Wat’n Theater XXXII – Vorwärts immer!

nopogida

In der letzten Kolumne habe ich mir zum Vorsatz für’s neue Jahr gemacht, weniger zu pöbeln und rum zu meckern. Das fällt mir aber echt schwer, wenn ich die letzten Tage so Revue passiern lasse. Der einzige Lichtblick ist, dass die Nazis rund um Christian Müller nich durch Babelsberg marschieren und ihren rassistischen Müll verbreiten konnten. Besonders ärgerlich ist diesbezüglich aber, dass das Nowawes von Berliner Prügelcops gestürmt wurde. Was mich an den Blockaden in Babelsberg besonders beeindruckt hat, war, dass sich trotz später Stunden und einem martialischem und juckigen Polizeiaufgebot doch auch einige Familien an den Protesten beteiligt haben. Das ist ungemein wichtig. Denn sie haben am Ende dafür gesorgt, dass Pogida nich laufen konnte. Was aber noch wichtiger is, die Kiddies lernen gleich mal, dass es sich lohnt auch mal auf die Straße zu setzen und klare Kante gegen Diskriminierung zu zeigen.

In Sachsen siehts da leider ganz anders aus. Da werden die eigenen Kinder mit zum Flüchtlinge blockieren oder Häuser abfackeln mitgenommen. Sächsische Kinder lernen also schon sehr früh, dass es völlig in Ordnung ist, geflüchtete Menschen, die manchmal nich viel älter sind als sie, zu erschrecken, zu beleidigen, zu beschimpfen, ihnen den Tod zu wünschen… Für die sächsischen Kinder scheint es völlig normal zu sein, Fremde nicht als Menschen zu betrachten. Babelsberg Fans durften dies zum Beispiel in Chemnitz live erleben. Im Heimblock darf dort nämlich die gesamte neueste Thor Steinar Kollektion bewundert werden. MamaPapaKind komplett in dieser stinkenden Nazimarke. Und der übermütige Sohnemann versucht dann auch noch, ganz im Hass erzogen, fröhlich in den Gästeblock zu spucken… Was willste dazu noch sagn!?

Wobei so richtig wunderts mich nich, dass ausgerechnet in Sachsen Menschenfeindlichkeit sowie Emphatie- und Respektlosigkeit so prächtig gedeihen können. Schließlich haben die Herren* Jesse, Backes & Co. alles dafür getan, dass antirassistisches Engagement und Zivilcourage kriminalisiert sowie aggressiver Anti-Kommunismus, militante Fremdenfeindlichkeit und nationalistische Superioritätssehnsüchte verharmlost wurden. Denn für die anti-extremistischen Apologet*innen einer vermeintlich harmlosen und demokratischen Mitte, gibt es nur gefährliche Ränder. Wenn die Mitte rassistisch pöbelt und grunzt, dann sind die Bürger*innen einfach nur besorgt. Wenn sie Tötungsabsichten gestisch gegenüber Geflüchteten zeigen, sind sie nur etwas aufgebracht. Ihnen muss zugehört sowie auf ihre Sorgen und Bedürfnisse eingegangen werden. Auf keinen Fall darf so etwas wie Gewalt gegen sie angewendet werden. Die is schließlich Geflüchteten und anderen notorischen „Gutmenschen“ vorbehalten. Nämlich die Linken, egal ob mit oder ohne Punkt, denen gehört das komplette repressive Instrumentarium um die Ohren gehaun. Denn sie sind wahrscheinlich keine Bürger*innen, sondern verkappte Kommunist*innen… Und so kommt, ganz im Sinne einer von Anti-Extremist*innen gelenkten Demokratie der Spezialfall „Sächsische Demokratie“ raus, in der Nazis und ihre bürgerlichen Kamerad*innen verharmlost beziehungsweise geschont, Antifaschist*innen und Antirassist*innen oder auch Geflüchtete und ihre Helfer*innen verfolgt werden.

Da wünsch ich mir doch lieber bundesweit ein bißchen mehr Babelsberg. Denn wo Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit als Verbrechen betrachtet wird, wo die Bürger*innen eben keine menschenfeindlichen Deppn, sondern emphatische Mitbewohner*innen sind, die ihre neuen Nachbarn unterstützen wollen, dort lässt es sich leben, feiern und zum Fußball gehen. Und diese Robo-Cops, die einen offenen Stadtteil in eine geschlossene Stadt verwandeln, die ein bißchen Bürgerkriegsfeeling inszenieren und womöglich für Re-Traumatisierungen sorgen, brauch echt kein Mensch. Wirklich nich! Deshalb für mehr Bunte Kieze, die sich offensiv gegen Nazis stellen. Überall!

Zuerst veröffentlicht im Ultra Unfug #226

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