Wat’n Theater XXXI – Neues Jahr! Neues Glück!
Seit mehreren Wochen schreiben wir das Jahr 2016. Und wie jedes Jahr soll alles besser werden. Draußen in der Welt und zu Hause. Und ich spüre es, dieses Jahr wird unser Jahr. Deshalb passen meine neuen Vorsätze auch so vorzüglich in die folgenden Monaten. Denn ich will weniger pöbeln, weniger destruktiv sein und mich vor allem positiv engagieren. Das bedeutet auch weniger monologisieren. Aber wie soll das gehen… Hmm…
Dies ist jetzt schon die 31. Kolumne, in der es um Fußball, Fankultur sowie Theater und Performance gehen soll. Zu dreißig Heimspielen habe ich geschrieben, was mir so durch den Kopf geht, was es so an Theatralem in der Kurve gibt, welche schlechten Performances abgeliefert wurden und was für komische Leute sich in Wäldern rum treiben. Ich schreibe von mir und meinen Erlebnissen. Ich möchte Geschichten erzählen und mich aufregen. Letzteres soll sich ändern. Denn Pöbeln is im Jahr 2016 nicht mehr angesagt. Respekt, Verständnis und Miteinander, kurz Dialog is voll in. Also: Doch nich aufregen. Oder vielleicht einfach positiv pöbeln… Geht das? Wer weiß. Dann wahrscheinlich doch eher die schönen Entwicklungen hervorheben, fiese Themen durch erschreckend Liebenswürdiges wenden und so vielleicht dem Zynismus, der Menschenfeindlichkeit, der Emphatielosigkeit sowie den kulturalistischen Superioritätssehnsüchten und den arrogant chauvinistischen Selbstüberhöhungen etwas entgegensetzen.
Denn Draußen geht es voll ab. Flüchtlingsheime werden beinah jeden Tag angegriffen. Geflüchtete werden attackiert. Die Reden der Politiker*innen kippen ins Absurde und stellen vor allem an den schwarzen Rändern, aber auch im bürgerlichen Mainstream, der übrigens bis ins Grüne und Rote hineinragt, den Hass auf alles Fremde und jede Veränderung aus. Abschottung, Segregation, Vertreibung sind die Konsequenzen. Die Festung Europa verwandelt sich in einen europäischen Bunker, eine jüdisch-christliche Blase, in der regressiv xenophobe Ressentiments gedeihen können. Ihre Bewohner*innen ereifern sich über irgendwelche Wahrheiten und ihre Unterdrückung. Dabei monologisieren sie geifernd und im braunen Sumpf vergraben für sich und ihre Kumpels, die im selben Dreck versinken, vor sich hin… Und so was geht doch gar nicht. Dem will ich mich nicht einmal antagonistisch aussetzen und vielleicht sogar auch noch annähern. Ne! Deshalb: Monolog geht gar nicht. Auf zum Dialog mit den Guten, also mich euch!
Denn: Ich will ja schließlich nicht nur für mich schreiben, sondern hoffe zumindest ein bisschen, dass diese Kolumne auch gelesen wird. Ich hab’s zu Beginn mit einer vermeintlich gemeinsamen, einer den Dialekt verschriftlichenden, vielleicht ein bisschen dialektischen Sprache probiert. Is schief gegangen. Aber war nen Versuch wert. Aber ihr sollt mich ja auch verstehen können. Deshalb gibt’s nich mehr soviele icke, dette und kiekemal Sachen… Aber Apropos Verstehen.
In der vorletzten Kolumne (Ultra Unfug #223) hab ich über den Zweiten Berliner Herbstsalon am Maxim Gorki Theater geschrieben. Es ging darum, was Kunst, Theater und Fußball in Zeiten der Krise machen können. Eben zum Beispiel interessante Festivals. Oder Aktionen wie der Sitzstreik der Teams AE Larissa und Acharnaikos aus der griechischen Zweiten Liga, die aus Solidarität mit getöteten Geflüchteten im Mittelmeer nach Anpfiff mehrere Minuten das Spielen verweigerten. Oder, wie in der Schaubühne, den bürgerlich elitären Herrschaftsimpuls auch in der Entwicklungs- und Flüchtlingshilfe durch die monologische Performance über Mitleid und das Maschinengewehr zu durchbrechen.
Besonders beeindruckt und seit November nicht mehr losgelassen hat mich aber etwas ganz anderes. Nämlich die Aufforderung von Hasan in der Inszenierung IN UNSEREM NAMEN zum Erlernen der Sprache der Mitbewohner*innen. Die Figur verweist damit auch explizit darauf, dass ich und wahrscheinlich ihr auch weitestgehend versagt haben, uns kennen zu lernen und eine gemeinsame Sprache zu finden. Und dazu gehört eben auch, die Sprache der Menschen neben mir, zu lernen. Deshalb wird es in Zukunft eine weitere Rubrik im Ultra Unfug geben. Nämlich – Wat heiszt’n… Was „Yalla“ bedeutet, wisst ihr wahrscheinlich schon. Aber andere türkische, arabische, serbisch-kroatische, russische usw. Worte und Redewendungen kennt ihr wahrscheinlich eher nich. Diese Lücke wird die neue Rubrik schließen. Und so wird bei einigen Heimspielen des SVB Hasans Plädoyer für Verständnis, Kennenlernen und ein anderes Miteinander Stück für Stück umgesetzt. Den Anfang in der Rubrik macht selbstverständlich Hasan selbst.
Ein besonderer Dank geht diesbezüglich übrigens an Aljoscha Begrich, Dramaturg am Maxim Gorki Theater und Kurator* des Zweiten Berliner Herbstsalons, der den Monolog von Hasan organisiert und mir geschickt hat.
Zuerst veröffentlicht im Ultra Unfug #225
Schlagworte: Gorki, Wat'n Theater