Wat’n Theater XXIV – Kick it like…

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Ich hab ja schon das letzte mal übers Internet, dieses komische Web geschrieben, dass irgendwie alles dominiert und vermeintlich sozial gewordenen sein soll. Ich würde glatt behaupten, dass dies mitnichten so is. Das Netz bietet ner Menge Rassismus und Zynismus Platz und kübelt vor allem chauvinistische und revanchistische Scheiße in die Öffentlichkeit. Is aber auch kein Wunder. Denn eigentlich ist das Cyberspace, wie das Critical Art Ensemble bereits Ende der 90er schrieb, der Lebensraum der neuen nomadischen Macht des globalisierten Kapitals, das sich mit Hyperspeed der territorialen Verortung und Angreifbarkeit entzieht, sich unsichtbar macht sowie unabhängig und unreglementiert agiert. So entsteht eine vergöttlichte, fließende Entität, die omnipräsent und omnipotent jede sesshafte soziale, ökonomische und politische Struktur dominiert. Wahnsinn wa!?

Aber was heißt das und was hat dieser Kauderwelsch mit dem Internet zu tun. Tja ne Menge. Nämlich, dass wir uns in einer globalisierten Welt befinden, die vor allem als permanent fließende Struktur erscheint, die sich in Bewegung befindet, dahin wabert, sich entzieht und sich ständig auf der Flucht befindet. Progressive Aktivist*innen müssen sich deshalb eigentlich weniger um die echten Straßen kümmern, wenn sie die nomadische Macht des neuen Kapitals attackieren wollen, sondern viel mehr um die Datenautobahnen im Cyberspace und dort für Stillstand sorgen. Aber wer will das schon… Und wer versteht das überhaupt… Und wie komme ich jetzt zu Marilyn Monroe… Hmm…. Ach egal…

Ich habe vor ein paar Tagen in den Sozialen Netzwerken, im wahrscheinlich größten Zimmer des Lebensraum Cyberspace, ein Bild entdeckt, auf dem Marilyn Monroe zu sehen ist, wie sie ein krass geschossenen Kick-Off macht. Und weil das Netz alles weiß, war schnell klar, dass das Bild beim Spiel zwischen einem Team der American Soccer League und Hapoel aufgenommen wurde, das am 12. Mai 1957 in Brooklyn, im Stadion Ebbets Field stattfand und das Hapoel mit 6:2 gewonnen hat. Was mich an dem Bild echt beeindruckt hat, war wie Marilyn Monroe in Stöckelschuhen und Kostümchen solch einen krassen Schuss abliefern konnte. Und ist dieses Bild sexistisch oder nicht… Und so stand ich wieder mal da. Wie gehe ich mit Frauen* beim Fußball im Allgemeinen und Frauenfußball im Besonderen um. Was ist sexistisch und was einfach nur sexpositive…

Tja. Eine Antwort hab ich darauf nicht gefunden. Zumindest in Bezug auf Marilyn Monroe beim Fußball. Ich finde die Bilder einfach nur schön, die einmal dafür gesorgt haben, dass das Spiel zwischen einem US-amerikanischen und einem israelischen Team überhaupt wahrgenommen wurde, aber eben auch ein Promo-Termin für den Film „Some like it hot“ von Billy Wilder war, der von Tom Tykwer als Queer-Feuerwerk beschrieben wird. Ich finde sie lebendig. Alle lachen und freuen sich. Und eine Frau kickt den Ball in einem ungewöhnlichem Dress. Noch krasser finde ich aber, dass ich mir vorstellen könnte, dass es für mich durchaus denkbar ist, dass Marilyn Monroe oder auch irgendeine andere Frau im Kostümchen spielen und mithalten könnte. Wär wahrscheinlich ein anderes Spiel, aber nicht minder beeindruckend. Aber ist solch eine Vorstellung schon sexistisch, ist so ein Kopfkino heteronormativ diskriminierend, auch wenn es gar nicht so sehr um Sex und Körper geht, sondern vielmehr darum, dass es scheißegal ist, wer Fußball spielt, in welchen Klamotten und wie? Ich weiß es nicht…

Was ich weiß, ist, dass die Frauen des SVB bei ihrem ersten Spiel in der Landesliga gegen die SG Sieversdorf verdient mit 5:2 gewonnen haben. Und Vanessa Löffler, die vielleicht manche*r von euch noch aus der Nordkurve kennt, zwei drei richtig fette Distanzschüsse abgeliefert hat. Ich würde sie glatt Knaller nennen, die (fast) aus dem Nichts für Torgefahr gesorgt haben. Und ihre Pässe waren auch nicht schlecht. Sie hat sowieso gute Akzente sowohl nach vorne als auch hinten gesetzt und keinen Ball verloren gegeben. Anna Sarholz dagegen hatte bei diesem Spiel nur selten was zu tun. Das gilt zumindest für die zweite Hälfte. Und obwohl die einzige Spitze der Gäste, die verdammt aktive 14er Spielerin, nicht ohne war. Aber wenn kein Ball kommt und die 4er Kette steht, hat auch eine technisch gute Spielerin nix auszurichten. Beim SVB hat Nicole Hansen einfach nicht aufgegeben und immer wieder zum Sprint angesetzt. Beim dritten (oder wars der vierte) Versuch klappte es endlich und sie traf zum 5:2. Super!

Und so kann ich zwar immer noch nicht beantworten, ob die New Yorker Bilderserie von Marilyn Monroe beim Fußball und meine Assoziationen sexistisch sind, aber mich auf weitere Spiele des Nulldrei Frauenteams freuen. Auf mehr Tore, Schüsse aus der Distanz und Sprints aufm Rasen. Und der Lebensraum des nomadischen Kapitals, in dem ich aber auch ganz viele tolle Bilder finden und Kontakt zu Freund*innen halten kann, kommt mir nicht mehr ganz so vergöttlicht, bösartig und gefährlich vor. Über den Rest muss ich wohl noch ein bißchen länger nachdenken. Dann wird’s auch nicht so wirr…

Zuerst veröffentlicht im Ultra Unfug #218.

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