Sommer, Sonne und sächsische Märchen
Gestern war ein sehr schöner Tag – Sommer, Sonne, Wasser, Spaß mit vielen Freund*innen aus der ganzen Welt und drei Punkte eingefahren. Danke an das Team des SV Babelsberg, die Nordkurve und die zahlreichen Gäste! Noch schöner wäre es aber gewesen, wenn die Sachsen aus Leipzig nich‘ gekommen wären und ihr widerliches antiziganistisches, homohobes, rassistisches, faschistisches und nationalistisches Repertoire inklusive Expansionsbemühungen unterlassen hätten. Denn, wenn es diese geballte verbale und hooliganistische Nazi-Scheiße im Gästeblock nich‘ gegeben hätte, wär ich fast geneigt, diesen Tag als einen perfekten zu bezeichnen. Und wenn diese kruden, regressiven Nachspiel-Phantastereien der Lokist*innen-Faschist*innen nich‘ wären, dann würd‘ ich jetz‘ auch super relaxt ’ne Gerstenkaltschale genießen. Aber ne’…
Der Tag begann früh, sehr früh. Die Nulldreier*innen trafen sich zum gemeinsamen Frühstück mit Kaffee und Kuchen, Brötchen, einem leckeren veganen Aufstrich (Danke an den Gourmet, der den zubereitet hat), lecker Rührei… Allmählich trudelte die Nordkurve ein und mampfte. Mittendrin der Stadionsprecher und andere vom Vereinsmanagment. So manche*r schien noch nich‘ ganz da zu sein und von der letzten Nacht gezeichnet. Deshalb hieß es erstma‘ ankommen, entspannen und sich für das Spiel mit allerlei Cremes, nassen Handtüchern usw. zu versorgen. Nachdem die Nulldrei-Familie wach und gestärkt war, ging’s zum nächsten Programmpunkt – der gemeinsame Spaziergang zum Fanladen.
Am Rathaus traf sich eine für Babelsberger Verhältnisse ordentliche Meute Nulldreier*innen. Unter ihnen waren außerdem Gäste aus dem Osten von Partizan-MTZ. Nachdem die braunweißen Freund*innen aus Sankt Pauli eingetroffen waren, die übrigens mit Bus anreisten, und ’nem kleinen Schwätzchen ging’s ab in Richtung Fanladen. Kurzer Zwischenhalt, Flüssigkeiten inhalieren und weiter ins KarLi. Diesmal, nich‘ wie sonst an anderen Spieltagen, gemeinsam und geschlossen, mit allerlei Material, Choreorequisiten und Merch. Die Stadionkontrollen waren erfreulich entspannt, wie sie auch immer sein sollten. Kein Tapeten-Zeigen, keine blöden Sprüche des Sicherheitspersonals und so ging’s schnell und zackig in die Nordkurve. Dort begann das geschäftige Gewusel und die Vorbereitungen für die Feierleichkeiten zum Saisonauftakt. Die eine*n plazierten das Material am Zaun. Andere bereiten die Choreosektoren vor. Wasser in Eimern zum erfrischen wurden aufgefüllt. Der Merchstand mit eigener, gut besuchter Partzan-MTZ Ecke, würde aufgebaut und bestückt… Also, jede*r hatte irgendwas zu tun. Und wenn nich‘, dann gab’s ja noch alte Bekannte, die begrüßt werden wollten. So passierte bis circa ’ne Viertel Stunde vor Anpfiff viel und gleichzeitig wenig. Doch dann kam Lok!
Schon im Vorfeld gab’s so einige Befürchtungen. Von 1.500 Leipziger*innen und bis zu 500 Hools war die Rede. „Paßt auf euch auf“, war wohl der meist gesagte Gruß. Doch bis zum Auftritt der Lokist*innen im Stadion passierte nix. Keine Übergriffe auf dem Weg. Kein Streß mit den Schutzmenschen. Die Vorbereitungen in der Kurve war’n fertig. Doch dann passierte, was keine*r erwartet hatte. Kaum war’n die Lokist*innen-Faschist*innen in der Gästekurve machte sich ein nicht unerheblicher Teil auf den Weg über den Pufferblock in die Nordkurve. Im Gepäck nervöses Armzucken, dümmliches Glotzen und Wurfgeschosse. Der Angriff konnte abgewehrt werden und kein*e Nulldreier*innen wurde verletzt, vorerst.
Nach dem ersten Schock und chorischem Kontra konnte sich die Nulldreier*innen wieder konzentrieren und um wichtigeres kümmern. Schließlich war’n wir ja zum Fußball da und eben nich‘, wie die angereisten Lokist*innen-Faschist*innen zum Nazi-Parolen skandieren oder Block- und Platzstürmen… Nach der halben 14482-Hymne von Schabulke ging’s los. Die Saison begann und die Spieler*innen kamen auf den Platz. Die Nordkurve präsentierte ein schönes Intro unter dem Motto „always with you“ – am Zaun Tapete, im Block blauweiße Luftballons, oben Bande mit Logo. Sah echt schick aus, hab ich mir sag’n lassen. Dazu gab’s ordentlich Schlachtrufe. Angesichts der Vorkommnisse nur wenige Minuten zuvor muß ich sag’n, hat das sehr gut geklappt. Und die Choreo wurde lange gehalten. Toll! Vielleicht war auch eine gute Portion Trotz dabei, die den Gästen ma‘ zeigen sollte, daß es hier in erster Linie um Support des Teams und des Vereins ging…
Zur selben Zeit war’s im Lok-Block ruhig. Die Fraktion der Lokist*innen-Faschist*innen war ja auch noch nich‘ vollständig zum Pöbeln angetreten. Schließlich mußten sie erstma‘ den Gästeblock stürmen. Aber als die dann erstma‘ drin war’n, bewiesen sie gleichma‘, daß es ihnen an diesem schönen, sonnigen Sommernachmittag nich‘, um Fußball ging, sondern sie in erster Linie gekommen war’n, um ihr komplette anti-sportliche und diskriminierende Drecksscheiße abzulassen. Los ging’s mit „Zickzack Zigeunerpack“. Es folgte homophobe Parolen und Rumgemackere. Echt stark! Da hat dem Team aus leipzig ganz bestimmt geholfen.
Die Nordkurve reagierte auf diesen widerlichen Nazi-Aufmarsch mit dem beliebten „Wir sind Zecken“, das von einigen in „Ihr seid Zecken“ umgedichtet wurde. Naja… Der Gästeblock bleib dann nach ’nem bißchen pöbeln weitestgehend ruhig. Stimmung machte die Nordkurve und peitschte das Nulldrei nach vorn. Das „Aux armes“ ging richtig ab. Die Mitmachquote sah ganz gut aus. Da der Block kompakt stand, unsere Freund*innen aus Sankt Pauli, Minsk, Moskau usw. ordentlich mitzogen und selbst an den Rändern motiviert mitgemacht wurde, konnte die Lautstärke lange gehalten werden. Nur auf Fahnenschwenken hatten die wenigstens bei dieser Hitze Bock…
Ich war dann erstma‘ mit der Wasserversorgung beschäftigt. Ich hätte sogar fast das Tor verpaßt. So richtig abfeiern konnte ich leider nich‘ – nämlich, als Koc einnetzte, stand ich mit zwei vollen Wassereimern oben im Block… Vom Spiel hab ich aber allgemein wenig mitbekommen. Ich war viel zu aufgeregt, genervt, auf Koffein und sowieso ständig am Wasser saufen. So viel Aktion zur selben Zeit geht nich‘. Also gibt’s von mir keine Einschätzung vom Spiel. Basta!
Aber zu den Vorgängen im Gästeblock und den vermeintlichen ganz üblen Provokationen der bösen antifaschistischen Babelsberger*innen will ich doch noch meinen Senf dazu geben. Die Lokist*innen-Faschist*innen und ihre ach so apolitischen ganz normalen Fußballfans war’n nach dem Spiel schnell dabei ihre Version der Geschichte zu verbreiten. Vor allem die Leipziger Internetzeitung (anonymisierter Link) verdrehte die Geschehnisse derart, daß mir ganz schwindelig und übel beim Lesen wurde. Nicht viel besser war aber Marco Bertram von turus, der in seiner Version des Spieltages in Babelsberg konsequent die widerlichen Chöre der Gäste unterschlagen hat. Denn er war viel mehr damit beschäftigt die Märchen der Lokist*innen-Faschist*innen zu verbreiten und von einer provozierenden Babelsberger-Meute zu phantasieren. Im Lok-Forum bleibt einem dann nur noch Kopfschütteln.
Zu den Chören: Behauptet wurde, daß die Nordkurve vorgelegt und die Gäste quasi gezwungenermaßen Nazi-Scheiße absondern mußten. Richtig wird’s umgekehrt. Auf „Babelsberg Nulldrei! Arbeit macht frei“, „Antifa, hahaha“, was mehrfach skandiert wurde, gab es gar keine Reaktion von den Nulldreier*innen. Langweilig! Die NSU und Breivik verherrlichenden Chöre sind weitestgehend untergegangen. Auf das nervöse Armzucken wurde ebenfalls nich‘ reagiert. Die Nordkurve war eben doch mehr mit der Unterstützung der Nulldreier*innen auf dem Rasen beschäftigt. Sehr laut und eben nich‘ nur von den vermeintlich 50 Nazis gesungen wurde „Warum seid ihr Hurensöhne so leise“. Das kam echt laut und mindestens der halbe Gästeblock war fett dabei den eigenen Haß ma‘ so richtig rauszulassen. Das heißt mindestens 600 Lok-Fans unterstützen diese sexistische Scheiße. Die Nordkurve reagierte nun doch. Und zwar mit „Wo sind eure Ultras – ihr Nazis“.
Auch bei den nationalischen und antifaschistischen Gesängen war die Vorlage-Kontra-Relation umgekehrt. Ich würde fast behaupten, daß der gesamte Gästeblock „Deut Schland! Deut Schland!“ intonierte. Was dieser Chor mit Leipzig zu tun hat is‘ mir schleierhaft. Dementsprechend reagierte die Nordkurve mit „Nie wieder Deutschland“. Daraufhin legten Lokist*innen-Faschist*innen mit „Wir sind Deutsche und ihr nisch“ nach, was die Nulldreier*innen mit „Ihr habt den Krieg verlor’n“ konterten. Dann kam etwas, daß die Leipziger Gemüter offenbar ganz besonders aufgeregt hab’n muß.
Aus der Nordkurve flogen ein paar Dutzend Wasserbomben. Erwähnt werden muß, daß lediglich ein paar überhaupt im Gästeblock ankamen und dort wahrscheinlich nich‘ ma‘ zerplatzten. Die in der Nordkurve verbliebenen wassergefüllten Luftballons sorgten übrigens für Erfrischung im eigenen Block… Die Reaktion auf diese Aktion waren Steine, Karabinerhacken, Batterien usw. aus dem Gästeblock. Eine Person in der Nordkurve wurde verletzt und mußte sofort ins Krankenhaus – gute Besserung von dieser Stelle. Also, auf die Provokation mit Wasserbomben reagieren die Gäste mit Steinen. Und die finden das auch noch nachvollziehbar. Wobei, so richtig doch nich‘. Denn sie mußten sie eine Legende einfallen lassen, daß die Ballons mit Urin und anderem, was auch immer, ekligen gefüllt gewesen sein sollen…
Ganz traurig und erschreckend wurde es aber als es zum Platzsturm kam. Die Lokist*innen-Faschist*innen stürmen auf den Rasen und wollen in die Nordkurve. Da die Sicherheitsleute sowie die Schutzmenschen langsam reagieren, wurden die Banner erst hoch- und dann ganz abgenommen. Das tatsächlich Gefahr bestand das Material zu verlieren, beweisen Handschläge zwischen Security und Platzstürmer*innen. Echt gruselig! Während der Spielunterbrechung skandierte übrigens die Nordkurve lautstark „Fußball! Fußball“ oder „Und ihr macht unser’n Sport kaputt“. Der Hinweis darauf, daß hier zwei Fußballvereine den Saisonauftakt in die Regionalligasaison 2013 / 14 ausspielten, wurde von einem sehr kleinen Teil am ganz rechten Rand des Gästeblocks aufgenommen (die Leipziger Internetzeitung verdreht übrigens auch hier die Chronologie). Für mich war dies das erste Zeichen, daß es offenbar doch ein paar Lok-Fans gibt, die mit Nazis nix zu tun haben wollen. Aber als die dann von selbst „Antifa – hahaha!“ von sich gaben, war mir echt nur noch übel. Und, als ob die Gäste nichma‘ so richtig unmißverständlich klar machen wollen, daß sie Fußball tatsächlich nich‘ interessiert, skandierten der halbe Gästeblock „Wir sind Lokisten – Mörder und Faschisten“…
Was soll mensch dazu dann noch sag’n. Da bleibt einem echt die Spucke weg. Das die Leipziger*innen in ihrem Forum angesichts solcher Chöre auch nur ansatzweise vermeintliche Provokationen von Babelsberger*innen für die Eskalation verantwortlich machen, ist für mich unverständlich. Das selbst der stellvertretende Vereinsvorsitzende von Provokationen schwafelt, als er die Gäste beruhigen soll, ist unfassbar. Und das die Spieler*innen sich mit Abklatschen beim gesamten Gästeblock bedanken, ist einfach nur widerlich. Wie kann der Verein und das Team diese Nazi-Scheiße im Gästeblock auch noch goutieren. Zum kotzen!
Najut, genug gemeckert… Der Tag wurde ja doch noch schön. Die viel zu kurzen Gespräche mit den Freund*innen aus Sankt Pauli und die intensiveren mit den Freund*innen aus Minsk waren sehr schön. Hat mich echt gefreut, daß sie alle den ma# weniger mal sehr weiten Weg auf sich genommen haben, um uns und Nulldrei zu unterstützen und nur für ein paar Stunden etwas Freiheit zu genießen. Der Abschied von den Minsker*innen fiel mir dann auch etwas schwerer…
Спасибо друзья, что приехали в Бабелсберг и поддерживали нас! Спасибо вам, что вы дорогу и часов в автобусе взяли на себя, чтоб быть с нами! Большое спасибо вам!
Bilder gibt’s bei unseren Freund*innen vom Filmstadt Inferno 1999 und hier
Schlagworte: Fi'99, Karli, Lok Leipzig, Nordkurve, Regionalliga 2013/14, Save Partizan Minsk!, Sexismus, Sexist*innen, smash homophobia, SVB