Rettet die Vienna – Unterstützt die Supporters!
Der First Vienna Football Club (FVFC) ist der älteste österreichische Fußballverein. Seit 1899 spielt die Vienna auf der Hohen Warte, einem Hügel im Wiener Nobelbezirk Döbling. Das Stadion ist nur wenige Meter vom wohl berühmtesten Sozialbaukomplex Karl-Marx-Hof entfernt. Die Geschichte des Vereins, vor allem die jüngste Entwicklung, ist durch sportliches und ökonomisches Auf und Ab gekennzeichnet. Zurzeit kämpfen die Vienna und ihre Fans erneut ums Überleben. Die geordnete Insolvenz ist eingeleitet. Jetzt heißt es, den Namen und den Spielort zu retten. Und am heutigen Sonntag, dem 26. März, das Rettungsspiel mit dem großen Rapid Wien zu genießen. Im Folgenden informiert uns ein Mitglied der Vienna Wanderers über die jüngste Entwicklung, wie es dazu kam und was in Zukunft passieren soll.
Nach dem Tod des Geschäftsführers von „Care Energy“, dem Hauptsponsor der Vienna, standen wir erneut vor der Krise. Die Zahlungen an den Verein wurden sofort eingestellt. Die weitere Finanzierung blieb unsicher. So schlitterten wir in eine Pleite, die wir der Dominanz eines Sponsors, der allein für das Überleben des Vereins verantwortlich sein sollte, zu verdanken haben.
Die „Care Energy“ kam Ende 2014 zur Vienna. Sie brachte mit Richard Kristek einen Präsidenten, der eng an den neuen Sponsor gebunden war. Denn sein Sohn Martin war Geschäftsführer von „Care Energy“. Da die Situation damals noch aussichtsloser war als jetzt (horrende Schulden, keine Sponsoren, unprofessionelle Struktur etc.), wurde die Übernahme der Leitung durch Kristek mit Bauchschmerzen akzeptiert, da der Weiterbestand des Vereins gesichert werden sollte und es keinen Plan B gab. Mit Kristek entwickelte sich die Vienna zunächst ganz gut. Alle Schulden wurden abgebaut und zusätzliche Mittel in den Aufbau einer bundesligareifen Mannschaft investiert. Das Verhältnis mit dem Verein blieb, wie zuvor auch schon, trotzdem angespannt. Es gab zwar eine Kooperation mit der aktiven Fanszene, doch agierte der Präsident als Mäzen und ließ sich nicht drein reden. Die „Zusammenarbeit“ mit dem Verein beschränkte sich entsprechend eher auf Thematiken rund um Pyrotechnik sowie die Infrastruktur im Stadion (Fancontainer, Stadionausmalung etc.). Die Gespräche mit der Vereinsführung wurden aber insofern erschwert, dass es ständige Wechsel von MitarbeiterInnen im Verein gab, das Präsidium ständig wechselte und keine Konstante zu finden war. Abmachungen wurden nur mündlich getätigt. Umsetzungen scheiterten nicht selten am Desinteresse des Vereins oder eben aufgrund von Personaländerungen.
Als dann im Juni 2016 ein interner Streit im Präsidium ausbrach, nutzten wir die Chance, bei der außerordentlichen Generalversammlung einige Anträge durchzuboxen, die wohl dem Verein längerfristig am meisten helfen werden und wir als aktive Fanszene wohl als bisher größten Erfolg verbuchen können. So haben wir eine klare und transparente Vollmachten-Regelung erreicht. Früher konnte eine Einzelperson eine uneingeschränkte Zahl von Vollmachten mitbringen. Allzu oft wurden so bereits in der Vergangenheit Fananliegen durch den Zukauf von Stimmen von fadenscheinigen Personen überstimmt. Dies ist nun nicht mehr möglich. Mitglieder können nur eine weitere Vollmacht zum Abstimmen nutzen, sprich 1+1. Zudem wurde ein Fanbeirat institutionalisiert, der sich einmal monatlich mit dem Verein trifft. Außerdem konnten wir zwei Personen aus der Fanszene im Aufsichtsrat unterbringen.
Seit der Übernahme durch die Strukturen rund um die „Care Energy“ beschäftigte sich die aktive Fanbasis gezwungenermaßen immer wieder mit den Entwicklungen des Hauptsponsors und jedeR hatte bereits ein mulmiges Gefühl. Wir wussten, dass es ein enormes Risiko ist, sich auf einen einzigen Sponsor zu verlassen, der dazu noch in Deutschland von etwaigen Prozessen gejagt wird. Als wir dann im Jänner 2017 vom Tod des Sponsors erfuhren, saß der Schock erstmals tief. Primär nicht wegen des Todesfalls an sich, sondern weil jeder Fan wusste, was dies nun bedeutet – nämlich dass wir am Ende sind. Nun war vollkommen unklar, wie es weitergehen sollte. Der Präsident trat zurück und wir standen erneut vor einem Scherbenhaufen. Interimistisch übernahm die im Juni 2016 neu gewählte Geschäftsleitung die Führung, welche sich in den letzten Monaten unserer Ansicht nach durch große Professionalität und Ehrgeiz ausgezeichnet hatte. Es wurden sehr schnell die richtigen Fäden in die Hand genommen und sehr schnell der Kontakt mit der organisierten Fanszene, sprich dem Fan-Dachverband der Vienna Supporters, gesucht.
Die Vienna Supporters wurden im Jahre 2014 gegründet, um im Falle eines eventuellen Verschwindens des Vereins die Fans zu bündeln und einen Fan-Verein gründen zu können. Heute sind die Supporters die Anlaufstelle für alle Vienna-Fans. Sie sind eine Kommunikationsplattform zwischen Fans und Verein sowie zwischen Fans und Fans. Die Mitglieder sind Einzelpersonen oder Menschen aus diversen Fangruppen.
Ende Februar 2017 fand eine außerordentliche Generalversammlung statt, die durch eine umfassende Transparenz gekennzeichnet war. So etwas hatten wir bis dato noch nie erleben dürfen. Es wurden alle Bilanzen bis in den letzten Centbetrag präsentiert und Schuldenstände schonungslos offengelegt. Es wurde auch der Plan einer Ausgleichsinsolvenz vorgestellt – und so kam es auch. Im März 2017 reichte der Verein den Insolvenzantrag ein. Der besagt, dass bis im Sommer 30 Prozent der Verbindlichkeiten an die GläubigerInnen ausgeglichen werden sollen. Der Rest fließt in eine Insolvenzmasse. Insolvenz bedeutet hierbei den Zwangsabstieg in die 4. Liga. Das bedeutet für uns den Abstieg in die Wiener Stadtliga. Die endgültige Entscheidung über den Antrag fällt allerdings erst Ende Mai. Sollte er nicht akzeptiert werden, werden wir Konkurs einreichen müssen und der Verein sperrt zu.
Seit der Generalversammlung versucht der Verein die Kosten extrem zu drücken, Ausgaben zu reduzieren und neue Sponsoren an Land zu ziehen. Besonders bei Ersterem scheint der Verein verstanden zu haben, dass in der Fanszene ein enormes Potenzial steckt und auf deren Expertise zurückgegriffen werden muss. Derzeit stehen wir deshalb in einem sehr engen Kontakt mit dem Verein und werden in sehr viele Arbeitsprozesse eingebunden. Es herrscht ein relativ offenes Klima und eine wertschätzende Transparenz. So übernehmen wir Fans interimistisch den Verkauf von Abendtickets, die Regelung der Parkplatzsituationen am Spieltag, Grafikarbeiten, den Fanartikelverkauf, den Verkauf von Tombola-Losen etc. Federführend sind hier immer die bereits erwähnten Vienna Supporters, welche sich Hilfe aus allen Fangruppen holen. So ist ein Pool von ca. 20 AktivistInnen entstanden, der immer mit dabei ist.
In dieser schweren Phase sind die Vienna Wanderers nach wie vor allem für den organisierten Support verantwortlich und kümmern sich um Choreographien, den Fan-Container, Antirepressionsarbeit etc. Einzelpersonen sind aber auch bei den Supporters am Mitorganisieren und übernehmen auch dort tragende Rollen. Seit geraumer Zeit arbeiten wir außerdem intensiv mit der Antifa Döbling sowie der Plüschponybande zusammen. Als Kollektiv der Asozialen DöblingerInnen arbeiten wir permanent daran, die Fantribüne und die Fanszene kreativ und bunt zu halten und neue Impulse zu setzen. Als wichtigen Baustein erachten wir derzeit unsere gemeinsame Arbeit bezüglich Repression und Stadionverbote – ganz im Sinne: mit Freundschaft und Zusammenhalt!
Ein weiteres Highlight wird das Rettungsspiel, für das Rapid im Jänner angeboten hat, in der spielfreien Zeit gratis zu spielen. Alle Einnahmen gehen zu 100% der Vienna zu Gute und fließen in ein Rettungspaket, das genutzt wird, um den aktuellen Betrieb zu sichern bzw. um eben die offenen Schulden abzuzahlen. Erwähnenswert ist übrigens, dass die größten GläubigerInnen das Team und die VereinsmitarbeiterInnen selbst sind, die seit Jänner keinen Lohn erhalten haben. Also ist das Geld derzeit „relativ“ gut investiert. Außerdem ist für die Zukunft eine Crowdfunding-Aktion angedacht, wo Leute spenden und gewinnen können. Wir als Fanszene wünschen uns aber vor allem Unterstützung für die Strukturen der Vienna Supporters. Wir planen gerade, Fanräume zu mieten bzw. uns im Stadion was aufzubauen, um eine professionellere Struktur zu haben und so auch den Verein besser unterstützen zu können.
Zuerst im Ultra Unfug #242 zum Spiel gegen den FC Carl Zeiss Jena am 26. März 2017 veröffentlicht.
Schlagworte: First Vienna, First Vienna Supporters, Rettet die Vienna!, Wanderers '08