung an Massenunruhen und Aufwiegelung zur Gewalt vorgeworfen, wobei genau das Gegenteil der Fall war. Am vergangenen Dienstag wurde er der*em Haftrichter*in vorgeführt und seine Untersuchungshaft um zwei Monate bis bis zum 28. Juni verlängert. Damit sitzt eine*r der bekanntesten russischen Antifaschist*in im Knast. Dieser Angriff auf die gesamte emanzipatorische und die antifaschistische Bewegung in Russland schreit nach Solidarität. Eine Möglichkeit ist zum Beispiel die Konzerte der Band What we feel zu besuchen. Wir haben mit den Antifa-Hardcore-Musiker*innen über ihre aktuellen Tour für Ivan Khutorskoj sowie die aktuelle Situation in Russland gesprochen. Das Interview ist im aktuellen Diario di Dario veröffentlicht worden. Wir wollen es euch aber nicht vorenthalten.
Ihr seid eine sehr bekannte russische Hardcore-Band und habt Euch auch in Deutschland einen Namen gemacht. Habt ihr besondere Verbindungen hierher?
Ja, wir pflegen schon sehr lange enge Kontakte zu deutschen Punk- und Hardcore-Bands. Aber auch zu Anarchistist*innen, Skinhead-Gruppen sowie fußballafinen Bewegungen in Babelsberg und Sankt Pauli. Im Jahr 2008 haben wir eine Tour der Stage Bottles durch Russland organisiert. Zusammen mit ihnen kamen 15 Menschen aus Düsseldorf, Hamburg, Berlin und Frankfurt. Außerdem sind wir mit Hausvabot, Enraged Minority, Rasta Knast, Irie Revoltes, Wasted Youth, Frei Schnauze, SS-Kaliert, Feine Sahne Fischfilet, MyTerror und vielen anderen Bands befreundet. Wir haben auf mindestens 80 Konzerten in Deutschland gespielt. Im Rahmen von Solidaritätstouren für die russische Antifa sind wir quer durchs Land gereist. Wir lieben es, in Deutschland aufzutreten und freuen uns schon sehr auf die neuen Konzerte.
Ihr habt euren Reunion-Gig beim Festival Siempre Antifascista 2012 in Berlin gegeben. Ich hab euch dort das erste Mal live gesehen. War ’nen Hammer Konzert. Aber warum habt ihr ausgerechnet auf diesem Festival nach einer langen Pause wieder zusammengespielt?
Im Jahr 2009 befand sich die Band in einer Krise. Neben musikalischer Kreativlosigkeit waren wir zunehmend von ernsthaften Repressionen betroffen. Konzerte in Russland wurden abgesagt und verboten. Ende des Jahres konnten wir nicht einmal mehr auf „geschlossenen“, nicht angekündigten Konzerten spielen, weil wir auf die „schwarze Liste““ radikaler musikalischer Kollektive kamen. So haben wir uns entschieden erst mal Pause zu machen, uns auszuruhen und neue Kräfte zu sammeln. Wir wollten einfach von den staatlichen Sicherheitsbehörden in Ruhe gelassen werden, erst mal abtauchen und nicht mehr so auffallen. Im April 2012 bekamen wir dann Post von den Organisator*innen des Siempre Antifascista, die uns gerne als Headliner haben wollten. Wir haben uns dann alle getroffen, diskutiert, uns für die Reunion und für ein Konzert in Berlin entschieden und im September 2012 wieder begonnen zu proben. Beim Konzert selbst hatten wir Unterstützung von unseren wunderbaren Freunden von Distemper, mit denen wir eines ihrer Lieder gecovert haben. Nach diesem Konzert haben wir uns nochmal besprochen und festgestellt, daß die Kraft da ist, weiterzumachen und – noch wichtiger – wir neue Lieder haben. Ende März [diesen Jahres, Red.] sind wir in Minsk aufgetreten. Es kamen 1.100 Menschen zum Soli-Konzert für MTZ RIPO (Partizan). Das hat uns nochmal bewiesen, daß wir uns nicht umsonst wiedervereinigt haben, daß wir immer noch unsere Bewegung und unserer Underground-Szene helfen sowie unsere Ideen unter die Leute bringen können.
Ihr seid gerade im Rahmen eine Solidaritätstour zu Ehren von Ivan Khutorskoj und zur Unterstützung seiner Familie unterwegs. Erzählt bitte ein bißchen über euer Verhältnis zu Vanja und warum ihr eure Tour ihm gewidmet habt.
Vanja war einer unserer ältesten und nächsten Freunde. Wir kannten ihn seit dem Jahr 2001. Wir haben zusammen Konzerte organisiert. Er fuhr mit uns zu Konzerten außerhalb von Moskau. Er war einer der führenden Persönlichkeiten der RASH-Bewegung, ein Punk, Straight Edger und einfach ein sehr guter Mensch. Vieles von dem, was wir erreicht haben, verdanken wir auch ihm. Wir haben immer noch Kontakt zu seiner Familie. Und diese Tour für seine Hinterbliebenen, die in sehr schwierigen Verhältnissen leben, ist eine echte Möglichkeit unserer Liebe , unseren Respekt zu ihm sowie unsere ganze Verbitterung über den Verlust zum Ausdruck zu bringen. Zur Zeit sind wir dabei einen Dokumentarfilm über Ivan zu drehen. Darin kommen Vertreter*innen bekannter Punk- und Hardcore-Bands aus Russland, aber auch die Eltern von Vanja sowie er selbst mit seinem letzten Interview kurz vor seinem Tod zu Wort.
Viele russische Antifaschist*innen sitzen zur Zeit im Knast oder sie mußten das Land verlassen. Die Sicherheitsorgane haben sich, wie in Nizhni Novgorod oder Moskau, Straftaten ausgedacht und Ermittlungen eingeleitet. Betroffen sind vor allem antifaschistische Aktivist*innen. Der Moskauer Antifaschist Aleksej Olesinov ist nun schon zum zweiten Mal der perfiden Kreativität der Polizei ausgesetzt. Wie seht ihr die aktuelle Situation von Antifaschist*innen angesichts der Repressionen in Russland?
Zur Zeit betreffen die Repressionen sowohl Linke als auch Rechte. Die Machthaber*innen knasten viele ohne Rücksicht auf die eigenen begrenzten Möglichkeiten weg. Deshalb müssen wir sehr vorsichtig und klug sein, um nicht in die Falle zu tappen und da weitermachen zu können, wo wir bereits stehen. Die Überwachung jeder beliebigen Jugendbewegung wurde nach den Aktionen zur Rettung des Waldes in Khimki im Jahr 2010 massiv verschärft. Aktuell sind die Machthaber*innen und die Polizei die Aktiveren und Erfolgreicheren.
Solidarität ist sehr wichtig – insbesondere international vernetzte Unterstützung. In dieser Ausgabe des „Diario di Dario“ beschäftigen wir uns mit Solidarität auf verschiedenen Ebenen: unter antirassistischen Fans, unter Ultras sowie mit politischer und gesellschaftlicher Solidarität. Was wollt ihr den deutschen Genoss*innen mitteilen und wie kann mensch aktuell Aktivist*innen in Russland unterstützen?
Freunde, wir wollen euch sagen, daß für uns die Kontakte zu euch allen sehr wichtig sind. Für uns war und ist es wichtig, daß Menschen 2005 Interesse an unseren Problemen gezeigt und uns geholfen haben – moralisch und finanziell. Wobei das Geld nicht das Wichtigste ist. Viel wichtiger ist, daß wir uns austauschen, das Informationen und eine adäquate Betrachtung der aktuellen Situation verbreitet werden sowie selbstverständlich wir den herzlichen Umgang miteinander und die Freundschaft untereinander weiter pflegen! Bis bald! Paßt auf euch auf!
Schlagworte: Aleksej Gaskarov, Diario di Dario, Russland, Solidarität, What we feel