Der Hühnerhof zu Gast in Babelsberg
Heute war ein schöner Nachmittag und ein super Abend. Schon die letzten Tage waren wir verdammt aufgeregt und gespannt darauf, was der Ostblock, die Nordkurve und die Dresdner*innen zeigen würden. Der Verein SV Babelsberg hatte im Vorfeld versucht Choreos zu verbieten und die Nordkurve an die Dynamos aus Dresden abzugeben. Glücklicherweise gaben die SVB Vereinsoffiziellen diesen Schwachsinn schon vor Tagen auf und es konnte ein Fußball- und Fanfest werden. Letzteres wurde es, bei ersterem sind wir uns nicht so sicher.
Das Spiel hätte besser sein können. Ehrlich gesagt hatten wir gerade von Dresden mehr erwartet. Es war zwar spannend und umkämpft, verlief weitestgehend fair, aber schöne Torszenen waren Mangelware. Von Babelsberg war in dieser Hinsicht nicht unbedingt was zu erwarten. Aber die Dresdner*innen sind angetreten aus drei Spielen neun Punkte zu holen. Das macht mensch allerdings mit Toren, Siegeswillen und Bissigkeit. All das hatten die Gäste aus Sachsen nicht mitgebracht.
Die erste Halbzeit begann sehr zerfahren. Beide Mann*schaften spielten nervös und unsicher. Insbesondere die Gäste aus Dresden wirkten schlecht organisiert und planlos. Aber auch die Babelsberger*innen hingen hinten drin ohne ernsthaft nach vorne zu kommen. So ergaben sich – eher durch Zufall als durch clevere Kombinationen – für die Dresdner*innen in den ersten 10 Minuten einige Chancen. Das kein Tor fiel, lag aber nicht an der Abwehrarbeit der Babelsberger*innen, sondern an der Unfähigkeit der Gäste.
Die nächsten Minuten gehörten eindeutig den Gastgeber*innen. Die Nordkurve war langsam erwacht. Auch der Ostblock ließ sich nicht lange bitten und initiierte den ersten Wechselgesang. Die Babelsberger*innen spielten, nachdem sie sicherer in der Abwehr standen und von den Gästen wenig entgegengesetzt wurde, munter nach vorne und tauchten mehrfach gefährlich vor dem Dresdener Tor auf. Leider war nach fünf Minuten der Sturmlauf vorbei und die Partie dümpelte langweilig dahin.
Die nächste Viertelstunde neutralisierten sich die beiden Mann*schaften im Mittelfeld. Es ging hin und her. Keine*r konnte eine Dominanz erreichen. Torszenen gab es kaum. Die gab es erst circa nach einer halben Stunde. Jetzt begann der Dresdner Sturmlauf. Immer wieder setzen die Gäste zum Sturm auf’s Tor an und wurden immer wieder durch Hammerparaden von Unger im Babelberger Tor gebremst. Außerdem stand die Viererkette super. Die Angriffbemühungen der SGD prallten dementsprechend an der Babelsberger Abwehr ab. Super Leistung der Blauweißen!
Die zweite Halbzeit lief ganz anders ab. War die erste Hälfte noch weitestgehend ausgeglichen, wobei die Gäste klare Vorteile hatten, stellte sich der SVB nun komplett hinten rein. Die Dresdener*innen fanden aber trotzdem lange keinen Weg in den Strafraum. Die freien Räume wurden zwar gesehen, konnten aber durch ungenaue Pässe und konzentrierte Abwehrarbeit der Gastgeber*innen nicht genutzt werden. Erst die gelbrote Karte gegen Rudolph brachte etwas Bewegung ins Spiel. Dresden ging selbstbewußter nach vorn. Die Babelsberger*innen reagierten aber mit konzentriertem Zementfußball.
Das Tor für den SGD kam erwartet, war aber weder rausgespielt noch besonders ansehnlich. Im Rumgestocher nach einer Ecke landete der Ball im Netz. Nach einem Pfostenschuß und zahlreichen Paraden von Unger war dieser Treffer unspektakulär und für die Gäste offenbar sehr befreiend. Selbstsicherheit brachte er aber dennoch nicht. Aus dem Nichts heraus machte Babelsberg nur Minuten vor dem Abpfiff den Ausgleich.
Den Dresdner*innen fiel in den letzten Minuten, wie schon vorher, wenig ein, um zum Torerfolg zu kommen, und so endete das Spiel verdient Remis. Die SGD machte zu wenig nach vorne und ließ die zu erwartende Selbstsicherheit und den Drang zum Tor vermissen. SVB stand hinten sicher und spielte nach vorn konsequent.
Auf den Rängen gab es, wie erwartet, auch einiges zu sehen. Die Dynamos aus Dresden zunächst ruhig. Erst zu Beginn der Partie ging’s ordentlich los. Ein Vorgeschmack von dem, was die Gästekurve leisten konnte, war bei der grottenschlechten Schlagervereinshymne zu sehen und zu hören. Schals ohne Ende und schöner chorischer Gesang. In der ersten Hälfte sollten einige laute, allerdings tausendmal gehörte, unkreative und weitestgehend unspezifischen Chöre zu hören sein. So, wie die Dresdner*innen auf dem Rasen ideenlos daher kickten, plätscherte auch ihre Kurve dahin.
In der zweiten Hälfte waren die Gäste etwas euphorischer und machten gut Stimmung. Sie versammlten sich, ganz so, wie sie es offenbar auf ’nem Hühnerhof gelernt haben, in den Fangnetzen und auf’m Zaun. Sie outeten sich häufig und laut als Besucher*innen von Sexarbeiter*innen und wollten irgendwelche „Huren“ sehen und hören. Ganz in Abgrenzung und wohl auch als Provokation gegen die eigene Dresdnerer Fan-Kampagne „Rassismus ist kein Fangesang“ wurden sexistische Sprüche mit der Tapete „Seximus ist EIN Fangesang! Ihr Huren!“ hervorgehoben. Das paßte vorzüglich zu den sächsischen Thor Steinar Nazis in der Kurve und ihren Kumpels aus dem Sportforum Niederschönhausen, die ebenfalls angereist waren.
Aus der Nordkurve kam wenig Reaktion auf die Anti-Gesänge der Gäste, die besonders in der zweiten Hälfte nur noch peinlich waren. Das Rumgepose der Hool-Macker*innen auf dem Zaun war ebenfalls mehr als gruselig. Wenn es nur Retro gewesen wäre, dann hätte mensch sich darüber ja noch amüsieren können. Aber was die Dresdner Hoo(h)lköppe abgeliefert haben…
Die Stimmung in der Nordkurve war durchgehend super. Zwar war der Gesang im Vergleich zu den Dresdner*innen wenig dominierend, aber dafür um Längen kreativer, emanzipatorischer und vor allem war die Stimmung deutlich entspannter. Sehr erfreulich fanden wir, daß nicht nur in der Nähe der FI’99 Vorsänger*innen gut Stimmung und ordentlich Lautstärke fabriziert werden konnte, sondern auch weiter zum Pufferblock hin einige Wackere (wie wir) die Chöre lautstark intonierten. Toll!
Die Pyroshow war ebenfalls passend. Das nicht einfach nur so, weil es geht, gezündet wurde, ist wichtig. Damit hat die Nordkurve gezeigt, daß Pyros nicht nur eine nette Möglichkeit sind ein Tor zu feiern, sondern auch eine Option ist dem Verein mal ein Lichtlein aufgehen zu lassen. Einmal visuell, intellektuell und vor allem auch finanziell. (Hoffentlich wird’s nich‘ zu teuer).
Der Ostblock zündelte zwar nicht, zeigte aber eine gelungene Anfangschoreos. Eine riesige Blockfahne wurde hochgezogen – glitzerte und flatterte freundlich im Wind und machte Lust auf mehr. Die Wechselgesänge mit der Nordkurve, einigen wenigen auf der Tribüne und guter Support läßt hoffen, daß vom Ostblock bald noch mehr kommt. Die fette neueste Ausgabe Ultrà-Zine des Herzschlag läßt ebenfalls einiges erwarten. Der bunte (!) Ultrà Unfug ist aber auch nich‘ schlecht. Da ham wir auf jeden Fall erstenmal ordentlich Lektüre.
Also, es war mal wieder ein schöner Spätabend im Karli. Die Gäste haben sich zwar von der widerlichsten Seite präsentiert – ihr sozialer Chauvinismus, Sexismus und irgendso’n Regierungfetisch war schwer erträglich – doch hätte es auch schlimmer kommen können. Stimmungstechnisch waren sie laut. Die Heimkurve gab sich mächtig Mühe und lädt durch Offenheit, Diskriminierungsfreiheit und konsequenten Eintreten gegen (Thor Steinar) Nazis immer wieder neu zum Besuch ein. Toll Babelsberg! Danke Nordkurve! Danke ihr süßen Dresdner*innen für den Punkt!!!