Noi, saremo soli contro uomini senza memoria

Am vergangenen Samstag waren Casa del Vento zu Gast im Maschinenhaus der Kulturbrauerei im Kollwitzplatzkiez. Die Toscanesi aus Arezzo, deren Fußballmannschaft genau wie die der Livornesi Amaranto als Vereinsfarbe trägt und bei denen der livorneser Goalkeeper Manzini in der vergangenen Saison gespielt hat, paßten aber sowohl musikalisch als auch optisch irgendwie nicht in die Enklave des schwäbischen Bildungsbürgertums und der Gentrifizierungspioniere. Trotz der surrealistisch spießbürgerlichen Umgebung war das Konzert aber sehr schön. Leider aber schlecht besucht.

Sonst gehen wir ja im nicht weniger aufgewerteten Kreuzberg zu Konzerten. Aber der Prenzlauer Berg ist ein ganz anderes theatrales Universum. Das anwesende Publikum spiegelte erschreckend unübersehbar die demographische, soziale und ethnische Homogenität des Kiezes wieder. Nur einige wenige junge Menschen waren gekommen. Einer stand übrigens auch auf der Bühne.

Massimiliano Gregorio, der Bassist von Casa del Vento, zeigte zwar durch sein Shirt mit dem Aufdruck „Classe Operiae“, wo er hingehört, nur stand ihm mehrheitlich die Toskanafraktion der Prenz’lberg Hausbesitzer*innen gegenüber, die immer noch glaubt, sie wäre links. Dementsprechend wenig konnten sie mit den Liedern über den Arbeitsalltag prekär Beschäftigter, die aktuelle Bewegung gegen Berlusconi und mit dem positiven Bezug auf den Antifaschismus heute sowie während der Resistenza anfangen.

Die jüngeren Anwesenden hatten sichtlich weniger Berührungsängste mit den älteren Herren auf der Bühne und ihrer Musik. Einige der Facebookgeneration dürften Casa del Vento von ihrem Song zum Anti-Berlusconi Protest im vergangenen Jahr kennen. Die anarchistisch antagonistischen Wurzeln der Cantautori Toscanesi dürften ihnen nicht bekannt sein. Genauso wenig, wie die persönliche Betroffenheit von Luca Lanzi, dem Sänger von Casa del Vento, im Kampf der Partigian* gegen Faschist*innen und Nazis.

Am Samstag erzählte er den Hintergrund zu Notte di San Severo, einem Lied über eines der zahlreichen Nazimassaker in Norditalien beim Rückzug der Deutschen. In San Severo wurde nämlich sein Großvater zusammen mit anderen Dorfbewohner*innen von Nazis ermordet. Er hatte den erfolgreichen Kampf bei den Partisan*innen überlebt. Er wollte nur nach Hause und in Ruhe leben. Die Nazis beendeten den Traum von einem frei bestimmten Leben in einem antifaschistischen Italien tragisch.

In weiteren Songs ging es um eine andere Geschichte Italiens. Casa del Vento sang eben nicht nur über Faschismus, Krieg und Berlusconi, sondern auch für Migrant*innen und die italienische Diaspora. Luca wand sich explizit an die Italiener*innen, die ab den 50iger Jahren nach Deutschland kamen. Er widmete „L’Italiante“ insbesondere den Berliner Italianer*innen, die sich so liebevoll darum kümmern, daß immer wieder Bands wie Banda Bassotti, Talco, Los Fastidios usw. auch in Deutschland spielen können.

Es war trotz allem ein schöner Abend. Das obligatorische Bella Ciao beendete das Konzert. In der Zugabe ergänzten Casa del Vento das bürgerliche Partisanenlied in einem Folkmedley durch das kämpferisch kommunistische Fischia il Vento. Auch wenn mehr Bürger*innen im Publikum waren, gab es ein paar geballte Fäuste. Allerdings nicht bei Ala Sinistra – das waren unsere, schließlich galt es Cristiano Lucarelli. Bei Fischia il Vento, wo die Fäuste mehr angebracht wären, als bei Bella Ciao, das sie nur als Folklore kennt, gab es gar keine. Aber dafür kann Casa del Vento nix.

Das nächste mal sollten die anarchistischen Toscanesi irgendwo anders spielen, eben nicht im Kollwitzkiez. Vielleicht in einem Projekt oder im Il Ritrovo. Da passen sie auf jeden Fall besser hin.

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