Fußball! Menschenverstand! Drei Punkte!

Viele Fans des SV Babelsberg 03 werden am 8. Dezember nach Leipzig fahren. Sie wollen ihr Team unterstützen – laut und kreativ. Sie wollen Fußball sehen. Sie möchten auch auswärts dabei sein, wenn Nulldrei im fremden Stadion drei Punkten nachjagt. Der Ausflug nach Leipzig wird angesichts der Vorkommnisse im August kein einfacher werden – weder für die Aktiven auf dem Rasen noch für die Fans.

Fußball – was für ein schönes Wort! Er wird gespielt, der Fußball. Aktive finden zusammen, sie organisieren sich mal mehr mal weniger institutionell und treten gemeinsam gegen andere Menschen an. Auf der anderen Seite ist Fußball aber auch ein Ort für gemeinsame Erlebnisse, gemeinsame Leidenschaften, für Unterhaltung, Ekstase und Streit, kurz für heftiges kollektives Erleben. Fußball ist längst Hobby, Training, Arbeit, Industrie und Leidenschaft zugleich. Und er läßt sich selbstverständlich gar nicht losgelöst von der Gesellschaft denken. Ultras, Fans, Hooligans, Kinder, Familien, Freund*innen, Menschen aus verschiedenen Spektren, sozialen und ethnischen Hintergründen, mit verschiedenen Meinungen sowie unterschiedlichen Motivationen – sie alle treffen sich im Stadion. Und dieser so oft zitierte Querschnitt der Gesellschaft läßt seine sozialen, ökonomischen und politischen Meinungen bestimmt nicht zu Hause. Sie finden folgerichtig ihre Resonanz auf den Rängen, wobei die schimpfenden, die beleidigenden und die herabwürdigen neben den das Team unterstützenden unter den entfesselten Diskriminierungen am lautesten zu hören sind. Dennoch soll der Fußball unpolitisch sein!?

Er ist es nicht – um es kurz zu machen. Er ist es vor allem nicht auf den Rängen. Das Engagement gegen zu hohe Eintrittspreise, gegen Sonderzuschläge bei vermeintlichen Spitzenspielen, die eigentlich nur besser vermarktbare Spektakel sind, die Proteste gegen zunehmende verdachtsunabhängige Kontrollen und Überwachung von Fußballfans im Allgemeinen sowie der Widerstand gegen das Sicherheitspapier des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) im Besonderen waren politische Auseinandersetzungen, die aber als solche nicht erkannt werden (sollen). Auf der einen Seite stehen Vereine und Verbände, die mehr Mitglieder haben als die politischen Parteien, und sich mehr Gedanken um Ruhe und Ordnung machen, um ihr kommerzielles Spektakel nicht zu gefährden. Auf der anderen Seite rebellieren die zu Konsument*innen degradierten Fans und fordern Respekt gegenüber ihren Bedürfnissen.

Die Forderung „Keine Politik“ bedeutet eben nicht das Ende gesellschaftlich politischen Engagements in und ums Stadion, sondern die Abwesenheit einer ganz bestimmten Politik. Denn es sollen Äußerungen der Solidarität mit Ausgegrenzten und gegen jede Diskriminierung verhindert werden. Nicht Politik, sondern Respekt und Menschenverstand sollen aus dem Stadion verbannt werden.

Am 8. Dezember kann es in Leipzig nicht nur um drei unglaublich wichtige Punkte für den Klassenerhalt gehen. Die Gewalt der oft verharmlosend genannten erlebnisorientierten Fans, die diskriminierenden und menschenverachtenden Gesänge beim Hinspiel in Babelsberg verlangen nach einem klaren Zeichen gegen Diskriminierung und für mehr Menschenverstand. Deshalb organisiert die Nordkurve eine Demonstration unter dem Motto „Blauweißbunt in Leipzig – Kein Fußball den Faschisten“. Los geht’s um 10 Uhr am Bahnhof Connewitz. Von dort geht’s gemeinsam zum Bruno-Plache-Stadion. Außerdem werden Anwält*innen aus Potsdam die Babelsberger*innen begleiten.

Wir alle wollen drei Punkte! Unsere drei Punkte bedeuten aber etwas mehr. Sie verteilen sich auf drei Punkte im Spiel, eine hoffentlich laute und kreative Demonstration sowie eine anwaltliche und mediale Begleitung der Auswärtsfahrt nach Leipzig.

Dieser Text erschien im Ultra Unfug #192 zum Spiel gegen Meuselwitz. Der Aufruf zur Demo wird von uns, dem Filmstadt Inferno 1999, Zujezogen ’03 und den 03nuller*innen unterstützt. Eine Mitteilung des Legal Team Babelsberg zur anwaltlichen Begleitung der Auswärtsfahrt nach Leipzig wurde im Babelsberg Forum veröffentlicht.

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