Because we love! Pussy Riot!

In Moskau stehen drei junge Feminist*innen und Performancekünstler*innen vor Gericht und erwarten ihr Urteil. Sie hatten es gewagt den Altar vor der Ikonostase zu betreten, der für Frauen grundsätzlich verboten sein soll, und dort als karnevalesk queere Priester*innen ein wildes Punkgebet gegen die Wiederwahl Putins zum russischen Präsidenten gen Himmel geschickt. Nur wenige Tage zuvor rief der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche genau von diesem Ort aus seine christlichen Schäfchen dazu auf eben jenen Putin I. erneut ins Präsident*innen-Amt zu hieven. Die Punkandacht, übrigens künstlerisch voll eingeschlagen, wollte diese unheilige Allianz zwischen der Politik und dem Klerus in einer Art heidnisch feministischen Zeremonie auflösen. Klappte leider nicht. Als künstlerisches Material schlug es aber voll ein. Hierbei sind die Cover von Anti-Flag und der Electro-Punk Band Barto besonders hörenswert. Was das alles mit Fußball zu tun hat? Nichts! Und doch ganz viel!

Schließlich gehen Menschen ins Stadion. Und es sind (andere) Menschen, die immer noch glauben das Frauen auf den Altären der Welt gefälligst lediglich als Bräute und Mütter zu stehen haben. Da paart sich religiöser Fanatismus mit widerlichem Sexismus. Und vor allem von letzterem gibt es auf den Rängen immer noch zu viel. Selbst in Babelsberg, wo die supporttechnisch eher irrelevanten Mallorca Fraktion(en) nicht nur politisch sondern auch sexistisch nach Osteuropa schielen. Hierbei stehen sie übrigens Seit an Seit mit den deutschen und englischen Societyexpert*innen von InStyle und Tatler, die xenophob und rassistisch behaupten, dass die offenbar ewig junge, immer gleiche „Slutlana“ sowohl in Deutschland als auch in England den gebildeten Millionärsgatt*innen ihre hart erarbeiteten Millionärsehemänner klauen würde. Obwohl doch Russland die Hauptstadt der Millionäre ist… Und weil mich diese sexistische Scheiße, diese widerlichen xenophob eurozentrischen Ressentiments, der weißgespülte Rassismus, kurz der Ganze reaktionär anti-emanzipatorische Dreck ankotzt, hat das alles auch mit Babelsberg und Nulldrei zu tun. Aber kommen wir zum gestrigen Spiel…

Auch gestern ging’s für uns wieder früher nach Babelsberg. Wenn nich‘ diese, wie ich sie liebevoll nenne, Scheiß-Bahn wieder mal auf irgendwelche kreuzenden Züge oder Bagger gewartet hätte, wär’n wir auch noch um einiges früher im Fanladen gewesen. Aber nein, da macht sich mensch schon früher auf den Weg und… Naja, egal. Wir sind ja doch noch pünktlich dagewesen, um zusammen mit dem FI’99 zum Karli zu laufen. Zeit für längeren Schnack gab’s aber nich‘. Wird einfach beim nächsten Heimspiel nachgeholt. In’ner Kurve angekommen, hieß es für die Ultras erstma‘ Banner an‘ Zaun friemeln, Trommeln fixieren und Fahnen einsatzbereit machen. Auch ich war aktiv – ich hab unsere Fahne aktionsfähig gemacht und den Livornes* Schal platziert. Zufälligerweise genau über’m Konterfei von Kalle Liebknecht im FI’99 Banner. Dann hieß es auf den Anpfiff warten.

Im Gegensatz zu anderen Spielen war der Supportblock in der Nordkurve schon bevor die Mensch*schaften den Rasen betraten gut gefüllt und stand eng. Mehrere große Blockfahnen und kleinere Flaggen, unter anderen die Freundschaftsfahne des FI’99 und USP, sorgten für einen schönen Einstieg in die Partie. Der Gesang und die Textsicherheit bei 14482 is‘ aber noch ausbaufähig. Beim Auftritt der Sportler*innen wurde es gut laut. Das „Darum feiern wir“ schallte nur wenig später krachend laut – selbstverständlich nich‘ ohne die übliche Capo-Pöbelei, die das letzte aus den Kehlen hervor kitzelt(e) – durch’s Karli und machte schon früh klar, was die Kurve von den in weiß spielenden Nulldreier*innen auf dem Rasen erwartet. Drei Punkte mußten her!

Auf dem Rasen tat sich nach guten Anfang für die in weißspielenden Babelsberger*innen wenig. Schon nach fünf Minuten war für die Gastgeber*innen Schluß mit den Offensivambitionen. Ab jetzt spielten die dunklen Gestalten aus der hessischen Hauptstadt Wiesbaden und machten folgerichtig die Tore. Zu diesem Zeitpunkt brillierte lediglich der Babelsberger Keeper, der einige Einschußchancen der Gäste vereitelte. Es war grauenhaft anzuschau’n, was die Blauweißen da auf dem Rasen ablieferten. Zum kotzen dieser mangelhafte Einsatzwille, die Ideenlosigkeit und Konzentrationsschwächen in der Abwehrarbeit…

Das einzige, was für diese Grottenleistung der Nulldreier*innen auf dem Rasen entschädigte, war der schöne Einsatz der Kurve. Die erste halbe Stunde bis zum 0:2 wurde durch gesungen. So kompakt und enthusiastisch hab‘ ich den Supportblock selten erlebt. Das lobt auch firebrook von den Zujezogenen. Ich muß noch hinzufügen, daß mir besonders gut gefallen hat, daß einige Chöre sehr lange durchgehalten wurden. Selbst Unterbrechungen, um Freistöße der Gäste zu stören, führten nich‘ zum Abbruch des Gesangs, sondern ganz im Gegenteil, danach ging’s genauso laut und euphorisch weiter. Respekt an die Ultras, die dran blieben. Und auch an die Zujezogenen, die immer wieder für’s Entfachen der Leidenschaft im oberen Bereich des Blocks sorgten. Leider war’s damit, wie schon erwähnt, nach ’ner halben Stunde vorbei…

Aus der Halbzeitpause kamen die Nulldreier*innen offenbar nach ’nem ordentlichen Anschiß vom Trainerstab und ’ner klaren Ansage von Müller sehr viel fordernder und offensiver heraus. Den ersten Knaller, vielleicht auch so was wie ’ne Initialzündung für die Mensch*schaft, markierte ein krass abgezogener Torschuß, der leider nich‘ ins Tor sondern circa 5-6 Meter drüber hinaus ging. Aber jetz‘ ging’s wirklich los. Zwanzig Minuten mühten sich sich Babelsberger*innen, um endlich den Anschlußtreffer zu erzielen. So richtig zwingend, sah’s dann aber doch nich‘ aus… Das 1:2 fiel dementsprechend nach einem Durcheinander aus Geholze, Gestocher und ’nem Torschuß. Ich konnt’s gar nich‘ richtig glauben und hab die ganze Zeit auf den Abseitspfiff oder sonst ’ne Intervention des Unparteiischen gewartet. Die kam aber nich‘.

Und jetzt legten die Nulldreier*innen auf dem Rasen und auf den Rängen endlich richtig los. Pushed by the Nordkurve fällt mir nur noch ein, wenn ich dran denke, was in den letzten Minuten passierte. Müller forderte immer wieder zu noch mehr Lautstärke und Support auf den Rängen auf. Die Spieler*innen holten den letzten Rest aus sich raus. Die Abwehr blieb konzentriert und hielt den eigenen Strafraum sauber. Bei den Gästen allerdings brannte es lichterloh. Apropos brennen, zwar wurde auf in’ner Kurve der leuchtenden Pyrotechnik gehuldigt, für Licht sorgten dann aber doch lediglich aus die Flutlichtmasten. Und was passiert bei soviel positiver Energie und der zumindest geistigen Vereinigung zwischen Nordkurve und Mensch*schaft, na… was wohl… der Ausgleich fiel.

Der Jubel war danach nich‘ mehr zu bremsen. Eine Kurvenevergreen nach dem anderen rockte das Karli. Die Fahnen blieben meistens unten. Schließlich ging’s fast ausschließlich nur noch auf’s Tor der Hess*innen. Die wackeren Jungultras, die sich sowohl in der ersten und als auch der zweiten Halbzeit so aufopferungsvoll um den optischen Support gekümmert hatten – sehr toll, legten jetzt noch einen drauf und sangen sich die Kehlen heiser. Und fast hätte es gereicht. Noch ’nen paar Minuten mehr, dann wär wieder ein legendäres 3:2 drin gewesen. Aber nix da. Die Partie wurde überpünktlich abgepfiffen und was gewesen wäre, bleibt reine Phantasie…

Für uns ging’s dann euphorisiert, glücklich und müde mit ’nem kurzen Abstecher zum Fanladen auf’n Bier direkt zurück nach Berlin. War schön… Schade, daß es nicht nur das Leben in’ner Kurve gibt, sondern „Draußen“ Nazis auf Wahlwerbetour sind und gestört werden wollen. Oder eben, wie oben schon beschrieben Macker*innen, Sexist*innen und religiöse Fundamentalist*innen einem so richtig den Tag vermiesen können. Deshalb, ab in die Kurve! Dabei aber Solidarität und den gesunden Menschenverstand nich‘ vergessen! Free Pussy Riot! Siamo tutt* Pussy Riot!

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