Der Berg rief und ich war da
Im Berliner Süd-Osten gibt es eine Kleinstadt, die nicht gerade einen guten Ruf hat. Sie gilt als Browntown. Die stinkende Naziklamottenmarke Thor Steinar kommt von dort. Es gibt spätestens seit den 90ern eine bis heute aktive Naziszene. Und trotzdem gab und gibt es in der Stadt, die von ihren Bewohner*innen nur KaWe genannt wird, immer schon eine aktive alternative Szene, die sich zum Beispiel in Zeesen rund um das besetzte Schloss und den Jugendklub Jazz oder den Stadtjugendring im Königs Wusterhausener Ghetto entwickelte.
Aus diesem Umfeld etablierten sich mehrere antirassistische Festivals wie zum Beispiel das „Le monde est á nous“ in den 90ern. In den letzten Jahren ist das Bergfunk Open Air hinzu gekommen, das an zwei Tagen im August stattfindet, sich aber eher an ein Mainstreampublikum richtet. Umso schöner ist es, dass in diesem Jahr mit Trouble Orchestra und Neonschwarz gleich zwei explizit linke Bands auftraten, die auch gleich mal die Chance nutzten, gegen die nationalistische und rassistische Scheiße in ’schland Stellung zu beziehen.
Aber kommen wir zurück zum Bergfunk und dem Festivalort. Dieser ist nämlich durchaus interessant. Denn die Konzerte finden auf dem zu DDR Zeiten streng bewachten und abgeschirmten Gelände des Funkerberg statt. Dorthin durfte früher keine*r, außer Stasi und Konsorten. Deshalb hatte ich ein mulmiges Gefühl diesen Ort zu betreten. Schließlich war das verbotenes Gelände. Die anderen Besucher*innen schien das aber nicht zu stören und ich war wohl der* Einzige, der sich etwas komisch fühlte. Naja…
Ich war nur am Samstag, am 22. August, auf dem Festival. Und ich muss gestehen, dass ich wegen Trouble Orchestra hin wollte. Freitag ging ja sowieso nich. Schließlich war Heimspiel und ich wollte Nulldrei beim gewinnen zu kucken und mit dem Team feiern. Am Samstag war aber mal Zeit in die Provinz zu fahren und vielleicht ein paar alte Kumpels zu treffen. Leider hat sich diesbezüglich nix ergeben. Die Leute vom Dorf haben scheinbar alle Familie, lagen irgendwo am Strand, spielten irgendnen Sport oder machten sonst was anderes unwichtes. Schön war aber, ein paar bekannte Gesichter aus der Nordkurve zu sehen und manche, die sich ruhig mal wieder bei uns blicken lassen können. Union is keine Alternative, Alta. Niemals! Aber lassen wir das…
Am Samstag spielten übrigens neben Trouble Orchestra und Neonschwarz noch Stattleben aus Berlin, The Jerks aus Stuttgart, Dead Lord aus Schweden, Massendefekt und als Headliner Der Plot. Stattleben habe ich verpasst. The Jerks spielen Mainstreamrock, mit ein paar schönen, längeren Schrammelpassagen. Die Klischee-Metaller*innen von Dead Lord hab ich nur am Rande mitbekommen. Sah witzig aus. Und Massendefekt, Neonschwarz und Der Plot hab ich ganz verpasst. Musste leider früher gehen, da am nächsten Tag die Lohnarbeit zum Frühaufstehen zwang. Aber ich war ja auch wegen Trouble Orchestra da.
Ich mag die Band richtig gerne. Die Leute sind verdammt nett und korrekt. Wenn du Mauser, der übrigens den Joker gezogen hatte und gleich zweimal, nämlich auch mit Neonschwarz, auf der Bühnen stand, im Lonsdale-Antira- und neben ihm Jonas mit Antifascist-Action-Shirt siehst, dann weißt du, dass du hier richtig bist. Und den verrückten Gitarrenvirtuosen* Jakob (aka Zinnschauer) wieder mal beim Ausrasten zu zu kucken, ist einfach nur ein Genuss. Kralle am Bass und Sjard ganz hinten an den Drums sind nicht so die Ausrasttypen, dafür aber unglaublich nett. Gefehlt hat leider die zweite HipHop-Hälfte Phurioso. Dafür kam ein Gast (dessen Namen ich vergessen hab) mit, der seine Parts gut übernommen hat und gleich mal bei zwei neuen Tracks am Start war. Klang richtig gut. Und vor allem sind da mal neue musikalische Elemente dabei. Klang nämlich ein bisschen nach einer Variation des späten 80er HipHop mit fetten Gitarren. Aber ich kenne mich damit ja eigentlich gar nicht aus. Deswegen lass ich mal lieber die musikalische Einordnung…
Auf jeden Fall war es ein Supersamstag mit netten Leuten. Das war ein schönes Festival in netter Atmosphäre und super Bands. Ich kann euch allen nur empfehlen im nächsten Jahr einen Besuch in Erwägung zu ziehen. Also: Merkt euch den 19. und 20. August 2016 und geht mal hin. Bin gespannt, wer diesmal kommt. Vielleicht ja Alphaville und Keimzeit. Ach ne, geht gar nicht. Die waren ja schon einmal da…
Zuerst veröffentlicht im Ultra Unfug #217
Schlagworte: Bergfunk, Trouble Orchestra