Wat’n Theater VI – Aufstehn!
Eigentlich wollt ich ja meckern. Zumindest ein bißchen. Denn dit, wat die Nordkurve – von der Tribüne müssen wa jar nich reden – bei den letzten Heimspielen abjeliefert hat, war echt gruselig.
Ich versteh schon, daß sich die Lethargie aufm Rasen vielleicht auch zwangsläufig auf den Rängen wiederspiegelt. Aber eijentlich soll doch die Kurve – die Ultras, die engagierten Supporter*innen, die Oldschooler*innen, kurz die aktiven Fans eben – das Team unterstützen, sie nach vorne treiben, sie pushen und die letzten Prozente aus ihnen herauskitzeln. Und ich meine eijentlich wollt ich schimpfen, weil nämlich die Nordkurve spätestens beim Spiel gegen Lichterfelde (die jetzt Viktoria heißen) die Kurve jekriegt hat. Da jabs nen Aufbäumen jegen die Frustration, jegen die Langeweile und vor allem jegen dit müde Gekicke aufm Rasn. In den folgenden Tagn jings weiter – Grillen und Frühstück mitm Team. Und die Bemühungen wurden jekrönt mit nem super Intro samt ordentlichem Support in Magdeburg.
Die Motivationsrakete hätte also voll zünden können. Hattse aber leider nich. Die drei Punkte blieben im sachsen-anhaltinischen. Und och wenn einige jetz wieder den Kopp in Sand stecken wolln. Andere Vollpfosten dit Forum mit Müll zu texten, wo sie doch lieber Hyper! Hyper! gröhlen sollten. Also: Och wenn dit jetz nicht gerade einfacher jewordn is, die Nordkurve hat in den Tagen vorm Magdeburg Spiel und och mitm Engagement für die „We love Nulldrei“ Bande bewiesn, daß se keene Ansammlung erfolgsorientierter Klatschpappen is, sondern wat zu jeben hat. Nämlich: Emotionen und ganz viel Herz!
Diese Nörgler*innen, die Anti-Efe-Pöbler*innen, die Arbeitsfetischist*innen, welche die Spieler*innen, als wärn sie irgendwelche Sportsklav*innen, die zu ihrer Belustigung den Gegner platt machen solln, zur Maloche antreibn, also alle diese Sesselpupser*innen, die Menschen, die nur nach Unterhaltung lechzen und lediglich der Erfolg ihren Ansprüchen genügt, die kann ich überhaupt nich leidn. Die erinnern mich immer wieder an dit passiv-aggressive Bürgersleute-Pack in ihren barocken Stadt-Theatern. Von denen kommt nüscht Positivet. Entweder sind se ruhig und „genießen“ dit, wat se sehn – aber och nur, weil dit jespielt wird, wat sie sich och erwartet ham. Aber läuft ma wat anderes, zum Beispiel der Ödipus hat keene Römische Tunika um oder der malochende Sechser vergeigt nen Paß, dann wird jepöbelt, jepfiffn oder im besten Falle noch möglichst laut dit Theater verlassn. Obwohl: Soviel Drang zur Aktion jibts dann doch nich bei den Bürgersleutn. Die bleibn lieber sitzn und pöbeln weiter…
Aber ich bin abjeschweift. Ich wollte ja nich meckern. Und komme doch wieder zum Theater zurück. Nämlich dit konsumistische Verhalten – egal ob dit nu die Menschen im Theatersessel, uffm Schalnsitz oder iner Kurve betrifft – kennt nur ICH kucke und will wat ordentliches sehn. Der Rasn wird so zur Bühne, wo die Aktiven zu spielenden Akteur*innen werdn, die jefälligst ne anjenehme Performance abzuliefern habn. Sie solln sich mühn. Sie solln ackern. Sie solln beißn. ICH wolln die Spieler*innen kämpfn sehn. ICH will jewinn. Und darunter jeht janüscht.
Selbstverständlich is son Torjubel wat wunderbares. Och ma uffsteign is toll. Im Derby die unsymphatischen Nachbar*innen besiegn hat och wat für sich. Aber dit kann nich allet sein! Und dit wissn die aktiven Fans. Die ham sich nämlich vom schnöden Konsumismus befreit. Den Plüschsessel verlassn. Sie stehn och nicht einfach nur iner Kurve, sondern inszeniern ihre eigene, ihre vom Spiel emanzipierte Performance. Wat sich bei den pöbelnden Bürgersleute-Mob noch als passives, lediglich betrachtendes Publikum zusammenfassen läßt, verwandelt sich selbst in nen Akteur, der dit Team unterstützt. Versucht sie aus den engen Grenzen als sportliche Unterhaltungsmaschinen zu erlösen und aus ihnen mehr zu machn. Vielleicht sogar mehr, als was sie selber sein wolln.
Uff jedn Fall sind diese aktiven Fans nich passiv. Sie sind keen Publikum mehr! Sie sind nen lebendiges Kollektiv aus Individuen, dit sich uff verschiedene Arten engagiert. Iner Kurve bevorzugt chorisch sowie visuell durch Zeigen und Herumwedeln von Material… Ihr erinnert euch bestimmt daran, wat jemeint is. Wenn nich lest nochmal meine früheren Ausführungn in Watn Theater IV… Dit Engagement hört aber an den Stadiontoren nich uff. Es is weder zeitlich uff den Spieltag noch örtlich uffs Stadion begrenzt. Och in er Woche wird jemalt, jeprobt, palavert, jesungn. Die Bühne is also jesprengt! Wat die Bürgersleute sonst so machn, wees ich nich. Wahrscheinlich malochn, einkaufn, fernsehkuckn… Aber die interessieren ja och nich weiter. Schließlich, dit hoff ich doch, is der Leser* oder die Leser*in dieser Zeilen, nen aktiver Fan und weiß worum et bei diesem letzten Heimspiel jeht. Nämlich:
Aufstehn! Wir setzn allet in Bewegung!
Auf gehts! Nichts hält uns auf! Allez les bleus!
Zuerst im Ultra Unfug #199 erschienen, Bild vom FI’99
Schlagworte: Ultra Unfug, Ultra Unfug Kolumne, Wat'n Theater