L’antagonismo e ultrà – Livornes* im Olimpico II
Giovanni Francesio hatte in seinem Buch „Tifare Contro“ zwei Episoden in Zusammenhang mit Amaranto beschrieben. Um eines davon habe ich mich vor einiger Zeit gekümmert. Nun ist das zweite widerliche Ereignis dran. Diesmal betrifft es allerdings nicht Laziomerda, sondern den AS Rom. Und es bestätigt sich wieder, daß wenn die Livornes* ins Olimpico kommen, scheinbar immer die gleichen Vollpfosten in der Kurve stehen.
Beim Spiel von AS Roma gegen Amaranto im Stadio Olimpico Ende Januar 2006 wurden in der Curva Sud ein großes Banner mit dem (falschgeschriebenen) Motto der Wehrmacht, zahlreiche Haken- und Keltenkreuzfahnen sowie Mussolini Portraits gezeigt. Was circa ein Jahr vorher schon die Lazial* den Gästen aus Livorno präsentierten, wiederholten nun die Fans des zweiten großen, römischen Fußballklubs. Neben dem Nazi-Scheiß sorgte aber etwas anderes für besonderen Abscheu.
Den Romanist* fiel nichts besseres ein, als die angereisten Livornes* mit den Lazio-Nazis gleich zu setzen. Das widerliche Banner „Lazio-Livorno, stessa iniziale, stesso forno“ (Lazio-Livorno, derselbe Anfangsbuchstabe, derselbe Ofen) verknüpft billige politische Abgrenzungen – quasi als pervertierte Umsetzung des No-politics-Dogma – mit einem widerwärtigen Bezug auf die Vernichtung der europäischen Jüd*innen in den Konzentrationslagern. Diese Art der Distanzierung von politischen Kurven durch Antisemitismus und Vernichtung ist mehr als zum kotzen.
Die Ultrà Bewegung hat sich derartige Scheiße öfter geleistet. Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie gelten bis heute, wie wir selbst beim Spiel gegen den MSV Duisburg erleben mußten, als probates Mittel der Herabwürdigung der Gegner*innen. Hinzu kommt, daß dieser Ausgrenzungs- und Vernichtungsfetisch regelmäßig als unpolitisch betrachtet wird. Erst das Engagement dagegen und die Problematisierung von Diskriminierung durch Ultras wird als unzulässige Politisierung der Bewegung verstanden.
An diesem Punkt hat sich Ultrà von seinen Wurzeln in der außerparlamentarischen Linken abgewendet. No-Politics durch Ausgrenzung hat nix mit dem Freiraum Kurve zu tun, sondern ist Ausdruck der Verdrängung emanzipatorischer Ansätze. Daraus folgt nicht selten, daß dämliche Provokationen mit einer antagonistischen Attitude verwechselt werden.
Ultrà war und ist auch ein politisches Phänomen. Ultrà kann erst dann als apolitisch gedacht werden, wenn die antagonistische Dimension, die Francesio in „Tifare Contro“ stark macht, lediglich auf Gewalt verkürzt und die Freiheit der Kurve ausgeblendet wird. Die apolitische, antagonistische Kurve existiert so nur im komplizierten Geflecht von Rivalitäten und Freundschaften. Der Fußball, sprich die Farben des Vereins und der Städte, geraten so aber aus dem Blickwinkel. Ultrà mag eine antagonistische Dimension haben, die war und ist aber auch immer mit einer mindestens ebenso großen, wenn nicht maßgeblich inklusiven Dimension verknüpft – nämlich der Liebe zum Verein und der Stadt!
Die Babelsberger Nordkurve ist in dieser Hinsicht ein Funke, der die ganz alten Wurzeln noch nicht vergessen zu haben scheint. Das Filmstadtinferno und andere Fangruppen des SVB pflegen in Potsdam und Umgebung die Wechselwirkungen zwischen den emanzipatorischen Strukturen und der Leidenschaft beim Fußball. Wirklich schön! Es ist also doch noch Hoffnung, daß Ultrà jenseits von Gewalt als lebendige Ausdrucksform in der Kurve und außerhalb weiter lebt und sich erneuert.
Schlagworte: Amaranto, AS Livorno, Fi'99, Karli, Nordkurve, Ostblock, SVB, Ultrà