Watn Theater XIII – Entblößt
Ich finde es okay, wenn sich Männer breitschultrig in Mackerattitüden ausprobieren. Das gilt allerdings nur, wenn sie die, die darauf keine Lust haben, trotzdem mitspielen lassen und nicht denken, dass eine andere Männlichkeit oder Geschlechtlichkeit weniger wert ist.
Seit ich diese klugen Worte der noch smarteren Sookee im letzten Ballesterer Nr. 96, einem wirklich guten österreichischen Fußballmagazin, gelesen habe, denke ich wieder intensiver über Männlichkeitsgehabe im Allgemeinen sowie Sexismus im Besonderen nach.
Es ist für mich, ehrlich gesagt, gar nicht so einfach eindeutig zu trennen, die Grenzen zu ziehen. Und die Worte von Sookee machen es mir auch nicht gerade leichter. Aber sie ermöglichen vielleicht eine andere Perspektive. Sie verschieben nämlich den Blickwinkel und verweisen sowohl auf Männlichkeitszuschreibungen als auch auf soziale Geschlechter-Identitäten als sozial performative Rollenkonstruktionen. Mir scheint sie darauf hinweisen zu wollen, daß die Macker*innen-Attitüde eben nicht nur Ausdruck einer patriarchalen Hegemonie sein kann, sondern durchaus Teil eines spielerischen Umgangs mit der eigenen Sexualität, gewissermaßen ein identitäres Gender-Rollenspiel. Dazu gehört eben nicht nur eine vermeintlich besonders männliche Mimik und Gestik, sondern auch ein Macker*innen-Kostüm, das die Gender-Konstruktion erst vollständig macht. Jogger, Unterhemd, Sneaker und Bauchtasche reichen eben nicht. Hinzu kommt zweifelsfrei die Präsentation des nackten Oberkörpers. Dabei ist völlig uninteressant, ob der Macker*innen-Oberkörper besonders schön ist. Er muß nur nackt sein. Also: Hauptsache entblößt.
Dieses Oberkörperfrei-Sein ist es, was besonders in der Kurve zu heftigsten Reaktionen führt. Es sind nicht die angezogenen, wild und im schlimmsten Fall obszön gestikulierenden Macker*innen, welche die sofortige Intervention provozieren. Das wird schnell als ärgerlich und unnötig beiseite gewischt. Mit dem Nacktsein ist es schwieriger. Der entblößte Körper scheint kein Drüberhinwegsehen oder ein differenziertes Betrachten der Hintergründe des Entblößens zu ermöglichen. Der nackte Oberkörper ist in der Kurve das Nonplusultra des Macker*innentums. Er ist offenbar der widerwärtigste Ausdruck einer abzulehnenden Macker*innen-Attitüde. Ich kann mich daran irgendwie so gar nicht gewöhnen. Wenn ich ehrlich bin, mag ich verschwitzte und nasse, nackte Oberkörper neben mir auch nicht besonders gern. Wenn Hool-Typen sich ihrer Oberbekleidung entledigen und ihre gut ausgebildeten sowie hart trainierten Muskelpartien inklusive großflächiger Tattoos präsentieren, finde ich das auch nicht besonders prickelnd. Obwohl… Das Bild haufenweiser nackter Oberkörper, die mit ihren Armen komisch herumfuchteln, hat irgendwie auch was Sexuelles. In der Kurve, wo dann doch in der Mehrzahl männliche Gender-Idenditäten ihr Unwesen treiben, hat es vielleicht sogar etwas Homoerotisches. Und deshalb bin ich mir nicht ganz sicher, ob die Ablehnung exzessiver Nacktheit, die nicht immer etwas mit Männlichkeitsgehabe zu tun haben muß, nicht vielmehr doch etwas mit der Ablehnung von Körperlichkeit (Sex) zu tun hat und weniger die Verteidigung vor Sexismus ist. Es erinnert mich, ehrlich gesagt, auch ein wenig an die Debatten um die PorNO und PorYES Bewegung (Feminist Sex Wars) oder die Diskussionen zwischen (alt-)feministischen Gegner*innen und jungen, feministischen Aktivist*innen zur Sexarbeit.
Wenn ich Sookee ernst nehme, ist die Macker*innen-Attitüde ein Ausdruck der eigenen Identität. Das breitschultrige, plumpe Auftreten suggeriert dem Gegenüber ein bis zum Platzen übersteigertes Selbstbewußtsein, ein aufgepumptes Ich, daß die Beine nicht mehr zusammenkriegt und sich selbst als unerschütterlichen, unbeweglichen Fels imaginiert. In der Überzeichnung erscheint mir diese Gender-Rolle fast schon lächerlich. Ähnliche Macker*innen-Idenditäten finden sich übrigens auch in queeren Szenen. Die positive Selbstbezeichnung lesbischer Frauen* als Butch, Dyke oder Stud dekonstruieren die dominanten Identitäten und kultivieren somit „weibliches“ Macker*innentum. Irgendwie empfinde ich das aber auch als bizarr, schließlich scheinen männliche Zuschreibungen einfach umgewertet und so positiv verklärt zu werden. Dennoch kann ich dieser Gender-Rolle durchaus emanzipatorisches Potenzial abgewinnen. Nämlich in der Offenlegung der eigenen Identität als lesbische, selbstbewußte und sexuell aktive Frau.
Aber ehrlich gesagt, was weiß ich schon davon, wie sich eine Frau* fühlt, wenn sich in der Kurve in ihrer Nähe ein Typ entblößt und gegenüber den anderen Männern* in der eigenen und der fremden Kurve seinen Körper präsentiert? Wir leben schließlich weiterhin in einer patriarchalen Gesellschaft, die lediglich das generische Maskulinum kennt und Frauen* sowohl sozial und ökonomisch als auch sprachlich und kulturell marginalisiert. Oder kennt ihr Autorinnen, die an die kanonisierten „großen Deutschen“ Goethe und Schiller heranreichen? Kennt ihr andere bekannte Künstlerinnen? Selbstverständlich nicht! Auch im Theater sind Frauenfiguren bis heute meistens die Opfer, die getötet werden oder sich selbst töten. Das ist aber auch kein Wunder, schließlich scheinen die Performance-Künste weltweit seit ihren Anfängen davon überzeugt gewesen zu sein, daß Frauen nicht auf die Bühnen gehören. Das änderte sich erst im Mittelalter allmählich. Und auch in der Kurve scheinen wir langsam die dunkle Zeit überwinden zu können.
Aber dennoch ist die Fankultur immer noch ein hegemonial patriarchaler Erlebnisraum. Und deshalb ist es durchaus richtig die männliche Macker-Attitüde zu kritisieren und gegen sie zu intervenieren. Völlig unabhängig davon, ob es auch weibliches Macker*innentum gibt oder nicht. Denn die Kurve ist noch lange kein queerer FreiRaum, wo Identitäten jenseits der Männlich-Weiblich-Zuschreibungen offen gelebt werden können. Aber sie kann es werden! Ich bin mir aber nicht so sicher, ob ein heftiges Unterbinden jeder Nacktheit dazu nötig ist. Wäre es nicht manchmal besser und vielleicht auch kreativer, Macker*innentum emanzipatorisch zu brechen und umzukehren? Wie es zum Beispiel Gayskins Babelsberg tun. Vielleicht läßt sich sogar eine bißchen Macker*innen-Attitüde aushalten, wenn sie denn andere Gender-Identitäten und -rollen nicht bedroht oder zu marginalisieren droht. Vielleicht gibt es ja doch ein wenig Platz für ein bißchen Entblößung innerhalb eines solidarischen Engagements gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Sexismus. Vielleicht bin ich aber auch nur naiv und utopisch harmoniesüchtig. Ich hab mich ja auch gar nicht damit beschäftigt, warum sich Menschen entblößen. Ich weiß es schlicht nicht und verstehe es auch nicht. Und so stehe ich wieder ganz unentschlossen da. Mit vielen Fragen und ganz viel Unsicherheit. Wie am Anfang. Und rette mich zu Sookee. Und denke weiter nach…
Schlagworte: Macker*innen, Patriachat, Sexismus, Wat'n Theater