Wat’n Theater XIX – So nich‘!
Heute muss ich mal ein bißchen meckern. Und zwar habe ich das Gefühl, dass wir in der Nordkurve ein massives Problem haben. Oder besser, wir haben zwei Probleme. Einmal scheint bei einem großen Teil der Leute nen für mich absolut nich nachvollziehbares Anspruchs- und Konsumdenken zu dominieren. Viele in der Nordkurve scheinen den Spieltag als Event zu betrachten, bei dem sie von den Menschen auf dem Zaun unterhalten und bespaßt werden. Sie wollen ganz persönlich und möglichst emphatisch angesprochen werden. Und dann entscheiden sie selbst von Fall zu Fall sowie aus der eigenen Betroffenheit, ob sie sich beteiligen oder nicht. Kurz: Ich hab das dumpfe Gefühl, dass eine für mich absolut nicht nachvollziehbare und teilweise subjektiv aggressive Stimmung Einzug in die Kurve gehalten hat.
Auf der anderen Seite wird die Performance der Kurve durch einen verdammt schlechten Stil gestört. Vor allem das Verhalten einiger weniger kotzt mich richtig an. Manche Stehgreifaktionen vor allem der jüngeren Semester erinnern eher an dumpf dämliche Selbstdarsteller*innen, die sich einen Dreck um das eigene Team scheren, sondern vielmehr ihr Testosteron abfeiern wollen. So was is peinlichster und stilloser Kartoffel-Support. Brennende Trophäen, auf den Platz geworfene Böller und die eine Rakete sind zwar im Vergleich zu dem Müll, den der Cottbusser Gästeanhang abgeliefert hat, ein Bruchteil an Scheiße. Aber wollen wir uns wirklich an diesen Hohlbirnen orientieren, die nix, aber wirklich gar nix von nem ordentlichen Support, ner spektakulären Performance verstehn?! Ich für meinen Teil habe keinen Bock auf diesen Stil. Das Präsentieren von Trophäen, egal ob brennend oder nich, das Rumspringen aufm Zaun und das dämliche Rumfuchteln in Richtung Gästekurve sowie das Werfen von Pyrotechnik in den Gästeblock, all das geht so was von gar nich.
Aber der Rest der neuerdings so passiven und anspruchsvollen Nordkurve benahm sich nicht viel besser. Was ein übler Anti-Support war das denn? Wir wissen alle, dass Cottbus Scheiße is. Das muss aber nicht ständig und gefühlte alle fünf Minuten zum Schlechtesten gegeben werden. Denn unser Team brauchte uns an diesem Abend so richtig. Es war echt was drin. Und was machen wir? Ich schließ mich da übrigens ausdrücklich mit ein – wir pöbeln peinlich nur gegen die Gäste, statt das Team zum Sieg zu singen.
Ich verstehe hierbei übrigens nich, warum viele bei den schnöden Ligaspielen die Kauleiste nich auseinander bekommen und stattdessen über den Menschen aufm Zaun ablästern. Beim Spiel gegen Viktoria war es eine echte Schande zu erleben, was für ne Hybris und Konsumverhalten der Großteil der Nordkurve an den Abend legte. Da war die Jugend deutlich fitter, muss ich sagen. Die älteren Semester mussten sich erstmal von nem älteren Zaunkönig*in anschreien lassen, damit sie loslegen.
Ich vermute, dass der Grund für diese schmollende, egozentrische Verweigerung und für mich nicht nachvollziehbare Passivität ein Missverständnis in der Verteilung der Rollen in der Kurve is. Denn die Menschen aufm Zaun sind nich eure Clowns, die euch hübsche Kunststückchen vorführen und so zu irgendwas animieren. Sie sind nich eure Hampelmenschen, die euch aufm Zaun performative Zuckerstückchen präsentieren, damit ihr mal die Fresse aufmacht. Nein! Ihr seid es, die die Kurve zum Beben bringen könnt. Ihr seid die Darsteller*innen und der potenziell pulsierende Supportkörper, der das Team nach vorne peitscht und ihm sowas von einem Psuh verpassen kann. Ihr alle, ihr Nordkurvensteher*innen entscheidet selbst, ob es ein grandioser Spieltag wird, bei dem die Aktiven aufm Rasen beflügelt von ner akustischen Welle spielen und mit nem grandiosen Tor die Kurve zum Explodieren bringen. Ihr seid diejenigen, die die Performance machen. Und nicht die aufm Zaun.
Das Missverständnis lebt vielleicht auch von der Bezeichnung dieser Menschen. Denn der Begriff der Vorsänger*innen paßt nicht ganz. Die Menschen aufm Zaun sind die Dirigent*innen, die Taktgeber*innen, die Multiplikator*innen. Sie horchen in die Kurve hinein und versuchen mitzubekommen, was in diesem Supportkörper gärt und wie den Weg nach außen sucht. Sie regulieren. Diese Menschen aufm Zaun. Und sie können nich zaubern. Wenn die Kurve nur am Bierchen nuckeln will, eine persönliche Ansprache einfordert, die dann auch noch eloquent und ansprechend formuliert sein soll, wenn der oder die Nachbar*in interessanter als die Supportperformance is, dann kann auch der*die Dirigent*in nix machen. Wat willste schon mit ner desinteressierten, passiven Kurve anfangen? Richtig: Nüscht!
Also: Überdenkt euer Verhalten. Präsentiert euch als erstes nicht als Kartoffeln, die Ultra mit Stillosigkeit verwechseln. Trophäen, Böller und Rummackern aufm Zaun hat nix mit Ultra zu tun. Das is einfach nur peinlich. Und ihr alle, die aufgefordert werden wollt, das Team anzufeuern, die ihr eine hübsche Animation vom Zaun erwartet, reißt euch am Riemen und werdet endlich aktiv. Und wenn ihr mit anderen reden wollt, dann bleibt doch einfach draußen. Wer einfach nur ne nette Show erleben will, der sollte mitmachen und selbst dafür sorgen, dass es für die Kurve und das Team ein unvergesslicher Spieltag wird. Also: Los jetzt hier! Und: Auf geht’s Nordkurve!
Zuerst erschienen im Ultra Unfug #213
Schlagworte: Support, Trophäen, Wat'n Theater